Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Klimaziele kosten viele Bauern die Existenz – Ist das gewollt?

unwetter.
am Freitag, 11.06.2021 - 06:30 (3 Kommentare)

Im Mai wurden die Klimaziele verschärft. Auch für Bauern. Sie zahlen einen hohen Preis.

klimaziele.

Im Mai hat die Bundesregierung ihre Klimaziele noch einmal deutlich verschärft. Auch die Landwirtschaft kommt nicht ungeschoren davon. Das Problem ist jedoch: Die Industrie und der Verkehr können durch neue Technologien die verschärften Einsparziele möglicherweise erreichen. In der Landwirtschaft ist das aber kaum möglich – ohne dass man gravierend in die Produktion und die Strukturen eingreift.

Das verdeutlicht auch die Entwicklung der letzten Jahre. Konkret bedeutet das: Diese hohen Einsparziele sind eigentlich nur auf zwei Wegen möglich: Zum einen durch einen beschleunigten Ausstieg von Landwirten aus der Produktion. Zum anderen auch durch die drastische Reduktion der Tierbestände. Natürlich bringt auch die durch die neue Düngeverordnung erzwungene Reduzierung des Mineraldüngereinsatzes Einsparungen bei den Emissionen  – allerdings auch bei den Erträgen und bei den Einnahmen.

Schaut man einmal auf die Zahlen der letzten Jahre, dann ist dieser Prozess schon in vollem Gange. Insbesondere die in Sonntagsreden herbeigewünschten kleinen Höfe steigen seit einiger Zeit reihenweise aus – oder sie geben mindestens die Tierhaltung auf.

Der Grund: Tierhalter werden von zwei Seiten in die Zange genommen. Auf der einen Seite drücken die explodierenden Produktionskosten in Verbindung mit der alles verteuernden (und weiter steigenden) CO2-Steuer auf die Margen – Auf der anderen Seite machen die immer höheren Auflagen zum Tierwohl und zum Emissionsschutz (auch bei Gülle und Gärresten) den Bauern das Leben schwer. Die dafür nötigen Investitionen können gerade die kleinen Betriebe kaum noch stemmen.

Reduktionsziele sind nicht realistisch

Treibhausgase.

Doch zurück zu den neuen Klimazielen. Bisher wollte die Bundesregierung die gesamten Treibhausgasemissionen (THG) bis 2030 im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 55 Prozent senken. In der neuen verschärften Version soll die Senkung nun auf einmal 65 Prozent betragen. Aber das ist noch nicht alles: Bis 2040 sollen der Rückgang gegenüber dem Ausgangswert dann mindestens 88 Prozent erreichen.

Ziel ist: Bereits 2045 soll die Treibhausgasneutralität erreicht werden - statt wie bisher geplant bis 2050. Nach 2050 werden dann sogar „negative Emissionen“ geplant. Das bedeutet, dass Deutschland der Atmosphäre dann mehr Kohlendioxidäquivalente entziehen will – durch Aufforstung oder viellicht auch durch Humusaufbau – , als es an sie abgibt.

Für die Landwirtschaft hat die enorme Verschärfung der Klimaziele natürlich Konsequenzen: Von den 66,4 Mio. Tonnen THG im Jahr 2020 soll der Ausstoß auf 54 Millionen im Jahr 2030 sinken – anstatt wie bisher gefordert auf 58 Millionen Tonnen. Aber es kommt noch dicker: Bis 2040 soll der Emissionswert der Landwirtschaft dann nochmals drastisch auf 40 Mio. t CO2-Äquivalente schrumpfen.

Solch ein weiterer scharfer Rückgang lässt sich vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden Produktionsstrukturen und Tierbestände eigentlich nicht wirklich darstellen – ohne dass es zu einem gewaltigen Höfesterben und Strukturbruch kommt. Wahrscheinlich wäre das nicht mal erreichbar, wenn deutlich mehr Bauern auf ökologische und tierarme/tierlose Produktion umstellen – was praktisch aber wohl weder von der Produktions- noch der Absatzseite möglich wäre.

Trotz dieser drastischen Emissionsreduzierung wäre die Landwirtschaft 2040 dann trotzdem der größte Emittent – vor der dann noch vorhandenen Industrie, deren Emissionen auf 35 Millionen Tonnen THG schrumpfen sollen.

Höfesterben mit Ansage

thg-quellen.

Schauen wir uns jedoch die bisherige Entwicklung und die einzelnen Emissionsquellen der Landwirtschaft - für die letzten 20 Jahre - einmal konkret an. Danach haben sich die landwirtschaftlichen Emissionen in der ersten Dekade nach der Jahrtausendwende kaum verändert und sind dann in der zweiten Dekade bis 2017 sogar angestiegen.

Erst das extreme Dürrejahr 2018 und seine Folgen haben dann zu einem Rückgang der Emissionen geführt - unter anderem auch durch einen deutlichen Rückgang Tierbestände und durch den Ausstieg vieler kleiner Höfe. Und die folgenden Jahre waren witterungsbedingt und auch wirtschaftlich weiterhin schwierig. Vor allem gab zahlreiche neue Auflagen und poltischen Maßnahmen, die zu einer weiteren Reduktion der Emissionen führten.

Zu nennen ist vor allem die neue verschärfte Düngeverordnung, die in Verbindung mit den weiteren Dürrejahren zu einem Rückgang des Stickstoffdünger-Einsatzes in der Landwirtschaft von 2015/16 bis 2019/20 um satte 20 Prozent führte. Im gleichen Zeitraum ging die Zahl der Milchbauern um 22 Prozent zurück und die von den Sauenhaltern warfen 30 Prozent hin.

Insgesamt schrumpften die Emissionen von 2017 bis 2020 um fast 7 Prozent auf 66,4 Millionen Tonnen. Damit hatte man soagr das ursprüngliche Emissionsziel von 70 Mio. Tonnen deutlich unterboten – doch dieser Rückgang wurde keineswegs durch neue Technologien oder ähnliches bewirkt und gesteuert -  sondern er war als Folge der Dürre in erster Linie krisenbedingt.

Das heißt auch: Ein ähnliches Tempo ist für die nächsten Jahr kaum vorstellbar – es sei denn, die Krise verschärft sich und hohe Auflagen sowie explodierende Kosten drängen noch mehr Betriebe als bisher aus dem Markt. Eine „geräuschlose“ Reduzierung der landwirtschaftlichen THG um weitere 12 Millionen Tonnen bis 2030 und erst recht um sage und schreibe 26 Millionen Tonnen bis 2040 ist einfach nicht vorstellbar.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...