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Klo-Zeit: Wie die Bauern den Scheißtag erfunden haben

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am Sonntag, 09.01.2022 - 05:00 (Jetzt kommentieren)

Geschicktes Arbeitszeitmanagement gehört zu einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb einfach dazu. Aber schon früher hat man sich Gedanken über die Verteilung der Arbeit gemacht.

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Das neue Jahr ist so alt noch nicht, da verflucht so manch einer schon den Scheißtag, an dem es begonnen hat. Da brennt der Traktor ab, da fällt die Kuh um, da rutscht man in die Miste. Ein Scheißtag ist nach heutigem Verständnis ein Tag, an dem gar nichts, aber auch wirklich gar nichts so läuft, wie es sollte. Doch hinter dem Begriff verbirgt sich nichts mit Pech. Scheißtage hatten in alter Zeit einen realen Hintergrund. Und das hing mit dem Toilettengang zusammen.

Früher, vor der Zeit von Maschinen und Motorisierung, malochten auf den Bauernhöfen neben der Familie des Bauern häufig Knechte und Mägde. Da ein jeder Mensch mal müssen muss, verdrückten auch diese Angestellten regelmäßig hinter die Büsche. Da er dort seinem Privatvergnügen nachging, galt das als entgangene Arbeitszeit. Und da kommt im Jahr einiges an Stunden zusammen. Bei fünf Minuten pro Tag – von einer ruhigen Sitzung kann dann keine Rede sein – sind das mehr als 1800 Minuten oder rund 30 Stunden. Dafür musste ein Ausgleich her.

Ein Scheißtag war demnach ein Arbeitstag, den ein Knecht oder eine Magd ableisten mussten, für den der Dienstherr aber keinen Lohn zahlte. Mit dem Scheißtag war das abgegolten. Meist fiel der auf den 29. Dezember. In manchen Gegenden rechnete man sogar zwei bis drei Tage als Scheißtage an. Daran mag mancher Raucher denken, wenn er heute in die Zigarettenpause geht.

Knochenjob von Knecht und Magd

Überhaupt hatten Knechte und Mägde einen anspruchsvollen Job. Und wenig zu melden. Auch wenn es im Detail natürlich Unterschiede zwischen Dienstverhältnissen in Lippe-Detmold, Anhalt-Coburg oder Kleinwümmede gegeben hat – im Großen und Ganzen lief es ähnlich ab.

So galt Mariä Lichtmess am zweiten Februar als wichtiges Datum. Dann, und nur dann, wechselten Knechte oder Mägde ihren Bauern. Beziehungsweise dann konnten sie überhaupt nur ihren Bauern wechseln. Es gab zu diesem Zweck Gesinde-Vermittler und sogenannte Gesindemärkte. In Bayern fanden die bis in die 1930er Jahre statt.

Auch beim neuen Dienstherrn endete der Arbeitstag oft erst nach mehr als 15 Stunden. Zudem war es ihm erlaubt, seine Mitarbeiter zu beleidigen und zu schlagen. Erst mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1. Januar 1900 wurde das Züchtigungsrecht des Dienstherrn gegenüber dem Gesinde abgeschafft. Es sei denn das Gesinde war minderjährig.

Ist Toilettengang Arbeitszeit?

Ob der Dienstherr mit Stoppuhr und Knute hinter der Latrine wartete, ist wohl eher unwahrscheinlich. Und heute undenkbar. Kein Wunder, dass nach einer Studie von 2018 jeder Deutsche sechs Tage im Jahr auf dem Klo verbrachte. In Amerika ist man wieder einen Schritt weiter. Der amerikanische Wasserhahnhersteller WaterSaver Faucet Co. gesteht seinen Angestellten sechs Minuten auf der Toilette pro Tag zu. Wer schneller sein Geschäft erledigt, bekommt einen Bonus von einem Dollar.

Auf dem Land sieht das immer noch ein wenig anders aus. Aber das Thema Toilettengang bei der Feldarbeit hat etwas Zeitloses. Immerhin gelten Felder nach Arbeitsstättenverordnung nicht als Arbeitsstätte, die über ein Klo verfügen müssten.

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