
In vielen Unternehmen werden Ehrlichkeit und Vertrauen großgeschrieben. Doch viele Arbeitnehmer glauben, dass sie nicht immer die Wahrheit sagen können, ohne berufliche Nachteile zu erleiden. Fast die Hälfte der deutschen Arbeitnehmer lügt regelmäßig im Berufsalltag, um gut über die Runden zu kommen. Das hat eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergeben.
Mehr als jeder fünfte deutsche Berufstätige (22 Prozent) verhält sich nicht authentisch am Arbeitsplatz. 32 Prozent der Befragten würden niemals Gefühle in der Arbeit zeigen. Diese Umfrage-Ergebnisse zeigen ein ziemlich ernüchterndes Bild von der heutigen Arbeitswelt. Psychologen sagen, dass es für Lügen sehr unterschiedliche Gründe geben kann. Ganz überwiegend erleichtert eine Lüge den beruflichen Alltag oder beschönigt den Arbeitsfortschritt, um einfach besser dazustehen.
Kritischer wird es beim Verschweigen wichtiger Tatsachen oder bei Tatsachenverdrehung, sagen Psychologen und Juristen, oder auch bei der Verheimlichung von Misserfolgen, die sogar negative Auswirkungen auf das Unternehmen haben könnten. 27 Prozent der deutschen Berufstätigen gaben an, dass sie schon einmal gelogen haben, um Fehler und Misserfolge zu verbergen.
21 Prozent haben schon einmal die Unwahrheit gesagt, weil sie vermuten, dass der oder die Vorgesetzte keine abweichende Meinung akzeptiert. Zwölf Prozent der Befragten schwindelten, um Strafen und Sanktionen zu entgehen.
Was ist erlaubt und was verboten

Juristen sagen: Belügen Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber, kann das zu einem irreparablen Vertrauensverlust führen, der sogar eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung begründet. Dabei hat der Arbeitgeber aus juristischer Sicht grundsätzlich ein Fragerecht und die Arbeitnehmer müssen grundsätzlich auf Fragen Rede und Antwort stehen.
Anderseits gibt es auch unzulässige Fragen, wie zum Beispiel im Bewerbungsgespräch nach einer Schwangerschaft oder nach einer Schwerbehinderung. Eine zulässig gestellte Frage muss jedoch wahrheitsgemäß beantwortet werden. Versuchen Arbeitnehmer sich mit einer Lüge vor dem Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen, kann gerade dies das Arbeitsverhältnis besonders gefährden, sagen die Juristen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 zu einem Fall des Arbeitszeitbetruges, der vor Gericht ausgetragen wurde ausgeführt, dass sich ein Pflichtverstoß noch verstärke, wenn ein Arbeitnehmender nicht sogleich in der ersten Anhörung sein Fehlverhalten einräume.
Die Pflicht, wahrheitsgemäß Auskunft zu geben, gilt danach sowohl vorgerichtlich, aber auch und umso mehr im Arbeitsgerichtsprozess, betonen die Juristen. Hinzu kommt: Vor Gericht unterliegt der Arbeitnehmer noch zusätzlich der prozessuale Wahrheitspflicht.
Notlügen können auch helfen
Ehrlichen Mitarbeitern werden oftmals noch mehr positive Charaktereigenschaften wie Authentizität oder Verlässlichkeit zugeschrieben, sagen Psychologen. Werden Sie als Mitarbeiter jedoch bei einer Lüge ertappt, die größer ist, leidet das Vertrauen meist ganz besonders. Auch Ihr eigener Ruf kann dauerhaften Schaden nehmen.
Ständige Ehrlichkeit kann jedoch auch ihre schlechten Seiten haben. Zu viel Offenheit und Ehrlichkeit kann also manchmal auch schwierig für den Betroffenen zu verkraften sein und die Beziehung am Arbeitsplatz erheblich belasten. Man kann also ehrlich sein – und das kann dennoch problematisch sein, sagen die Experten. Deshalb wird nicht selten auf die Wahrheit verzichtet, um andere nicht zu verletzen.
„Die Tatsache, dass sich zahlreiche Berufstätige dann und wann mit einer Notlüge behelfen, ist also nicht weiter kritisch. Schwierig wird es dann, wenn sie in einem Unternehmen arbeiten, in dem sie es vielleicht müssen, weil Fehler und Misserfolge nicht toleriert werden und Sanktionen drohen“, sagt Felix Altmann, Arbeitsmarktexperte bei Glassdoor gegenüber dem Münchner Merkur.
„Dabei sollte sich doch herumgesprochen haben, dass ein offener Umgang mit Fehlern dafür sorgen kann, dass Berufstätige mutiger und kreativer werden. Wer sich am Arbeitsplatz verstellen und ständig lügen muss, sollte überlegen, ob sie oder er dort noch richtig aufgehoben ist.“
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