Fast scheint es ein Naturgesetz: Während die Zahl der konventionellen Bauernhöfe dramatisch schrumpft, nimmt die Zahl der Ökobauern immer weiter zu. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Zahl der konventionellen Bauernhöfe halbiert. Von den verbliebenen Betrieben wirtschaftet immerhin die Hälfte im Nebenerwerb – weil das Einkommen aus der Agrarproduktion nicht mehr ausreicht.
Die aktuelle Agrarpolitik beschleunigt ganz offenbar den Strukturwandel – obwohl sie immer wieder das Gegenteil behauptet. Ganz anders bei den Ökobetrieben: Hier hat sich die Zahl der Höfe im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht. Die Ökofläche hat sogar um das vierfache zugenommen.
Mittlerweile bewirtschaften Ökobauern in Deutschland rund 9 Prozent der Fläche und sie stellen 12 Prozent aller Betriebe. Dennoch sind Politik und Umweltverbände damit nicht zufrieden: Die Bundesregierung plant eine Ausbau des Ökolandbaus bis 2030 auf 20 Prozent – einige Bundesländer - etwa Bayern - wollen sogar 30 Prozent erreichen.
Tabuthema Rückumsteller?
Doch so rund wie es auf den ersten Blick scheint, läuft es auch in der ökologischen Landwirtschaft nicht. Das zeigt eine Thünenstudie, die sich mit so genannten Rückumstellern befasst hat. Das sind die Landwirte, die dem Ökolandbau wieder den Rücken kehren. Darüber spricht man weder in der Ökobranche noch in der Politik gerne – denn irgendwie passen diese Zahlen nicht in die Erfolgsgeschichte des Ökolandbaus.
Verdeckt wird diese Entwicklung davon, dass die Zahl der Umsteller erheblich höher ist als die Antzahl der Rückumsteller – so ist der Saldo natürlich auch positiv. Ein weiteres Problem ist: Die vom Thünen-Institut ausgewerteten Daten sind schon älter und stammen aus den Jahren 2003 bis 2010. Neue Untersuchungen wurden leider nicht gemacht oder nicht publiziert. Nichts spricht jedoch dagegen, dass sich diese Dynamik verändert hat.
Im Gegenteil: der wachsenden Preisdruck auf der Angebots- und Absatzseite und zwei wirtschaftlich sehr schwierige Jahre haben zwar die Zahl der Bioumsteller zwar kräftig erhöht – aber es könnte aus den gleichen wirtschaftlichen Gründen auch mehr Rückumsteller gegeben haben.
Vor allem kleine Öko-Betriebe geben auf
Fakt ist: Die Zahl der Biobauern die am Ende doch noch das Handtuch werfen, ist überraschend hoch: In dem untersuchten Zeitraum stiegen von jährlich 1400 neuen Biolandwirten immerhin 600 wieder aus. Ein Drittel davon gab die Landwirtschaft dann ganz auf. Zwei Drittel kehrten jedoch zur konventionellen Methode zurück.
Besonders interessant: Die meisten Rückumsteller gab es unter Nebenerwerbslandwirten, bei kleinen Höfen und bei älteren Betriebsleitern. Das deckt sich auch mit ähnlichen Untersuchungen aus anderen Ländern. Nachhaltig ist das zwar nicht, trotzdem wurde und wird darüber wenig gesprochen.
Die Thünen-Autoren Hiltrud Nieberg und Juern Sanders machten für die hohe Zahl der Rückumsteller „vor allem ökonomische Motive und auch die fehlende Hofnachfolge“ verantwortlich. Weiter heißt es: „Die ökologische Wirtschaftsweise ist für die Mehrheit der Landwirte eine von mehreren Unternehmensstrategien, die erfolgreich oder auch nicht erfolgreich sein kann, und keine normative Grundsatzentscheidung.“
Höhe Preise und hohe Prämien
Getragen wird der Ökoboom also im Wesentlichen von wirtschaftlichen Motiven. Das waren zuletzt vor allem von zwei Faktoren – zum einen den relativ hohen Umstellungs- und Förderprämien und zum anderen die hohen Ökopreise. Ökonomisch stand der Ökolandbau deshalb in letzter Zeit nicht schlecht da.
Zwar sind die Erträge erheblich niedriger – die Preise für Bioprodukte waren aber zwischen 50 und 100 % höher. Oben drauf kamen dann die verschiedenen staatliche Förder- und Umstellerprämien und künftig auch mehr Geld aus den Töpfen der EU. „Der Gewinn je Arbeitskraft in Ökobetrieben war in den letzten Jahren etwa 20 % höher als in der konventionellen Landwirtschaft“, schreibt das Thünen-Institut.
Besonders groß war der Abstand im Ackerbau. Das dicke Einkommensplus erklärt auch das große Interesse vieler Bauern am Umstieg auf bio. Hinzu kommt natürlich die aktuelle gesellschaftliche Debatte. „Der Frust über die ökonomischen Rahmenbedingungen der konventionellen Landwirtschaft ist in allen Erzeugungsbereichen hoch“ sagt der Biobauer Dietmar Groß aus Hessen zum aktuellen Umstellungsboom.
Am Ende entscheidet der Markt
Doch irgendwann kommt offenbar auch die Aufnahmefähigkeit des Biomarktes an seine Grenzen. Das machen der jüngste Preisrutsch bei Biogetreide und die langen Wartelisten der Biomolkereien deutlich. Denn auch die Verbraucher müssen die höheren Preise für Bioprodukte erst einmal zahlen. Und die Ökonomie kommt noch von anderer Seite unter Druck. Immer mehr Einzelhändler und Discounter bieten nämlich Bioprodukte an – aber zu Spottpreisen.
Das drückt das Preisniveau nach unten und schmälert die Einnahmen der Biobauern. Dietmar Groß sagt dazu: „Wer glaubt, eine marktneutrale Ausweitung der Produktion ist möglich, ist mehr als naiv.“ Der Biobauer ist überzeugt: „Die weitere Konventionalisierung des Biomarktes wird auch auf der Erzeugerebene zu einem Strukturwandel führen“. Und zu sinkenden Einkommen.
Der aktuellle Bericht aus dem Textbetriebsnetz der Landwirtschaftskammern bestätigt dies. Er zeigt: Im Wirtschaftsjahr 2018/19 brach das Einkommen der Biolandwirte geradezu dramatisch um 23 Prozent ein. Kommt damit die Erfolgsgeschichte an Ihr Ende?
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