Also eine neue Mode? Eher nicht, muss man sagen – denn das Konzept kommt – wie so vieles neue – aus Amerika und ist schon 50 Jahre alt. Aber auch in Deutschland hat die Idee der regenerativen Landwirtschaft schon etliche Anhänger gefunden.
Also was steckt nun dahinter: Einer der Erfinder ist der US-Amerikaner Robert Rodale, der das Konzept in den 1970ern in den USA entwickelt hat und zu diesem Zweck das Rodale Institute betreibt und auch Christine Jones aus Australien. Der landwirtschaftliche Ansatz wird in USA mit dem Slogan „Put the carbon back to soil“ beschrieben.
Es geht also um die Anreicherung des Bodens mit organisch gebundenem Kohlenstoff (Humus). Klar ist aber: Humusaufbau ist ein langwieriger und aufwendiger Prozess. Der größte Teil des eingebrachten Kohlenstoffs wird nämlich relativ schnell wieder abgebaut und als Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Nur ein kleiner Teil bleibt im Boden und wird langfristig gespeichert.
Und hier gibt es eine Erkenntnis des Thünen-Instituts, die der regenerativen Landwirtschaft widerspricht. Verkürzt gesagt: Die pfluglose Bodenbearbeitung bringt nichts für den Humusaufbau – der Anbau von Zwischenfrüchten schon. Auch eine wissenschaftliche Bestätigung der möglichen Vorteile der Methoden regenerativen Bewirtschaftung gibt es bislang ebenfalls noch nicht – jedenfalls nicht von offizieller Seite.
Etwa 50.000 Hektar regenerative Landwirtschaft in Deutschland

Aber zurück zur regenerativen Landwirtschaft. In diesem Jahr wurde auf dem Farm & Food-Kongresses im Januar 2020 intensiv über das Thema diskutiert: „Die regenerative Landwirtschaft ist eine Landnutzungsform, bei der wir versuchen, über die Nutzung den Boden zu verbessern und die Biodiversität zu erhöhen. Anstatt nur die Symptome unseres vorherrschenden Produktionsmodells zu bekämpfen oder zu vermeiden, können wir versuchen, über Technologie auch die Ursachen zu verändern”, sagte Benedikt Bösel auf dem Farm & Food-Kongress.
Bösel ist Geschäftsführer des Landwirtschaftsbetriebes Schlossgut Alt Madlitz in Brandenburg. „Wir versuchen, neue Methoden umzusetzen und zu sehen, wie sie funktionieren und wie wir sie skalieren können”, erklärt Bösel. Viele Landwirte, die so denken wie Bösel gibt es jedoch nicht in Deutschland. Nach derzeitigen Schätzungen werden hierzulande etwa 50.000 Hektar nach den Prinzipien des Regenerativen Ackerbaus bewirtschaftet – dabei handelt es sich sowohl um ökologische, als auch um konventionelle Betriebe. Ökobauern bewirtschaften dagegen 1,6 Millionen Hektar - das sind immerhin 10 Prozent der Gesamtfläche.
Zu den Pionieren und bekanntesten Praktikern der regenerativen Landwirtschaft In Deutschland zählen derzeit: Friedrich Wenz aus Baden-Württemberg, Dietmar Näser aus Sachsen und Ingrid Hörner aus Hessen. Friedrich Wenz ist ein Demeter-Landwirt – also Ökobauer. Sein Betrieb arbeitet seit Jahrzehnten viehlos und auch pfluglos. Dietmar Näser ist selbständiger Pflanzenbauberater und Ingrid Hörner bewirtschaftet ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb. Sie beschäftigt sich mit der Rekultivierung von landwirtschaftlichen Flächen nach baulichen Veränderungen.
Regenerativ: Humusanreicherung, Zwischenfrüchte – und Komposttee

Ziele des Regenerativen Ackerbaus sind: Die Aktivierung und Stärkung des Bodenlebens und die natürliche Humusanreicherung. Dazu gehört auch eine möglichst ganzjährige Begrünung des Ackers. Das erfolgt vor allem über Untersaaten in Hauptfrüchten wie Getreide, Mais oder Raps. Auch der Zwischenfruchtanbau wird als wichtige Möglichkeit gesehen, die Bodenbedeckung zu verlängern.
Angestrebt wir eine flache Einarbeitung der Zwischenfrüchte – die sogenannte Flächenrotte. Die von Näser und Wenz empfohlenen Untersaaten sind Mischungen von Gräsern, Körnerleguminosen und Kreuzblütlern. Ziel der Maßnahmen ist eine Verminderung von Nährstoffverlusten – etwa durch Nitratauswaschung, die Unterdrückung von Unkräutern und eine bessere Pflanzengesundheit. Ein Ergebnis alle dieser Maßnahmen soll die deutliche Reduzierung (oder auch ein Verzicht) von Pflanzenschutz und Dünger sein. Außerdem wird ein Verzicht von Herbiziden angestrebt.
Zum Regenerativen Ackerbau gehört nach Aussagen von Wenz außerdem der Einsatz von Pflanzenfermenten, sogenannten Rottelenkern. Dabei handelt es sich um einen vergorenen Sud aus Acker- und Gartenkräutern sowie den Triebspitzen verschiedener Sträucher. Diese werden beim Einarbeiten der Zwischenfrucht ausgebracht, anfangs bis zu einer Menge von 100 Litern pro Hektar.
Zum Einsatz kommt außerdem auch sogenannter Komposttee. Dieser wird aus Kompostmaterial hergestellt, dessen Mikroorganismen in warmer Melasse und Wasser stark vermehrt werden. Insgesamt sollen sich mit der regenerativen Landwirtschaft jährlich 0,1 bis 0,2 Prozent Humus aufbauen lassen, ist die Erfahrung von Friedrich Wenz. Das entspräche einem Speicherungspotenzial von ca. 8 bis 15 t/ha CO2.
Die Wirkungen von Komposttee und Rottelenkern sind wissenschaftlich allerdings umstritten.„Zu Komposttee gibt es schon viele Untersuchungen. Die Ergebnisse sind zwar tendenziell positiv, aber nicht besonders deutlich", sagt Ines Fritz von der Universität für Bodenkultur in Wien.
Ingesamt steht die wissenschaftliche Bestätigung der angestrebten Ziele und angewandelten Methoden ebenfalls noch aus. Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg in Baden-Württemberg ist jedoch dabei, die Maßnahmen der regenerativen Landwirtschaft hinsichtlich der pflanzenbaulichen und ökologischen Wirkungen wissenschaftlich zu untersuchen. Dabei wird auch Förderwürdigkeit der regenerativen Landwirtschaft bzw. einzelner Maßnahmen geprüft.
Der Boden soll sich selbst regulieren

Biobauer-Wenz betont: "Den Boden sollte man in der regenerativen Landwirtschaft nur wenn nötig und dann sehr flach bearbeiten. Besonders geeignet seien dafür Geräte wie die Fräse oder der Schälpflug." Eine Ausnahme stelle aus seiner Sicht lediglich die Tiefenlockerung dar. "Eine tiefe und wendende Bearbeitung hingegen würde das Gefüge zerstören und dem Humusaufbau entgegenwirken", sagt Wenz. Die Empfehlung ist also eindeutig: pfluglos!
Dagegen sollen eine dauerhafte Begrünung und die geringe Bearbeitungsintensität es den Bodenlebewesen ermöglichen, sich störungsfrei zu entwickeln. Verdauen Regenwürmer, Bakterien, Pilze und andere Bodenorganismen organisches Material, machen sie nicht nur Nährstoffe pflanzenverfügbar, sondern sie sorgen dabei auch für Humusaufbau, sagen die Pioniere der regenerativen Bodenbearbeitung.
Entscheidend für eine Humusmehrung ist nach Ansicht von Friedrich Wenz zudem, dass Pflanzen und Bodenlebewesen gut zusammenwirken. Die Bodenorganismen erhalten den Kohlenstoff nämlich nicht auschließlich aus Ernteresten, Zwischenfrüchten oder Wirtschaftsdüngern – sondern auch aus Wurzelabsonderungen lebender Pflanzen, sagt der Biobauer.
Friedrich Wenz erklärt den Ansatz des Systems so: „Die regenerative Landwirtschaft versucht den Problemen über eine gesunde Krume entgegenzuwirken.Unser Job als Bauer ist es, die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich der Boden selbst regulieren kann. Denn wenn man das Bodenleben ins Gleichgewicht bringt, haben es auch Unkräuter schwerer.
Keine verbindlichen Regeln – aber wirtschaftliche Vorteile?
Einheitliche und verbindliche Regeln, wie regenerative Landwirtschaft auszusehen hat, gibt es (bisher) in Deutschland nicht, sagen die Begründer des Verfahrens. Jeder Landwirt muss also für seinen Betrieb seinen eigenen Weg finden. Dabei verzichten Biolandwirte ja ohnehin auf synthetischen Pflanzenschutz und Dünger. Ein konventioneller Bauer der das Verfahren anwendet kan jedoch auch weiterhin damit arbeiten, wenn er es für nötig hält, fügt Wenz hinzu.
Nach Aussagen von Friedrich Wenz ist es bisher auch nicht geplant, Produkte aus regenerativer Landwirtschaft mit einem einheitlichen Label zu kennzeichnen, wie man es etwa von Bioerzeugnissen kennt. „Wir stehen gerade erst am Anfang einer dynamischen Entwicklung, und wollen alle mitnehmen und Grabenkämpfe vermeiden“, begründet Wenz das Vorgehen. Ein Label, das starre Richtlinien vorschreibt, stehe diesem Ansatz eher im Wege, glaubt er.
Den wirtschaftlichen Vorteil des Konzepts der regenerativen Landwirtschaft sieht Wenz darin, die Kosten für Pflanzenschutz und Düngung zu senken und durch fruchtbare Böden hohe und stabile Erträge zu erwirtschaften – und das auch bei zunehmenden Wetterextremen.
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