Schwierig waren die Jahre der Corona-Pandemie für alle Menschen. Doch in der Landwirtschaft in Deutschland gab es einige, für die sich mehr neue Chancen anboten, als alte wegfielen. Die Rede ist von den Direktvermarktern, die von einer gesteigerten Nachfrage nach regionalen Produkten profitieren konnten. Als besonders wertvoll erwies es sich auch, langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zu Partnern in der Lebensmittelkette gepflegt zu haben, seien es Landhändler oder Kunden. Hier wurde allseits besonders viel Flexibilität gezeigt, um sich an die neue Lage anzupassen – sei es, dass Wege gefunden wurden, um zu große Lagerbestände sinnvoll zu verwerten oder Personalengpässe durch Fremdarbeitskräfte zu ersetzen.
Warum Regionalität für Landwirte mehr Arbeit aber nicht automatisch mehr Geld bedeutet
Das alles sollte jedoch niemanden dazu verleiten zu glauben, dass Regionalität die Lösung für alle großen aktuellen Probleme der Landwirtschaft ist. Durch regionale Produkte lässt sich zwar ein Mehr an Wertschöpfung erzielen, doch ob es die Landwirtinnen und Landwirte sind, die dieses Mehr auch bekommen – oder ob sie vor allem das Mehr an Arbeit haben, um eine regionale Marke aufzubauen – hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Regionalität heißt, Herausforderungen in der Logistik lösen – und darüber hinaus
Zuvorderst steht bei der Regionalität das Problem der Logistik: Wo der Hofladen oder Direktvermarktungsautomat wirtschaftlich Sinn machen, wird das Online-Bestellwesen schon schwieriger. Neben der Schaffung der digitalen Infrastruktur stehen die Landwirte vor der Herausforderung, das Vertrauen der Verbraucher auch online zu gewinnen, Sorgen wegen Datenschutz aufzulösen, einen möglichst geringen Mindestbestellwert anzubieten und die Lieferung zu den Kunden effizient zu gestalten.
Ist Regionalität nach oben skalierbar?
Die schöne Holzkiste, in der regionale Produkte vor die Tür geliefert werden, macht sich zwar optisch großartig. Aber sie muss bereitgehalten, befüllt und wieder abgeholt werden und das nicht nur 50- oder 100-mal, sondern potenziell auch 1000-mal und mehr. Dabei entstehen Herausforderungen, wie der Lebensmitteleinzelhandel sie bereits gelöst hat, bei denen Landwirte aber oft nahezu bei null anfangen müssen. Zwar können Direktvermarkter zur Skalierung ihrer Geschäftsmodelle auf bestehende Plattformen zurückgreifen, die von Supermarkt-Filialen bis zu Online-Diensten wie Amazon reichen, doch das bezahlen sie wieder mit einem Anteil an der Wertschöpfung ihrer regionalen Marken.
Wo Kosten beim Aufbau einer regionalen Marke liegen
Die Kosten der Investition in eine neue regionale Marke dürfen Landwirte nicht unterschätzen. Partner müssen zusammengebracht und auf Dauer zusammengehalten werden, Verbrauchern muss der Mehrwert der Marke klar gemacht und durch Werbung dauerhaft erhalten werden. Wenn es sich um ein tierisches Produkt handelt, müssen Wege gefunden werden auch die Teile zu vermarkten, die nicht zu den Edelteilen zählen. Schließlich braucht es verarbeitende Infrastruktur, die es nicht überall gibt. Werden beispielsweise Kürbiskerne regional getrocknet und geröstet oder überregional und was rechnet sich eher?
Wie bedroht der Klimawandel auch regionale Wertschöpfung?
Selbst wenn eine regionale Marke aufgebaut wurde – und es gibt hier durchaus viele erfolgreiche Beispiele – so kommen durch den Klimawandel ganz neue Bedrohungen auf sie zu. Schädlinge und Krankheiten, die vor einigen Jahren bei uns noch kaum vorkamen, dringen auch in Deutschland in immer neue Bereiche vor. Im tierischen Umfeld ist das unter anderem die ASP, in der Forstwirtschaft der Asiatische Laubholzbockkäfer und beim Gemüse, konkret bei Tomaten, das Jordan Bakterium. Stabile regionale Wertschöpfungsketten brauchen Liefergarantien, aber Ausbrüche von neuen pflanzlichen und tierischen Krankheiten bedrohen die Versorgungssicherheit und Vorkehrungen müssen getroffen werden. Das kostet wieder Geld und geht den Landwirten bei der Wertschöpfung verloren.
Internationale Lieferketten sind nicht automatisch riskanter
Internationale Lieferketten werden durch den Klimawandel genauso bedroht wie regionale Wertschöpfung. Doch globaler Handel eliminiert auch Risiken: Kommt das Getreide nicht aus Indien, dann kommt es aus den USA. Die regionale Tomate aber muss aus einer bestimmten Gegend kommen.
Wo Regionalität sich am ehesten lohnt
Mehr Regionalität ist für manche landwirtschaftliche Betriebe eine Lösung, gerade in der Nähe von Ballungsräumen mit vielen zahlungskräftigen Kunden. Doch aus der Erfahrung der Corona-Pandemie heraus zu glauben, dass Regionalität alle Probleme der Landwirtschaft lösen kann, wäre voreilig. Wenn durch eine sich abzeichnende deutlich steigende Inflation Lebensmittel dauerhaft viel teurer werden, können regionale Produkte das Nachsehen hinter günstigeren Produkten ohne regionale Attribute bekommen. In der Nische kann Regionalität gut funktionieren, doch der Schritt in die Breite ist eine gewaltige Herausforderung, die nicht leicht zu lösen ist.
Warum ist gegenseitiges Vertrauen in der Lieferkette so wichtig?
Was sich in der Corona-Pandemie bewährt hat und auch in kommenden Krisen bewähren wird, ist es, vertrauensvolle Beziehungen zu wichtigen Partnern in der Lieferkette, um den eigenen Betrieb herum aufzubauen und zu pflegen. Die gibt es aber nicht nur bei regionalen Produkten, sondern überall dort, wo Menschen sie schaffen wollen.
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