Am Ende holt der Markt alle ein. Auch die Biobauern. Fakt ist: Nach Jahren sehr hohen Wachstums und immer neuer Rekorde, kommt offenbar Sand ins Getriebe der biologischen Landwirtschaft. Natürlich hört das niemand aus der Branche gerne.
Doch die Zahlen sprechen für sich. Erstmals seit Jahren stehen die Preise für Biogetreide massiv unter Druck. Bei der sogenannten Umstellerware ist Markt mit einem erheblichen Überangebot konfrontiert, dass so schnell auch nicht verschwinden wird.
Wartelisten oder keine Förderung
Viele Biolandwirte fragen sich was los ist. Der Biobauer und Präsident des Brandenburger Bauernverbandes Henrik Wendorff sagt sogar „Bei unveränderter Marktsituation kann ich derzeit keinem konventionellen Ackerbaubetrieb die Umstellung auf ökologischen Landbau empfehlen.“ Das hat es bis vor kurzem nicht gegeben.
Viele konventionelle Bauern sind in den letzten Jahren auf Bio umgesattelt. Ähnlich wie bei den Biomolkereien gibt es mittlerweile aber auch im Ackerbau Wartelisten, wenn man eine Umstellung mit Förderung plant. Das berichtet jedenfalls ein Landwirt aus Sachsen-Anhalt der – trotz einiger Bedenken – nun eine Umstellung ohne Fördermittel durchziehen will.
Und ebenfalls interessant: Bei unseren südlichen Nachbarn in Österreich und bei den dänischen Kollegen ist die Lage am Biomarkt offenbar ganz ähnlich.
Die Moral steckt im Regal
Aber was sind die Gründe für das Dilemma? Wie so oft gibt es wohl keine einfache Antwort.
Holger Jonas, der Vorsitzende des Fachausschuss ökologischer Landbau in Brandenburg formuliert das Problem folgendermaßen: „Zahlreiche Landwirte haben sich aufgrund der schlechten Einkommenssituation im konventionellen Bereich sowie der staatlichen Förderung dazu entschieden, ihre Produktion auf Öko umzustellen. Sie orientieren sich damit am Wunsch von Teilen der Gesellschaft nach ökologisch erzeugten Waren und bauen auf deren häufig formulierte Bereitschaft, dafür auch mehr Geld auszugeben.“
Jonas kritisiert jedoch: „Das es sich dabei meist um Lippenbekenntnisse handelt. Am Ende entscheidet die Mehrheit der Verbraucher eben doch streng nach Preis. Die Moral steckt eben im Regal.“
Bioprodukte zu Aldipreisen?
Im ersten Moment verwundert eine Absatzkrise von Biogetreide und anderen Produkten jedoch. Denn: Der Absatz von Bioprodukten im Einzelhandel ist allein 2018 um 8,6 Prozent auf 6,4 Mrd. Euro gestiegen. Das ist mehr als das Doppelt so viel wie im Naturkosthandel verkauft wurde. Mittlerweile bieten alle große Einzelhändler und auch die Discounter Bioprodukte in einer sehr großen Preispanne an.
Und das hat Folgen: Einerseits wurde der Absatzmarkt deutlich ausgeweitet. Anderseits fallen nun für viele Produkte die Preise. Ursache ist: die großen Discounter kaufen ihre Bioprodukte – ohne große Probleme auch im Ausland - und bieten sie dann zu „Aldi-Preisen“ an.
Der Biobauer Dietmar Groß aus Hessen ist sich sicher: „Die Konventionalisierung des Biomarktes wird auch auf der Erzeugerebene zu einem Strukturwandel führen. Aldi und Lidl kaufen nicht regional ein, sondern dort, wo ihre Bio-Qualitätsansprüche so kostengünstig und verlässlich wie möglich zu erwerben sind.“
Stärker an der Nachfrage orientieren
Biobauern wie Hendrik Wendorf suchen nach Lösungen für den Absatzstau und die gefallen Getreidepreise. Der LBV-Präsident schlägt vor, „dass eine Förderung des ökologischen Landbaus sich künftig stärker an der Nachfrage am Markt orientieren muss sowie an einer möglichen regionalen Verarbeitung und Vermarktung“.
Weiter sagt Wendorf: „Derzeit sind die Läger voll, trotz geringerer Ernteerträge. Unsere Partner, wie der Handel und Vermarkter, sind zurückhaltend“. Besonders schwierig ist die Lage offenbar beim Brotroggen. „Ich kenne Kollegen, die haben noch Ware aus der letzten Ernte im Lager und der Absatz stagniert.
Das ist für uns eine ganz neue und schwierige Situation“, fasst Wendorf die Lage zusammen. Wer aber glaubt die deutschen Absatzprobleme sind eine Ausnahme, sieht sich getäuscht. Aus Österreich und aus Dänemark wurde von ähnlichen Entwicklungen berichtet.
Übermengen konventionell vermarkten
Wegen der vielen Umsteller gab es nach der Ernte in Österreich ähnliche Probleme wie in Deutschland. „Die Aufnahmefähigkeit des heimischen Marktes ist überfordert, die unverkauften Restbestände schießen in die Höhe und die Preise sinken“, hieß es.
Die Chefin des östereichischen Branchenverband Bio-Austria Gertraud Grabmann warnte die österreichischen Biobauern zudem: "Eine weitere Herausforderung wird sein, dass der Druck am Markt in einigen Bereichen steigen wird, aufgrund der vielen Umsteller, aber auch aufgrund des wachsenden Angebots in anderen Ländern."
Einige Händler sind zudem überzeugt ,,dass die Übermengen entweder im Export in einem harten Preiswettbewerb untergebracht oder sogar als konventionelle Ware zu deutlich niedrigeren Preisen vermarktet werden müssen.“ Problem ist nämlich: Der Lagerraum für die gemeinsam in den Silos liegende anerkannte Bio- und Umstellerware wird knapp.
Biomarkt ist nicht entkoppelt
Zwischen 10 und 25 Prozent weniger bekommen die Biobauern in diesem Jahr für ihr Getreide. Das sagen die von der AMI erfassten Biopreise für die wichtigsten Getreidearten. Damit erlösen die Bauern zwar immer noch deutlich mehr als für konventionelle Ware. Doch der Bio-Markt ist ganz offensichtlich nicht mehr „von der übrigen Marktentwicklung entkoppelt“, wie der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) noch 2018 feststellte.
Hinzu kommt: Die Erträge sind nur halb so hoch wie für konventionelles Getreide. Damit werden die Erlöse für Biogetreide kräftig nach unten gedrückt und auch bei vielen Biobauern geht es an die Substanz. Das es schon in der Vergangenheit nicht so einfach für die Biobauern war, wie es auf den ersten Blick scheint, zeigt eine Untersuchung des Thünen-Instituts. Diese hat sich mit den sogenannten Rückumstellern beschäftigt – über die man in der Branche eigentlich nicht gerne spricht:
Danach kommen auf 10 neue Bio-Landwirte zwei, die den Betrieb am Ende ganz aufgeben, und vier, die zur konventionellen Methode zurückkehren. Diese relativ hohe Zahl könnte manchen wechselwilligen Landwirt noch einmal zum Nachdenken bringen. Denn: Eine erfolgreiche Umstellung ist offenbar schwieriger als von vielen Landwirten und Politikern gedacht.
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