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Zukunft der Schweinehaltung

Schweinehalter in schwerer Krise: Voll gegen die Wand

schweinehalter.
am Mittwoch, 02.11.2022 - 14:28 (8 Kommentare)

Die Preise fallen. Die Kosten steigen. Und immer neue Auflagen und Vorschriften setzen den Schweinehaltern zu. Und das zeigt sich in den Zahlen: Die letzten Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) bestätigen einen drastischen Rückgang der deutschen Schweinefleischerzeugung als unmittelbare Folge des Ausstiegs vieler Landwirte aus der Schweineproduktion.

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"Das Tempo des Rückgangs der Schweinefleischerzeugung ist beispiellos. Seit Beginn der Aufzeichnung der Schlachtdaten im Jahr 1993 hat es noch keinen derart deutlichen Rückgang gegeben“, sagt die Interessengemeinschaft der Schweinehalter.

Und die Krise hat viele Gründe. Zunächst die Corona-Krise mit massiven Folgen für den Absatz und die Preise am Binnenmarkt. Dann die Afrikanische Schweinepest (ASP) mit einem dramatischen Einbruch beim Export. Und jetzt kommen noch die explodierenden Kosten hinzu, die vielen Schweinehaltern den Rest geben.

An Investitionen in neue von der Politik geforderte Ställe ist unter diesen Bedingungen oft nicht zu denken. „Schweinehalter und Ferkelerzeuger erleben aktuell eine Kostenentwicklung bei den Futtermitteln und vor allem beim Flüssiggas und Energie, die ihresgleichen suchen“, sagt Albert Hortmann-Scholten beim Veredlungsausschuss im Landvolk Niedersachsen.

Die exorbitante Gaspreiserhöhung wird vor allen Dingen den Sauenhaltern zusetzen. Die Produktionskosten steigen im laufenden Wirtschaftsjahr aufgrund der höheren Gas- und Stromkosten voraussichtlich zwischen 8 und 10 Euro je Ferkel. Eine Preissteigerung um weit mehr als 200 Prozent.

Schweinemäster werden ebenfalls massiv betroffen sein, denn ohne Heizung und Lüftung ist keine Schweinehaltung möglich. Auch die hohen Futtermittelpreise verursachen laut Hortmann-Scholten auf den Höfen sehr hohe zusätzliche Kosten. „Wer Futtermittel zukauft, spürt wie eng die wirtschaftliche Situation selbst bei einem besseren Schweinepreis ist“, sagt der Kammerexperte.   

Kahlschlag einer Branche

Das, was gerade passiert, ist der Kahlschlag in einer ganzen Branche. "Abriss ist einfach – was aber einmal abgerissen ist, lässt sich so schnell nicht wieder aufbauen", sagt der ISN-Geschäftsführer Torsten Staack. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes wurde in Deutschland in den ersten acht Monaten dieses Jahres 9,7 % weniger Schweinefleisch erzeugt als im Vorjahr.

Stückzahlenmäßig wurden von Januar bis August mit 31,5 Mio. Schweinen etwa 3 Mio. Schweine bzw. 8,9 % weniger geschlachtet als 2021. Aufgrund der niedrigeren Schlachtgewichte ging die erzeugte Menge stärker zurück als die Stückzahlen. Ausschlaggebend für den dramatischen Rückgang ist der starke Abbau der inländischen Schweinebestände.

Zwischen Januar und August wurden nur noch 30,7 Mio. Schweine aus dem Inland geschlachtet. Das waren etwa 3 Mio. bzw. 9,1 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Die Menge an Schweinen aus dem Ausland, die in Deutschland geschlachtet wurden, blieb mit rund 800.000 Stück bzw. -1,0 % derweil relativ konstant.

Nach den Rekordwerten vor gut zehn Jahren als fast 60 Mio. Schweine geschlachtet wurden, dürften es in 2022 nicht einmal mehr 48 Mio. sein. 2021 waren es noch fast 52 Mio. Schweine.

Verluste von 60 Euro am Schwein

Schweinebestand in Deutschland.

Um den rasanten Ausstieg der Betriebe aus der Schweinehaltung und das Wegbrechen der heimische Versorgung mit Schweinfleisch abzubremsen, müssen endlich wieder auskömmliche Ferkel- und Mastschweinepreise her, die den extrem gestiegenen Kosten Rechnung tragen, sagt die ISN.

„Es braucht am Ende eine Notierung um 2,50 Euro je kg Schlachtgewicht, damit sowohl Ferkelerzeuger als auch Schweinemäster kostendeckend wirtschaften können. Aktuell fehlen also rund 60 Euro am Schwein", so die Einschätzung des ISN-Marktexperten Klaus Kessing.

„Die Verluste haben natürlich mit den extrem gestiegenen Futter- und Energiekosten zu tun. Darüber hinaus sehen wir aber auch eine wirtschaftsfeindliche Politik, die immer stärker auf Ordnungsrecht setzt und die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schweinehaltung stetig weiter verschlechtert.“

Das sieht auch der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied so. Auf dem DBV-Veredlungstag in Essenbach sagte er: Die Tierhaltung in Deutschland ist das Rückgrat der deutschen Landwirtschaft und so „wichtig wie das Amen in der Kirche“. Doch die Tierhaltung sei durch die politischen Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Entwicklungen gefährdet.

Ruckwied forderte positive Signale von der Politik, um den Strukturbruch mit den vielen Betriebsaufgaben zu stoppen.

Halbierung des Schweinebestandes?

Der Veredlungspräsident des DBV, Hubertus Beringmeier, sagte dass Kosten und Belastungen auf den Betrieben durch Corona, die Afrikanische Schweinepest (ASP), den Ukraine-Krieg und immer mehr Auflagen enorm gestiegen sind und nicht in Gänze am Markt weitergegeben werden können.

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit gehe damit verloren. Beringmeier stellte klar, dass sich die Bauern zu einer Weiterentwicklung der Tierhaltung bekennen würden, doch „was uns abverlangt wird, muss auch bezahlt werden“. Geschehe das nicht, werde Deutschland nicht Vorreiter für Tierwohl in der EU, sondern verliere seine Veredlungsbetriebe.

Doch zuletzt wurden in der Politik immer deutlicher Forderungen nach einem Abbau der Tierbestände formuliert. So hatte beispielsweise Silvia Bender, Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, auf der ISN-Mitgliederversammlung im Juni eine Halbierung als erstrebenswertes Ziel genannt.

„Dieses Ziel wird nun schneller erreicht als erwartet und es ist zu befürchten, dass es sogar noch weit übertroffen wird“, sagt ISN-Geschäftsführer Torsten Staack.

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