
Viele landwirtschaftliche Betriebe suchen Alternativen zu den klassischen Ackerbaukulturen, um den Betrieb breiter aufzustellen und wirtschaftlich abzusichern. Attraktiv sind Kulturen, die nicht jeder hat - und auch nicht jeder anbauen kann.
Neben den relativ klassischen Feldgemüsekulturen wie Zwiebeln und Möhren, sind verschiedene Arznei- und Aromapflanzen und spezielle Gemüsekulturen, wie Knoblauch, Süßkartoffeln oder Goji-Beeren für den Anbau interessant.
Auch zu den Ackerbaukulturen zählender Quinoa oder zum Obstbau zählende Aronia-Beeren sind momentan gefragt.
Doch neben dem Spezialwissen um die Kulturführung, den meist ebenfalls notwendigen Investitionen in Spezialtechnik, ist auch Wissen um den Pflanzenschutz gefragt. "Hierzu sollten Landwirte sich im Vorfeld Gedanken machen", rät Dr. Alexandra Wichura, Leiterin Pflanzenschutz im Gemüse- und Obstbau an der Landwirtschaftskammer Niedersachsen.
Absatzwege klären
Wie und wohin vermarkte ich mein Produkt? Diese Frage scheint so simpel und essenziell, dass man meinen könnte, sie braucht hier nicht erwähnt werden. Häufig ist diese Frage auch von vornherein geklärt. Allerdings kommt es auch immer wieder vor, dass Enthusiasten mit dem Anbau einer Sonderkultur beginnen, ohne den späteren Absatzweg geklärt zu haben.
Auch wenn es sich bei diesem Punkt vorrangig um einen ökonomischen Faktor handele, können je nach Absatzweg die Anforderungen an das Erzeugnis und damit auch an den Pflanzenschutz recht unterschiedlich sein, so die Pflanzenschutzexpertin.
Welche Rückstände zulässig sind
Die in Lebensmitteln maximal zulässigen Rückstandshöchstgehalte (RHG) von Pflanzenschutzwirkstoffen sind in der EU einheitlich über die VO (EG) 396/2005 produktspezifisch geregelt.
Ist kein spezieller Wert festgesetzt, gilt automatisch eine Grenze von 0,01 mg/kg. Dies bedeutet 0,01 mg Wirkstoff pro 1 kg des jeweiligen Erzeugnisses. Die aktuell gültigen RHG werden in einer Datenbank zusammengestellt. Grundsätzlich gilt, dass Sie Lebensmittel nur in Verkehr bringen dürfen, wenn Sie die gültigen RHG einhalten.
Ist eine Vermarktung über den Lebensmitteleinzelhandel vorgesehen, werden mittlerweile besondere Anforderungen an die Produktqualität gestellt. Die Anzahl und Höhe der nachweisbaren Pflanzenschutzmittelwirkstoffe ist in der Regel beschränkt und variiert je nach Abnehmer.
Einige Abnehmer behalten es sich ebenfalls vor, den Produzenten den Einsatz ausgewählter Wirkstoffe und Produkte zu verbieten. Werden die geforderten Qualitätskriterien bei der Anlieferung der Ware nicht eingehalten,drohe dem Betrieb eine Liefersperre, warnt die Kammerexpertin.
Auch wenn das Produkt für das Herstellen von Lebensmitteln vorgesehen ist, die
unter die Diätverordnung fallen, werden meist besondere Qualitätsanforderungen an
die Rohware gestellt. Unter die Diätverordnung fallen Lebensmittel für Kleinkinder
und Säuglinge oder für beispielsweise Personen mit Stoffwechselstörungen.
Es gilt: egal welche Anforderungen an die Rückstände im Erzeugnis eingehalten werden sollen, sie müssen auf jeden Fall vor dem Kulturstart geklärt sein, damit die Vorgaben sicher
eingehalten werden können.
Spezielle Vorgaben für Arzneipflanzen
Der Anbau von Arznei- und Aromapflanzen unterliegt hinsichtlich der einzuhaltenden
Rückstandshöchstgehalte nicht der oben erwähnten VO (EG) 396/2005, da es sich
nicht um Erzeugnisse handelt, die als Lebensmittel verwendet werden.
Hier gilt das Arzneimittelgesetzbuch. Auch hier sollten Sie die Anforderungen an das Erzeugnis im Vorfeld eng mit dem Abnehmer abstimmen.
Kulturzuordnung klären
Bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, wird ein hierarchisch aufgebauter Kulturbaum genutzt, in dem sich jede Kultur wiederfinden lässt. Die Kulturen selbst werden in übergeordneten Kulturgruppen zusammengefasst. So dürfen Sie zum Beispiel ein Mittel,
das in der Kulturgruppe „Wurzel- und Knollengemüse“ zugelassen ist, in Möhre, Schwarzwurzel, Topinambur, Süßkartoffel, Knollensellerie, Wurzelpetersilie
oder Pastinake u.a. einsetzen.
Ist es jedoch nur für den Einsatz in Möhren zugelassen, dann darf es auch nur in dieser Kultur verwendet werden.
Die Kulturen werden weiterhin hinsichtlich ihres Verwendungszweckes genauer definiert. Kümmel zum Beispiel kann als Arznei-, Gewürz- oder Teepflanze angebaut werden oder auch als frisches Kraut.
Je nach beabsichtigter späterer Verwendung unterscheiden sich selbstverständlich nicht nur die Kulturverfahren, sondern es können auch unterschiedliche RHG für das jeweilige Erzeugnis gelten. Je nach Verwendungszweck der Kultur kann es auch sein, dass unterschiedliche Pflanzenschutzmittel zugelassen sind.
In der Realität heißt das aber auch: je geringer der Anbauumfang der Kultur ist, desto weniger Pflanzenschutzmittel sind in dieser Kultur meist zugelassen. Bei sehr exotischen Kulturen kann es sogar vorkommen, dass Sie keine Pflanzenschutzmittel einsetzen dürfen.
Unabhängig vom Lebensmittelrecht gilt nach Pflanzenschutzmittelrecht immer: es
dürfen nur Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, die in der Kultur und/oder dem
Verwendungszweck zugelassen sind.
Genehmigungen sind im Einzelfall möglich
Nach §22 Pflanzenschutzgesetz darf die zuständige Behörde Genehmigungen im
Einzelfall aussprechen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in einer anderen
als den zugelassenen Anwendungen.
Zwar müssen auch bei der Erteilung von §22-Genehmigungen strenge Vorschriften beachtet werden, aber in Sonderkulturen können auf diese Weise manchmal empfindliche Indikationslücken geschlossen werden. In Niedersachsen ist das Pflanzenschutzamt für die Genehmigung nach §22 PflSchG zuständig.
Antragsformulare können Sie unter www.lwk-niedersachsen.de herunterladen. "Bestehen Zweifel, ob die gewünschte Indikation genehmigungsfähig ist, sollten Landwirte im Vorfeld Kontakt mit dem Pflanzenschutzamt aufnehmen," rät Dr. Alexandra Wichura. Die Genehmigungen sind immer vor dem beabsichtigten Einsatz der Pflanzenschutzmittel einzuholen.