Einig waren sich die Gäste – Grünen-Politikerin Renate Künast, die Wissenschaftler Prof. Reiner Brunsch, Dr. Pasi Vainikka und Prof. Wilhelm Windisch sowie der Branchenexperte Fabio Ziemßen und Landwirtin Susanne Schulze Bockeloh – darin, dass die Eiweißversorgung der Menschen nur gelingen kann, wenn alle zugehörigen Bereiche miteinander vernetzt und Stoffkreisläufe berücksichtigt werden.
Künast: Fleischkonsum wird im Westen weiter abnehmen
Renate Künast, Mitglied im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, berichtete von einer „Fleischwende“, die in den westlichen Ländern zu beobachten sei. Das Umdenken bei den Verbrauchern habe sich aus Gründen der Gesundheit, des Tier- und Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit entwickelt.
Der Lebensmittelhersteller Rügenwalder Mühle erziele bereits jetzt die Hälfte seines Umsatzes durch vegane Produkte, berichtete Künast. Diese Entwicklung beweise den abnehmenden Konsum von Fleisch- und Wurstprodukten. Darüber hinaus machten politische Vorgaben, beispielsweise das Ziel der Europäischen Kommission eines um die Hälfte reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatzes, einen Umbau der Eiweißversorgung notwendig.
Weltweit steigt Konsum von tierischen Produkten
Dass jedoch in der globalen Ernährung tierische Proteine die pflanzlichen Proteine verdrängen, erläuterte Prof. Brunsch vom Potsdamer Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie: Während 77 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Flächen für die Futterproduktion verwendet werden, bezieht der Mensch aus den daraus entstehenden Veredlungsprodukten nur 33 Prozent seines Proteinbedarfs.
Brunsch warnte davor, nicht ausreichend durchdachte Empfehlungen herauszugeben und stattdessen auch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse bei der Umgestaltung einzubeziehen.
Dagegen machte Wissenschaftler Vainikka auf die Meilensteine der Menschheitsgeschichte und auf freie Zugänglichkeit von Informationen in der heutigen Zeit aufmerksam. Die Lebensmitteltechnologie als Wissenschaft könne „magische“, aber wahre Ergebnisse hervorbringen.
Möglichkeiten der effizienten Nutzung noch lange nicht ausgeschöpft
Windisch erläuterte, dass nur etwa 10 bis 20 Prozent der landwirtschaftlichen Biomasse essbar seien. Die Kreisläufe müssten effizienter und umweltschonend gestaltet werden. So könne beispielsweise die Fütterung noch optimiert werden. Gleichzeitig würden Emissionen aus der Tierhaltung wegen strengerer gesetzlicher Regelungen gesenkt. Insgesamt könnten die Tierzahlen bei einer effizienteren Nutztierhaltung eventuell auf dem aktuellen Niveau verbleiben.
Ein weiterer Aspekt der Diskussion bezog sich auf die Vermeidung von Konkurrenz bei der Ernährung von Mensch und Nutztier: Windisch hob hervor, dass Wiederkäuer für den Menschen nicht essbare Biomasse verwerteten und in dieser Hinsicht effizienter seien. Dagegen hätten Proteine aus Insekten den Nachteil, dass verzehrbare Insekten wie Mehlwürmer beziehungsweise -käfer Biomasse verzehrten, die auch für den Menschen essbar sei. Anders verhalte es sich bei der Heuschrecke, die in der Lage sei, Cellulose aufzuspalten. Auf diese Weise könne Holz in essbaren Protein umgewandelt werden.
Landwirtin Schulz Bockeloh erinnerte daran, auch die Möglichkeiten am Beginn der Nahrungskette auszuschöpfen: Fortschritte in der Pflanzenzüchtung könnten insbesondere bei Leguminosen zu einem noch höheren Proteinanteil führen. Schulz Bockeloh ging von einem hohen Stellenwert der Landwirtschaft im Mix der Proteinversorgung aus Dazu sei es aber notwendig, dass die Landwirtschaft variabler werde.
Der Mensch als Gewohnheitstier
Nach der Auffassung von Branchenexperte Ziemßen müsse die Gesellschaft Schritt für Schritt in eine neue Ernährung überführt werden. Ohnehin optimierten sich immer mehr Menschen selbst und schränkten ihren Fleischkonsum ein. Dadurch strömten neue Technologien und große Firmen mit alternativen Produkten auf den Markt.
Schon jetzt zeigten Milcherzeugnisse aus Mandeln, Soja oder Hanf die Vielfalt der Proteinquellen. Die Kunden bauten sich ein eigenes kulinarisches Profil und sorgten damit auch für eine bessere Balance in der Ernährung insgesamt. Ziemßen mutmaßte, dass pflanzliche Alternativen den Fleischkonsum nicht vollständig ablösen, ihn aber ergänzen werden.
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