Zum einen wegen der deutlich höheren Kosten, die auf Milchbauern und Molkereien zukommen würden. Zum andern aber auch wegen der geringen Bereitschaft der Verbraucher deutlich mehr Geld für Tierwohlmilch auszugeben. Das zeigt eine Studie des Ife-Instituts in Kiel über die Kosten, die bei Umsetzung der Tierwohlstandards des deutschen Tierschutzbundes entstehen würden.
Milchbauern müssten jedenfalls tief in die Tasche greifen, um die materiellen Vorrausetzungen für die „tierwohlgerechte Milcherzeugung“ zu schaffen – nach dem Standard der des deutschen Tierschutzbundes. Diese Mehrkosten schlagen für die Milcherzeuger mit knapp 3 Cent je kg Milch zu Buche. Das wären fast 10 Prozent des durchschnittlichen Milchpreises von 33 Cent je kg.
Mit diesen Mehrkosten der Landwirte ist es allerdings nicht getan. Die Studie zeigt auch, dass die zusätzlichen Kosten der Molkereien für eine separate Erfassung und Verarbeitung bei knapp 6 bis knapp 19 Cent je kg Milch liegen. Eine nach höheren Standards produzierte Milch müsste im Endeffekt also mindestens 10 bis 20 Cent mehr kosten, sagt der Milchexperte Prof Holger Thiele vom ife-Institut.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist nach Einschätzungen der Wissenschaftler aber nicht zu erwarten, dass ein großer Teil der Verbraucher nicht bereit sein wird, für umfangreiche Tierschutzmaßnahmen einen Mehrpreis zu zahlen. Eine Ausnahme stelle lediglich die Weidemilch dar, die allerdings eine Verfügbarkeit von Weideflächen bei den Milchbetrieben voraussetze.
Hohe Mehrkosten für die Bauern

Für die Landwirte würden nach Studie erhebliche Mehr-Kosten für mehr Tierwohl entstehen: So müssen die Milchbauern bei der Teilnahme an der Einstiegsstufe „Für mehr Tierschutz” mit Zusatzkosten von durchschnittlich 2,3 Cent pro Liter Milch rechnen. Kämen dann noch Laufhof und Weidegang hinzu, entstünden zusätzliche Kosten durchschnittlich 2,6 Cent pro Liter Milch.
Aufgrund sehr unterschiedlicher Voraussetzungen in den Betrieben variierten die Zusatzkosten zwischen den einzelnen Betrieben jedoch erheblich, schreiben die Wissenschaftler. Die Untersuchung zeigt: Die Zusatzkosten fallen insbesondere in Betrieben mit Anbindehaltung und mit geringerer Milchleistung höher aus. Außerdem sind die berechneten Kosten stark von bestimmten Annahmen abhängig, die bei der Kalkulation getroffen werden mussten.
Im Rahmen der Studie wurden bei den unterstellten Investitionsentscheidungen immer von den minimal notwendigen Nachrüstungen ausgegangen: Diese können nach Einschätzung der Wissenschaftler aufgrund der nicht berücksichtigten Planungs- und Genehmigungskosten am Ende durchaus höher ausfallen.
Bei den Abschreibungen haben die ife-Experten die üblichen Zeiträume unterstellt. Wenn diese jedoch verringert werden müssen, weil höhere Standards nicht mehr nachgefragt werden, können das die Kosten deutlich erhöhen. Dieser Fall ist in der Vergangenheit bereits aufgetreten, als eine Molkerei ihren Milchbauern mitteilen musste, dass der höhere Standard (Weidemilch) im Lebensmittelhandel nicht in voller Menge abgesetzt werden konnte.
Kosten für Molkereien bis 19 Cent höher

Zusätzlich zu den Kosten der Milchbauern entstehen jedoch auch erhebliche Zusatzkosten bei den Molkereien. Diese entstehen dadurch, dass Milch mit höheren Tierwohlstandards durch die Molkereien vollständig von der konventionellen Milch getrennt werden muss: Die vom ife-Institut für diesen Prozess ermittelten Mehrkosten bewegen sich in einer Spannbreite von 6,7 bis 18,9 Cent pro kg Milch.
Als Ursachen dieser Mehrkosten machen die Wissenschaftler die geringeren Absatzmengen und die geringere Absatzsicherheit fest. Die geringeren Absatzmengen führten unter anderem aufgrund der aufwendigeren Transporte zum Lebensmitteleinzelhandel, aber auch bei der Milchsammlung zu höheren Kosten. Nach Einschätzung der Wissenschaftler liegen minimalen Zusatzkosten der Milcherzeugung und Milchverarbeitung durch das Angebot von Milch mit höheren Tierwohlstandards bei etwa rd. 9 Cent pro Liter Milch. Dieser Wert wird aber als absolut unterste Grenze der Zusatzkosten beschrieben.
Die hohen Zusatzkosten in Kombinationen mit vergleichsweise geringen Preisaufschlägen und Konsummengen bei Trinkmilch mit höheren Tierwohlstandards können nach Meinung der Wissenschaftler erklären, warum derzeit nur wenige Milcherzeuger und -verarbeiter auf Milch mit höheren Tierwohlstandards setzen. Unter diesen Preis-/Kostenbedingungen ist eine Verbreitung von höheren Tierwohlstandards in der Milchviehhaltung zwar möglich, aber das Gesamtpotential wird nicht vollständig erschlossen, heißt es zum Abschluss.
Nur wenige Molkereien verarbeiten Tierwohlmilch

Die Ife-Studie zeigt: Von den insgesamt 159 Molkereiunternehmen in Deutschland produzieren gegenwärtig 64 Trinkmilch. Davon verarbeiten derzeit zehn bis zwölf Unternehmen Rohmilch, die mit höheren als den gesetzlich vorgeschriebenen Tierwohlstandards erzeugt wurde.
Dazu gehören unter anderem Arla Foods, Molkerei Ammerland, Molkerei Gropper, Marburger Traditionsmolkerei, FrieslandCampina, Nordseemilch, Schwarzwaldmilch, heißt es in der Studie. Die Mengenanteile der mit höheren Tierwohlstandards angelieferten Rohmilch, machen häufig nur einen geringen Anteil des gesamten Rohmilchaufkommens der Trinkmilchhersteller aus.
Diese Anteile haben jedoch eine steigende Tendenz: Im Jahr 2019 wurden insgesamt 4 Mrd. Liter Trinkmilch von den deutschen Molkereien hergestellt, womit 14 Prozent der von deutschen Milcherzeugern insgesamt produzierten Rohmilch in die Trinkmilch fließen, heißt es in der Untersuchung. Von den 4. Mrd. Litern gehen 3,3 Mrd. Liter über den Lebensmitteleinzelhandel an die bundesdeutschen Haushalte. Der Rest wird an Großverbraucher verkauft.
Gleichzeitig hat der Gesamtverbrauch der Privathaushalte an Trinkmilch hat eine rückläufige Tendenz: Pro Jahr ging der Verbrauch in den vergangenen Jahren um rd. 2 Prozent zurück, von 2018 auf 2019 waren es sogar 5,3 Prozent.
Verbraucher kaufen mehr Biomilch und Weidemilch

Ganz anders zeigte sich nach den Ergebnissen der Ife-Studie die Entwicklung bei Trinkmilch mit höheren Tierwohlstandards. So nahm der Absatz von Bio- und Weidemilch in den letzten Jahren stetig zu. Im Jahr 2017 wurden 292 Mio. Liter Biomilch und 91 Mio. Liter Weidemilch abgesetzt.
Im Jahr 2019 waren es bereits 344 Mio. Liter Biomilch und 118 Mio. Liter Weidemilch, schreiben die Wissenschaftler. Damit erhöhte sich der Anteil am gesamten Trinkmilchverbrauch im Jahr 2019 auf 10,5 Prozent bei Biomilch und auf 3,6 Prozent bei Weidemilch.
Im Zeitraum von 2017 bis 2019 lagen die jährlichen Wachstumsraten des Absatzes bei Biomilch bei rund 9 Prozent und bei Weidemilch sogar bei 15 Prozent. Mit dem Label „Für Mehr Tierschutz“ wurden nach Untersuchungen des ife-Instituts im Jahr 2019 etwa 40 bis 45 Mio. Liter Trinkmilch vermarktet. Das sind lediglich 1,4 Prozent der Konsummilchmenge.
Da die Anteile an Trinkmilch mit tierwohlrelevanten Aspekten sehr gering sind, geht das ife-Institut davon aus, dass die zusätzlich entstehenden Kosten bei den Molkereiunternehmen vergleichsweise hoch sind.
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