Das ist ein Artikel vom Top-Thema:

Jahrestagung des Deutschen Verbands Tiernahrung

Tierische Produkte: Rinder sind mehr als Sorgenkinder beim Klimaschutz

Rinder auf einer Weide
am Freitag, 24.09.2021 - 12:51 (2 Kommentare)

Bei der Jahrestagung des Deutschen Verbands Tiernahrung am 23. September diskutierten Experten über Probleme und Ziele in der Futtermittelbranche und Tierhaltung. Dass selbst die Fachleute aus Forschungsergebnissen unterschiedliche Schlüsse zogen, verdeutlichte die Herausforderung, Kompromisse zu finden.

Die Vielfalt der Interessen und Perspektiven entlang der Futtermittelkette bildete der Kreis der eingeladenen Gäste in der gestrigen Jahrestagung der Deutschen Verbands Tiernahrung (DVT) gut ab. Trotz großer Einigkeit in den drängenden Klima- und Nachhaltigkeitszielen stellte sich für die Lösungswege noch großer Klärungsbedarf heraus.

Insbesondere die Diskussion um Ressourceneffizienz, Flächenansprüche und Nahrungskonkurrenz zeigte, dass gesellschaftlich gewünschte Ziele nicht immer mit strengen Vorgaben für den Klimaschutz übereinstimmen. Die beiden Wissenschaftler Bernhard Osterburg vom Thünen-Institut und Prof. Karl-Heinz Südekum von der Universität Bonn fassten aktuelle Forschungsergebnisse unterschiedlich auf.

Wie weiter in der Rinderhaltung?

DVT-Geschäftsführer Dr. Hermann-Josef Baaken

In seinem Eröffnungsvortrag ging Agrarökonom Osterburg auf die neuen politischen Klimaziele ein, die trotz berücksichtigter Restemissionen auch für die Landwirtschaft ehrgeizige Vorgaben setzten. Osterburg betonte, dass ein Rückgang der Tierbestände von der Konsumentenseite angestoßen werden müsse und nicht vonseiten der Landwirte, deren Aufgabe es sei, die Nachfrage zu erfüllen.

Die mit Abstand meisten Emissionen entstünden in der Rinderhaltung. Ein Blick auf die proteinbezogenen Treibhausgasemissionen zeigte, dass diese in der Milchproduktion wesentlich günstiger ausfallen als in der Rindfleischproduktion. Osterburg fasste zusammen, dass im Hinblick auf den Klimaschutz die Rindfleischerzeugung das „Sorgenkind“ unter den Tierhaltungen sei. Der Experte räumte jedoch ein, dass eine einseitige Betrachtung, die sich nur auf die Zahlen konzentriert, schwierig sei.

Daran knüpfte Prof. Südekum vom Institut für Tierwissenschaften der Universität Bonn an. Er forderte einen ehrlichen Umgang miteinander und betone, dass nachhaltige Maßnahmen nicht direkt dem Klimaschutz dienen müssten. So dürfe bei der Effizienz in der Futtermittelversorgung die Nahrungskonkurrenz durch den Menschen nicht ausgeblendet werden. Schließlich bedeute Nachhaltigkeit auch, tierische Produkte zu erzeugen, die mit einer geringen Nahrungskonkurrenz zum Menschen einhergingen. Davon sei die Kritik von Methan als Klimagas nicht ausgeschlossen. Hier werde die weltweite Nutzung von Grünlandaufwüchsen durch Rinder oft übersehen.

Gesellschaft muss sich über die Ziele einig werden

Am Beispiel der Grünlandnutzung durch Rinder verwies Südekum auf die sich ändernden Flächenansprüche. Es gebe miteinander konkurrierende Ziele. Über diese müsse die Gesellschaft einen Konsens finden und sie in eine entsprechende Reihenfolge bringen.

Dass die Landwirtschaft der einzige Bereich sei, für den sich die Menschen keine Ressourceneffizienz wünschten, bestätige Albert Stegemann, CDU-Bundestagsabgeordneter und Landwirt. Am Ende müsse bei der Bewältigung der Klimakrise der schonende Umgang mit Ressourcen aber über allem stehen. Dazu könnten ökologische Betriebe künftig von konventionellen Betrieben lernen.

BMEL will freiwillige Selbstverpflichtungen für nachhaltiges Soja

Dr. Eva Müller bei der digitalen DVT-Jahrestagung

In seiner einleitenden Rede erklärte DVT-Präsident Jan Lahde, dass schon heute 60 bis 70 Prozent des importierten Sojas aus nachhaltiger Erzeugung stammten. Etwa zwei Drittel des Sojas in Futtermitteln gingen auf eine Produktion mit geringerem Entwaldungsrisiko zurück. Um diese Entwicklung zu stärken, arbeite der DVT gemeinsam mit der Qualität & Sicherheit GmbH (QS) an einem Nachhaltigkeitsmodul.

Dr. Eva Müller, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), lobte die gemeinsam durchgesetzten Leitlinien zur Förderung von entwaldungsfreien Lieferketten. Daneben seien die Leitlinien zur nachhaltigen Sojabeschaffung des europäischen Verbands der Mischfutterhersteller FEFAC ein wichtiger Schritt.

Nicht in Frage gestellt wurde in der Diskussion die Notwendigkeit der Sojaimporte. Hier sah Müller eine große Verantwortung bei den Futtermittelunternehmen, die bei der Auswahl von Produkten und Zulieferern aufmerksam sein müssten. Osterburg bekräftigte die Bedeutung von Handelsabkommen beim Handel mit Soja und beim Klimaschutz. Auch Heinrich Dierkes, Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), teilte die Ansicht, dass „kein Gramm Soja von dort, wo gestern noch Urwald war“ importiert werden sollte.

Agrarblogger Bernhard Barkmann: Fortschritte in der Landwirtschaft kommen nicht in der Gesellschaft an

Als Stimme aus der Praxis warnte Landwirt und Agrarblogger Bernhard Barkmann vor großen Strukturbrüchen in der Branche, sie sich schon jetzt andeuteten – besonders in der Schweinehaltung. Um schweinehaltende Betriebe in Deutschland zu halten, müsse eine vollständige Wertschöpfung für Schweinefleisch in Deutschland („5D“) und eine entsprechende Kennzeichnung unterstützt werden. Barkmann zufolge nehme die gesellschaftliche Kritik an der Landwirtschaft weiter zu. Fortschritte und Verbesserungen würden dagegen nicht ausreichend wahrgenommen.

Seine Berufskollegen nahm Barkmann deshalb in die Pflicht, sich an der öffentlichen Darstellung der Landwirtschaft zu beteiligen. „Jeder Landwirt muss im Rahmen seiner Möglichkeiten in der Kommunikation aktiv werden“, sagte der Blogger.

Kommentare

agrarheute.comKommentare werden geladen. Bitte kurz warten...