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Kosten und Erlöse in Krisenzeiten

Warum weniger Bauern auf Bio umstellen - und weniger Bio gekauft wird

Biolandbau.
am Freitag, 13.05.2022 - 09:08 (19 Kommentare)

Die Welt wird gerade neu sortiert. Auch die Agrarwelt. Alles wird neu bewertet und eingeordnet. Privat, im eigenen Betrieb und auch in der Gesellschaft. Der Grund: Preise und Kosten steigen in fast allen Lebensbereichen, in einem noch nie gekannten Ausmaß.

Das gilt für Agrarprodukte ebenso wie für Lebensmittel, für Energie, Rohstoffe und vieles andere mehr. Das Resultat ist, eine völlig neue Situation, sowohl für die Landwirte als auch für Verbraucher und für die Agrarpolitik. Die Frage ist nur, ob das alle schon gemerkt haben. Beginnen wir mit den Landwirten: Hier sind die Preise für Getreide, Raps, Milch oder Rindfleisch auf bis dahin nicht für möglich gehaltene Höhen gestiegen. Bei etlichen Getreidearten sind die konventionellen Preise nicht mehr allzu weit von den Preisen für Biogetreide entfernt oder übertreffen diese sogar.

Ähnlich ist die Entwicklung bei Milch und Rindfleisch - und auch bei anderen Agrar-Produkten schmelzen die bislang sehr großen Preisunterschiede zwischen konventionell und Bio immer weiter zusammen. Der Grund ist einfach: Die hohen konventionellen Preise zeigen an, wie knapp und angespannt die Versorgung mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln derzeit ist. Schuld daran ist nicht nur der Krieg am Schwarzen Meer und die daraus resultierenden Probleme der globalen Nahrungsmittelversorgung. Vielmehr kommen auch die fatalen Folgen der endlosen Corona-Lockdowns auf die Agrarproduktion zum Ausdruck und ebenso die witterungsbedingten Produktionsausfälle und massive Lieferkettenprobleme und der dramatische Anstieg der Produktionskosten.

Fakt ist: weltweit sind die wichtigsten Nahrungsmittel knapp. Die hohen Agrarpreise müssten eigentlich zu einer Ausweitung der Produktion führen. Doch die hohen Kosten bremsen diese Entwicklung ebenso wie der Ausfall solch wichtiger Produzenten und Exporteure wie Russland und der Ukraine und die veränderten geopoltischen Rahmenbedingungen. Und das wird wohl noch eine ganze Weile so bleiben, denn die Ukraine wird aus verschiedenen Gründen für Jahre nicht in der Lage sein ihr bisheriges Produktionsniveau zu erreichen.

Auf der anderen Seite blockieren die Sanktionen gegen Russland auch einen Teil der globalen Versorgung und werden vor allem die Energie- und Rohstoffpreise für lange Zeit sehr weit oben halten - und damit auch die Produktionskosten.

Konventionelle Preise fast so hoch wie Biopreise

Konventionelle Landwirte werden deshalb wohl auf lange Sicht hohe Preise für ihre Produkte bekommen. Und diese hohen Preise können in den meisten Fällen wohl auch die hohen Kosten decken. Biobauern wirtschaften aufgrund der speziellen Vorgaben und Auflagen in einem eigenen von den konventionellen Produkten abgekoppelten Markt. Dieser Markt ist über die hohen Preise auf Erzeugerebene und im Einzelhandel auf eine bestimmte Gruppe von Konsumenten fokussiert, die bereit und in der Lage sind, zum Teil deutlich mehr Geld im Vergleich zu konventionellen Produkten auszugeben.

Ihre Kosten sind aufgrund der produktionstechnischen Auflagen jedoch oftmals höher als die der konventionellen Kollegen. Und mit der aktuellen Kostenexplosion für alle Betriebsmittel sind diese Kosten ebenfalls enorm angestiegen. Das lässt sich am einfachsten bei Getreide erklären, gilt aber auch für andere Produkte wie etwa Milch. Durch den Einsatz von Mineraldünger und chemischem Pflanzenschutz (oder Eiweißfutter in der Milchproduktion) ernten konventionelle Landwirte in Deutschland etwa doppelt so viel Getreide vom Hektar wie die Biobauern. Das heißt: Die Relation zwischen Kosten und Erösen je erzeugter Mengeneinheit Getreide ist für konventionelle Bauern deutlich günstiger - vor allem dann, wenn die Getreidepreise ähnlich hoch sind wie für Biogetreide. 

Das Gleiche gilt für die Erzeugung von Milch. Aus wirtschaftlicher Sicht ist für Landwirte derzeit eine agrarpolitisch forcierte und aufwendige Umstellung von konventionell auf Bio nicht sinnvoll und wohl auch nicht wahrscheinlich. Denn wie eine bereits einige Zeit zurückliegende Untersuchung des Thünen-Instituts zeigte, stellen die meisten Landwirte ihre Betriebe auf Bio um, weil sie sich höhere Preise und bessere Erlöse sowie eine sichere Abnahme ihrer Produkte versprechen. Aber das dürfte derzeit eben nicht mehr der Fall sein und das 30 % Bio-Ziel der Bundesregierung erscheint unter diesen Umständen nicht besonders realistisch. Vor allem vor dem Hintergrund, dass viele Verbraucher den Euro dreimal umdrehen und mit spitzem Bleistift rechnen müssen.

Verbraucher kaufen im März 18 % weniger Bio

Während die Verbraucher während der Corona-Krise mehr Bioprodukte gekauft haben, scheint sich nach Erkenntnissen von Konsumforschern genau der umgekehrte Trend abzuzeichnen. Bioläden und Bio-Supermärkte verkauften in den ersten drei Monaten dieses Jahres 2022 deutlich weniger Ware als im Vorjahreszeitraum, teilte der Bundesverband Naturkost Naturwaren mit. Im Schnitt lagen die Tagesumsätze demnach im Januar knapp zehn Prozent niedriger, im März schon mehr als 18 Prozent. Ähnlich sei die Tendenz im Bio-Großhandel.

Der Grund ist einfach: Die Preise für Lebensmittel, Energie und vieles andere sind hoch wie nie zuvor. Die Einkommen der Konsumenten bleiben jedoch gleich. Die Folge: Es wird gespart wo es geht und man versuchte natürlich - vor allem bei Lebensmitteln - auf günstigere Produkte umzusteigen oder teure Nahrungsmittel werden ganz weggelassen.

Eine ähnliche Entwicklung hat es auch schon zur Finanzkrise gegebenen. Nur das die Krise damals nicht allzu lange dauerte. Doch davon sollte man jetzt nicht unbedingt ausgehen, wenn man einmal auf die globale Entwicklung und die jeweiligen Preistreiber wie den Ukraine-Krieg und die hohen Energiekosten schaut. Und der Kaufverzicht trifft offenbar vor allem Bioprodukte, die im Vergleich meist zu den teuren Nahrungsmitteln gehören.

Und je länger der aktuelle Preisanstieg dauert und je mehr Menschen gezwungen sein werden zu sparen, je stärker wird dieser Trend auf den Biomarkt und die dortigen Absatzmöglichkeiten wirken. Das heißt, dass bisherige Bio-Wachstum wird ausgebremst, es sei denn die Preise für Bioprodukte würden gegen den sonstigen Trend fallen und so den Einkauf attraktiver machen. Doch das ist sehr unwahrscheinlich und hilft wohl auch niemanden - schon gar nicht den Biobauern, die ja ebenfalls unter den hohen Kosten leiden.

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