Hätten wir dann eine bessere Landwirtschaft? Nur mal so ein Gedankenspiel.
Fast scheint es wie ein Naturgesetz: Während die Zahl der konventionellen Bauernhöfe dramatisch schrumpft, nimmt die Zahl der Ökobauern immer weiter zu. In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Zahl der konventionellen Bauernhöfe halbiert. Von den verbliebenen Betrieben wirtschaftet mittlerweile die Hälfte im Nebenerwerb – weil das Einkommen aus der Agrarproduktion nicht mehr ausreicht. Die aktuelle Agrarpolitik beschleunigt allem Anschein nach den Strukturwandel – obwohl sie das Gegenteil behauptet.
Ganz anders die bei den Ökobetrieben: Hier hat sich die Zahl der Höfe im gleichen Zeitraum mehr als verdreifacht. Die Ökofläche hat sogar um das Vierfache zugenommen. Mittlerweile bewirtschaften Ökobauern in Deutschland knapp 10 Prozent der Fläche und sie stellen 13 Prozent aller Betriebe.
Doch Politik und Gesellschaft sind damit nicht zufrieden: Die Bundesregierung plant einen Ausbau des Ökolandbaus bis 2030 auf 20 Prozent – einige Bundesländer - etwa Bayern - wollen 30 Prozent erreichen.Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein vertritt die Auflassung: „Wir brauchen 100 Prozent Öko. Die Frage ist nur, wie kommen wir dahin.“
Flächenbedarf ist sehr hoch – wegen schwacher Erträge

Das A und O in der Landwirtschaft ist die Versorgungssicherung der Bevölkerung mit bezahlbaren Lebensmitteln – in Deutschland – in Europa und weltweit. Schaut man einmal auf die Getreideerträge in Deutschland, so zeigt sich, dass die Erträge bei den Biobauern im Schnitt der letzten Jahre nur halb so hoch waren wie im konventionellen Anbau.
In Zahlen: Während die konventionalen Haupterwerbsbetriebe im Schnitt 75 dt Weizen ernteten – waren es im Ökolandbau 36 dt. Das heißt auch: Um die deutsche Weizenernte von rund 23 Millionen Tonnen von den Feldern zu holen, brauchen konventionelle Landwirte etwa 3 Millionen Hektar – Biolandwirte benötigen für die gleiche Menge Weizen etwa 6,4 Millionen Hektar – und damit mehr als das doppelte der Fläche.
Der Grund für diese gewaltige Ertragslücke im Ökolandbau ist der vollständige Verzicht auf mineralische Dünger und chemische Pflanzenschutzmittel – und natürlich auch auf jede Art von Gentechnik. Die Wissenschaftlerin Hanna Treu vom Thünen-Institut in Braunschweig fand heraus: „Eine überwiegend ökologische Ernährung in Deutschland bräuchte rund 40 Prozent mehr Fläche als die konventionelle Produktion“ – bei einem etwa gleichem Verbrauch.
Immer mehr Menschen brauchen immer mehr Lebensmittel

Hinzu kommt: Die Auswirkungen der Ertragslücke sind auch für andere Bereiche einer nachhaltigen Produktion sehr groß – werden aber meist ausgeblendet. Das bestätigen auch Eva-Marie Meemken und Matin Quaim von der Universität Göttingen. Sie kommen in einer Auswertung verschiedener Studien ebenfalls zu dem Ergebnis, dass man für ökologische Lebensmittel wegen der niedrigeren Erträge mehr Ackerfläche benötigt als für die gleiche Menge konventioneller Produkte.
Nach ihrer Einschätzung relativieren sich damit auch die Umwelt- und Klimavorteile des Ökolandbaus und kehren sich für einige Parameter sogar um. „Die Ertragsunterschiede müssen aber berücksichtigt werden, weil die globale Nachfrage nach Lebensmitteln weiter wächst“, sagt Matin Qaim. Außerdem käme es bei einer Umstellung auf Ökolandbau zu einer Verteuerung der Nahrungsmittel, wovon insbesondere Menschen mit geringem Einkommen in Entwicklungsländern negativ betroffen wären, sagt Quaim.
Global gesehen beträgt der Flächenanteil der Biolandwirtschaft derzeit rund ein Prozent, sagt Adrian Müller vom Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL). „Um die globale Landwirtschaft bis 2050 komplett auf Bio umzustellen, wäre weltweit etwa ein Drittel mehr Nutzfläche nötig als heute", schätzt Christian Schader, Mitverfasser einer Studie des FiBL. Zusätzliches Ackerland in dieser Größenordnung steht jedoch nicht zur Verfügung.
Im Gegenteil: Laut Prognosen der FAO wird die Weltbevölkerung bis 2050 um weitere zwei Milliarden Menschen anwachsen und alle wollen ausreichend zu essen. Gleichzeitig gehen weltweit jedes Jahr etwa 10 Millionen Hektar Ackerfläche unwiederbringlich durch Erosion oder Versiegelung verloren.
Umweltschutz und Flächenverbrauch global betrachten

Das Hauptargument für den biologischen Landbau ist die Ökologie. Studien zeigen, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen eine höhere Biodiversität und eine geringere Schadstoffbelastung herrscht. Auch das Thünen-Institut hat Anfang 2019 in einer großen Studie ein sehr positives Bild von den Umweltleistungen des Ökolandbaus gezeichnet.
Das gilt jedoch nur, wenn man alle Umweltleistungen auf die Fläche bezieht. Und wenn man die Folgen im Prinzip nur auf Deutschland beschränkt. Internationale Studien zeigen hingegen: „Die Zugewinne an Biodiversität und Umweltschutz reichen nicht aus, um die Verluste durch den höheren Flächenverbrauch zu kompensieren“, sagt der Ökonom Rainer Maurer von der Hochschule Pforzheim.
Aber es gibt noch ein anderes Problem: Wegen des höheren Flächenbedarfs ergeben sich im Ökolandbau höhere Netto-Emissionen von Treibhausgasen. Diese würden ohne eine massive Senkung des Verbrauchs an Nahrungsmitteln nämlich sehr kräftig steigen. Grund: Die Produktion verlagert sich auf weniger produktive Standorte ins Ausland oder es würden neue Flächen genutzt.
„Indirekt führt dies zu höheren CO2-Emissionen", fand der schwedische Forscher Stefan Wirsenius in einer viel diskutierten Nature-Studie heraus. "Wenn wir mehr Land für die gleiche Menge Nahrungsmittel benötigen, tragen wir zu einer größeren Entwaldung anderswo auf der Welt bei“, sagt der Schwede.
Wirsenius und seine Kollegen sehen es deshalb kritisch, dass die Politik in Europa das Ziel hat, die Produktion von Bio-Lebensmitteln zu steigern. Wenn dieses Ziel umgesetzt wird, wird der negative Klimaeinfluss der europäischen Lebensmittelproduktion wahrscheinlich zunehmen.
Der Markt entscheidet (nicht wirklich)

Getragen wird der Ökoboom unter Landwirten vor allem auch von wirtschaftlichen Motiven: Das waren zuletzt vor allem zwei Faktoren – zum einen die relativ hohen Umstellungs- und Förderprämien und zum anderen die hohen Ökopreise. Derzeit sind Preise für Bioprodukte zwischen 50 und 100 Prozent höher. – Allerdings liegen auch die Produktionskosten weit über denen in der konventionellen Landwirtschaft.
Entscheidend für das Einkommen sind aber neben den verschiedenen staatlichen Förder- und Umstellerprämien auch die Gelder aus den Töpfen der EU. Ohne diese Gelder sähe es für die Biolandwirte nämlich gar nicht so gut aus: Erwirtschaften konventionelle Landwirte nämlich etwa die Hälfte ihres Einkommens über Direktzahlungen und Subventionen, kommen bei Ökobetrieben über 70 Prozent (!!) des Einkommens aus Fördertöpfen – zeigen die Betriebsdaten-Auswertungen des BMEL. Ohne diese massive Förderung sähe es für die Biobauern wirtschaftlich also deutlich schlechter aus.
Diese Tatsache wird durch die absolute Höhe der Einkommen verschleiert. „Der Gewinn je Arbeitskraft in Ökobetrieben war in den letzten Jahren um etwa 20 Prozent höher als in der konventionellen Landwirtschaft“, sagt dazu Rolf Meyer vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag und blendet dabei die darin enthaltenen hohen Zuschüsse aus. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) begründet das höhere Einkommen der Ökobauern „mit den geringeren betrieblichen Kosten für Dünger, Pflanzenschutz und Tierzukäufe und mit den zusätzlichen Zahlungen für Agrarumweltleistungen“.
Das dicke Einkommensplus erklärt auch das große Interesse vieler Bauern am Umstieg auf bio, auch wenn die Kosten und die Auflagen hoch sind und der größte Teil des betrieblichen Einkommens eben Subventionen. „Der Frust über die bestehenden ökonomischen Rahmenbedingungen in der konventionellen Landwirtschaft ist in allen Erzeugungsbereichen hoch“ sagt der Biobauer Dietmar Groß aus Hessen als Erklärung für den Umstellungsboom der letzten Jahre. „Wer aber glaubt, eine marktneutrale Ausweitung der Bio-Produktion ist möglich, ist mehr als naiv“, ist der Biobauer überzeugt.
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