Das behauptet jedenfalls eine aktuelle Studie und will, dass die „wahren Kosten“ für Umwelt- und Klimaschäden sich in den Preisen für Lebensmitteln wiederfinden.
Fakt ist: Auch die Bauern möchten eigentlich gerne höhere Preise für ihre Produkte haben – doch was sich im ersten Moment ganz gut anhört, ist zumindest aus drei Gründen problematisch.
Erstens: Preise bilden sich nicht nach den Kosten, sondern sie messen Knappheiten – zumindest in der Marktwirtschaft.
Zweitens: Auch in anderen Branchen und Wirtschaftsbereichen bestimmen nicht die vermeintlichen Kosten die Preise, sondern Angebot und Nachfrage – und ein möglichst fairer Wettbewerb.
Drittens: Auch gesellschaftlich ist es zumindest fragwürdig den Erzeugern von Lebensmitteln einseitig den schwarzen Peter – also die Verantwortung – für die bestehenden ökologischen Probleme zuzuschieben. Aber eins nach dem anderen.
Die Umwelt-Kosten sollen den Preis bestimmen

Zunächst einmal zu den Fakten. Die Wirtschaftswissenschaftler der Universität Augsburg, Tobias Gaugler, Amelie Michalke und Maximilian Piper stellen in der Studie „How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich?“ folgende These auf: Mit zunehmender Intensivierung der Produktion und als Deutschlands größter Flächenverbraucher stellt die Landwirtschaft einen enormen Belastungsfaktor für die Umwelt dar.
Weiter heißt es dort: "Umweltschäden finden aktuell aber keinen Eingang in den Lebensmittelpreis. Stattdessen fallen sie der Allgemeinheit und künftigen Generationen zur Last“. Und die Wissenschaftler haben ausgerechnet: „Bei tierischen Produkten fallen jeweils die höchsten in Preisaufschlägen ausgedrückten Folgekosten an, gefolgt von Milchprodukten und pflanzlichen Erzeugnissen.“
Und das Ergebnis von Gaugler und Michalke: Demnach müssten konventionell-tierische Produkte auf Erzeugerebene etwa dreimal so teuer sein wie dies bisher der Fall ist. Außerdem kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Fehlbepreisung bei konventionellen Produkten in allen Kategorien weitaus höher ist als bei biologischen Produkten.
Streit um Preiswerbeverbot für Fleisch
Die Studie platzt mitten hinein in eine ohnehin bereits erregte Debatte über die "richtigen" Preise für Lebensmittel. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner will die Preiswerbung für Fleisch im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbieten.
Mit ihrem Vorstoß hat sie sich bei Bundesjustizministerin Christiane Lambrecht aber einen Korb geholt. Lambrecht beschied Klöckner schriftlich, produkt- und branchenbezogene Regelungen würden grundsätzlich in den jeweiligen Spezialgesetzen geregelt. Entsprechend wären Regelungen, die Preise oder Werbung für Fleisch betreffen, im Fleischgesetz zu regeln. Die Federführung dafür liege im Landwirtschaftsministerium, so Lambrecht, womit die Justizministerin den Ball zurückspielte an Klöckner.
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Rewe will die wahren Preise auf der Packung zeigen
Nun haben Gaugler und sein Team im Auftrag des zur Rewe-Gruppe gehörenden Discounters Penny die „wahren Kosten" für insgesamt 16 Eigenmarken-Produkte der Handelskette berechnet. Dabei haben sie neben den „normalen Herstellungskosten“ auch die Auswirkungen der bei der Produktion entstehenden Treibhausgase, die Folgekosten der Düngung sowie den Energiebedarf berücksichtigt.
Das Resultat der Berechnungen: „Aus volkswirtschaftlicher Sicht handelt es sich um eine erhebliche Preis- und Marktverzerrung“, sagt der Augsburger Volkswirt Tobias Gaugler.
Die Rewe-Gruppe will das Problem der versteckten Kosten bei der Eröffnung eines neuen Nachhaltigkeitsmarktes seiner Discountkette Penny in Berlin thematisieren. Für je acht konventionell und ökologisch erzeugte Eigenmarken-Produkte will der Händler neben dem Verkaufspreis dort auch den „wahren Preis“ ausweisen.
Preise messen Knappheiten - und nicht die Kosten

Da fragt man sich zunächst, ob die Hersteller von Autos, Computern, Handys oder Bekleidung auch die wahren Kosten ausweisen. Der Wirtschaftswissenschafter Thomas Straubhaar stellt jedenfalls fest: „Im Kapitalismus bestimmen die Preise die Kosten. Im Kommunismus bestimmen die Kosten die Preise.Oder anders gesagt: In funktionierenden Marktwirtschaften bewegen Angebot und Nachfrage die Preise, und nicht etwa die Höhe der Kosten.“
Die Preise spiegeln also die Knappheiten der Güter wider. Wo nicht Märkte, sondern staatliche Stellen die Wirtschaft lenken, müssen die Preise deshalb zentral festgesetzt werden, so Straubhaar. Außerdem sagt der Ökonom: „Preise, die an den Kosten orientiert sind, haben einen fundamentalen Mangel. Wer weiß, dass er die Kosten auf die Kunden überwälzen kann, muss sich nicht ständig anstrengen, effizienter zu produzieren“. Diese Kostenpreise führen zu fehlendem Kostenbewusstsein, Verschwendung, Missachtung von Kundenwünschen und geringer Innovationsdynamik, sind die Argumente von Straubhaar für Wettbewerbspreise.
Ökonomen empfinden es in aller Regel nicht als Problem, dass sie die richtigen Preise nicht kennen. Es reicht ihnen nämlich, den Mechanismus der Preisbildung zu verstehen. Dann lassen sich entsprechende wettbewerbsrechtliche Regeln schaffen, in denen sich Preise so bilden, dass sie für die Gesellschaft insgesamt am besten sind. In letzter Zeit scheint jedoch die Überzeugung vorzuherrschen, dass man die richtigen Preise kennt/oder ausrechnen kann und gegebenenfalls mit gesetzlichen Vorgaben dafür sorgen muss, dass sie die richtige Höhe annehmen.
Dieser Annahme scheint auch die Untersuchung von Gaugler und Kollegen zu folgen. Und offenbar auch Rewe und Penny. Auch wenn der Kunde am Ende den normalen Preis zahlen muss, sieht der Rewe-Manager Stefan Magel in der Initiative des Einzelhändlers einen wichtigen Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. "Wir müssen dazu kommen, die Folgekosten unseres Konsums sichtbar zu machen", meint er. Magel räumt jedoch ein: "Wir sind als Unternehmen in einem wettbewerbsintensiven Markt ohne Zweifel Teil des Problems."
Der Rewe-Manager hofft aber mit dem aktuellen Schritt Teil der Lösung werden zu können. Wenn die Kunden positiv auf die doppelte Preisauszeichnung reagierten, dann könne er sich vorstellen, die Anzahl der gekennzeichneten Produkte weiter zu erhöhen und den Test auf weitere Märkte auszuweiten.
Verbraucher sollen anders kaufen - Bauern zahlen den Preis

Die Folgen einer doppelten Bepreisung und der Zuweisung der Umweltkosten an die Landwirtschaft, könnten erhebliche Konsequenzen für Bauern haben – insbesondere für die bereits von Auflagen und explodierenden Kosten geplagten Tierhalter. Denn für die Landwirtschaft würden bei dem genannten Modell nicht einfach nur die Preise steigen. Auch die Kosten würden auf die Bauern umgewälzt.
Auf diese Weise würde nicht nur das von allen poltischen Lagern bejammerte Höfesterben noch einmal richtig Fahrt aufnehmen, sondern auch die ländlichen Räume würden sich erheblich verändern. Aber offenbar wird dass bei diesen Szenario durchaus in Kauf genommen. Die Autoren der Studie erwarten jedenfalls, dass die doppelte Preisauszeichnung bei Rewe auch das Einkaufsverhalten der Kunden verändern wird. Noch lieber wäre den Autoren der Studie jedoch, wenn die (errechneten) hohen Umweltfolgekosten schrittweise auf die Lebensmittelpreise aufgeschlagen würden – etwa durch die Besteuerung der CO2-Emissionen in der Landwirtschaft und ein Steuer für mineralischen Dünger.
„Die Preisanpassungen der Lebensmittelmärkte würden wahrscheinlich zu deutlichen Verschiebungen hin zu mehr pflanzlichen und mehr Bio-Produkten führen und gleichzeitig die Umweltschäden deutlich reduzieren", sagt die Mitautorin der Studie Amelie Michalke. Mit diesen Vorschlägen sind die Autoren der Studie allerdings schon sehr weit weg von der Marktwirtschaft und einer Preisfindung durch Wettbewerb.
Gaugler sagt dazu: "Wir haben bisher nur einen Teil der versteckten Kosten berücksichtigt, aber allein das zeigt schon, dass die Preise lügen - manche mehr und manche weniger“. Dieser These würden sicher viele Ökonomen widersprechen und auch viele Landwirte, die sich täglich im Wettbewerb behaupten müssen – und auch gerne höhere Preise für Ihre Produkte hätten.
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