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Ausbau Erneuerbarer Energien

Windräder im Wald: Ökologisch und ökonomisch sinnvoll?

Windanlage im Wald
am Freitag, 15.05.2020 - 11:08 (2 Kommentare)

Langsam wird es eng im Wald. Der Ausbau der Windenergie kostet immer mehr Waldfläche. Darüber wird heftig gestritten.

In den letzten 10 Jahren wurden rund 1.400 Hektar Wald für den Bau von Windkraftanlagen gerodet. Das entspricht einer Fläche von etwa 2000 Fußballfeldern. Der Grund für diese Entwicklung liegt auf der Hand: Um die politischen Ziele der Energiewende zu erreichen, bis 2030 mindestens 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, muss die Windenergie stark ausgebaut werden.

Doch es gibt ein Problem: Die ökologisch und ökonomisch geeigneten Flächen werden immer knapper. Abstandsreglungen, Landschafts-, Tier- und Naturschutzauflagen sowie zahlreiche Bürgerproteste stehen dem Ausbau der Windenergie im Wege. Auch Politik, Umwelt- und Naturschutzverbände sind über den Ausbau der Windkraftanlagen im Wald zerstritten – auch wenn offenbar eine Mehrheit bisher dafür ist.

„Ein Flächenverbrauch dieses Ausmaßes wird der Bedeutung des Waldes als CO2-Senker für den Klimaschutz nicht ansatzweise gerecht", kritisiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Gero Hocker den Ausbau von Windanlagen im Wald.

Dennoch stehen mittlerweile 2020 Windräder in Waldgebieten, berichtet die Fachagentur Wind in ihrem aktuellen Jahresbericht. Das sind rund 7 Prozent aller in Deutschland gebauten Windräder – mit steigender Tendenz. Von den neu gebauten Anlagen sind es sogar mehr als 20 Prozent – auch wenn sich das Tempo des Ausbaus zuletzt enorm verlangsamt hat. Grund dürften die wachsenden Widerstände in der Gesellschaft sein. 

Ein Fünftel der neugebauten Anlagen im Wald

Grafik zur Entwicklung der Windenergie im Wald

Nach einer Erhebung der Fachagentur Wind waren Ende 2019 in Deutschland 2.020 Windenergieanlagen – dass sind etwa sieben Prozent des gesamten Anlagenbestands – auf Waldflächen in Betrieb. Diese Anlagen verfügen über eine elektrische Gesamtleistung von 5.450 Megawatt (MW). Das entspricht etwa zehn Prozent der insgesamt installierten Windenergieleistung in Deutschland. Das zeigt auch, dass sich viele sehr große Windräder unter den Waldanlagen befinden. Hintergrund ist: Immerhin 85 Prozent der Anlagen wurden zwischen 2010 und 2018 errichtet.

Pro Windanlage werden nach den Erhebungen der FA Wind im Mittel 0,47 Hektar benötigt: Diese Fläche ist über den gesamten Betriebszeitraum von Baumbewuchs freizuhalten. Auffallend ist auch: Die Verteilung der Wald-Anlagen innerhalb der Bundesländer fällt sehr heterogen aus. So sind Waldstandorte in Norddeutschland für die Windenergie bislang fast völlig tabu. Dagegen ist die Zahl der Windräder, die sich im Süden und Süd-Westen im Wald befinden, meist im dreistelligen Bereich. In Ostdeutschland wurden bislang vor allem in Brandenburg und in geringem Umfang Sachsen und seit 2017 auch in Thüringen Windränder im Wald gebaut.

Im Vergleich der Bundesländer standen Ende 2019 die meisten Windräder auf Waldflächen in folgenden Bundesländern: Rheinland-Pfalz (452), Hessen (434), Baden-Württemberg 330, Brandenburg 320 und in Bayern 291. Den bislang stärksten Zuwachs von Windrädern im Wald gab es in den Jahren 2016 und 2017. In beiden Jahren wurden jeweils rund 1.000 MW neue Windenergieleistung in Wäldern errichtet. Der zuletzt sehr starke Rückgang beim Ausbau der Windenergieausbau – 2019 war das ausbauschwächste Jahr seit 1998 – zeigte sich auch im Wald: Dennoch waren ein Fünftel des Jahreszubaus (50 WEA, 172 MW) Waldanlagen. Damit liegt der Anteil der „Wald-Anlagen“ am jährlichen Gesamtzubau seit 2015 nahezu konstant bei rund 20 Prozent.

Konzentration im Südwesten und Brandenburg

Tabelle zur regionalen Verteilung der Windanlagen im Wald

Die Nutzung von Waldstandorten für den Bau von Windenergieanlagen ist derzeit in acht Bundesländern erlaubt: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie in Thüringen. In Nordrhein-Westfalen dürfen Waldbereiche für die Windenergienutzung seit Juli 2019 nur noch in Anspruch genommen werden, wenn dafür der Bedarf nachgewiesen wird und dieser nicht außerhalb von Waldbereichen realisierbar ist.

In Niedersachsen konnte der Wald gemäß Landes- Raumordnungsprogramm (2012) bisher nicht für die Windenergienutzung in Anspruch genommen werden. Hier scheint sich die politische Stimmung jedoch gerade zu drehen. Die Große Koalition in Niedersachsen ist sich offenbar einig darin, Windkrafträder auch in Wäldern zuzulassen, sagte der energiepolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Volker Senftleben. Auch die CDU-Fraktion hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, das Verbot für Windräder im Wald in Niedersachsen zu lockern.

In Thüringen haben FDP und CDU Anfang 2020 hingegen einen Gesetzentwurf eingebracht, der den Bau von Windrädern im Wald künftig verbieten soll. In Sachsen stehen bisher ebenfalls nur wenige Windenergieanlagen im Wald. Diese wurden zudem genehmigt und errichtet, als die dortige Landesraumordnung noch keine Einschränkungen machte.

Erhebliche Probleme für Tiere und Natur

Windanlagen im Wald

Auch bei den Naturschutz- und Umweltverbänden ist der Bau von Windanlagen im Wald umstritten – auch wenn eine Mehrheit den Ausbau offenbar unterstützt. So sehen NABU und BUND in Brandenburg den Ausbau der Windenergie im Wald durchaus kritisch. In einem gemeinsamen Positionspapier von 2016 heißt es: „Allein durch den Bau der Zuwegung und die Standfläche der Anlagen büßen unsere Wälder einen erheblichen Teil ihrer ökologischen Funktion ein. Darüber hinaus stellen die Anlagen eine tödliche Gefahr, insbesondere für Vögel und Fledermäuse dar.“

Und der Vorstand der Deutsche Wildtier Stiftung Prof. Dr. Fritz Vahrenholt sagt zum Ausbau der Waldanlagen in Hessen: „Windkraftanlagen auf die Höhenzüge deutscher Mittelgebirge zu bauen, bedeutet nicht nur Rodung von Bäumen. Intakte Ökosysteme werden zerschnitten, Böden versiegelt und Fundamente errichtet, um Windfabriken von der Höhe des Kölner Doms in den Wald zu stellen“.  

BUND und NABU Brandenburg verweisen in ihrer Kritik auf das sogenannte „Helgoländer Papier“ der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten. Dort werden unter anderem auch Mindestabstände zu Brutplätzen geschützter Vögel, die so genannten Tierökologischen Abstandskriterien (TAK), vorgeschlagen.

Auch die FA Wind weist darauf hin, dass naturnahe Wälder, insbesondere struktur- und artenreiche Laub- und Laubmischwälder sowie ältere Nadelwaldbestände, besonders hohe Habitateigenschaften als Lebensraum aufweisen. Deshalb kann es auch nach Einschätzung der Agentur bei den Planungen an entsprechenden Standorten durchaus auch zu Zielkonflikten mit dem Natur- und Artenschutz kommen.

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