Das Klischee über Nebenerwerbslandwirte "Vom Trecker ins Büro" mag im Einzelfall stimmen, nicht jedoch für die Masse der Höfe. Das zeigen jedenfalls die im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2020 erfassten Betriebe mit zusätzlichen nichtlandwirtschaftlichen Einkommensquellen.
Diese Zusatzeinkommen sind – kurz gesagt – zumindest landwirtschaftsnah. Dabei werden zwei Dinge deutlich: Zum einen hat die Zahl der Betriebe mit einem nichtlandwirtschaftlichen Nebenerwerbseinkommen in den letzten Jahren kräftig zugenommen; zum anderen ist der Anteil der nichtlandwirtschaftlichen Einkünfte an den betrieblichen Gesamteinkommen deutlich gestiegen.
Indirekt deutet diese Entwicklung außerdem darauf hin, dass immer mehr Bauern gezwungen sind, ein nichtlandwirtschaftliches Zusatzeinkommen zu erwirtschaften, damit der Betrieb überleben kann. Und nicht zuletzt wird erkennbar, warum es in Deutschland so eine hohe Zahl von Nebenerwerbslandwirten gibt – nämlich die Hälfte aller noch vorhandenen Bauernhöfe. Denn in dieser großen Gruppe stammt per Definition die Hälfte des Einkommens nicht aus der Landwirtschaft. Doch zurück zu den Ergebnissen der Landwirtschaftszählung.
Immer mehr Betriebe auf Zusatzeinkommen angewiesen

Von den 263.500 in der Landwirtschaftszählung erfassten Landwirtschaftsbetrieben sind immerhin 111.700 auf nichtlandwirtschaftliche Nebeneinkünfte angewiesen; das sind 42 Prozent aller Betriebe. Wie viele davon „echte Nebenerwerbslandwirte“ sind, sagt die Statistik nicht.
Im Vergleich zur vorigen Zählung von 2010 haben zwar 35.600 Bauernhöfe die Hoftore dicht gemacht – das sind immerhin 12 Prozent aller Betriebe. Im gleichen Zeitraum hat die Zahl der Betriebe mit nichtlandwirtschaftlichen Nebeneinkünften um 19.600 bzw. gut 21 Prozent zugenommen - nämlich von 92.100 auf 111.700.
Da heißt: Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind für die „überlebenden“ Bauern ganz offensichtlich erheblich schwieriger geworden und damit ist auch der Zwang, zusätzliches Einkommen außerhalb der eigentlichen landwirtschaftlichen Tätigkeit zu erwirtschaften, größer geworden.
Bei gut einem Fünftel der erfassten Betriebe steuerte der außerlandwirtschaftliche Einkommensanteil mehr als die Hälfte zum Gesamtumsatz des Betriebes bei. Vor 10 Jahren war das Zusatzeinkommen erst bei 14 Prozent der Betriebe so hoch – also bei knapp halb so vielen.
Die entscheidenden Fragen lauten nun: Aus welchen Quellen stammen diese Zusatzeinkommen und hat sich an der Einkommens-Struktur im Vergleich zu 2010 etwas geändert?
Am wichtigsten: Forstwirtschaft und Erneuerbare

Die beiden mit Abstand wichtigsten nichtlandwirtschaftlichen Einkommensquellen sind die Forstwirtschaft und die Erzeugung erneuerbarer Energien. Sie sind für 34 Prozent bzw. knapp 31 Prozent der Betriebe die wichtigsten zusätzlichen Einkommensquellen.
Das Interessante dabei ist: Vor 10 Jahren lagen die erneuerbaren Energien mit einem Anteil von gut 37 Prozent noch deutlich vor den forstwirtschaftlichen Zusatzeinkommen mit damals knapp 23 Prozent. Hier hat also eine erhebliche Verschiebung stattgefunden – zu Gunsten der Forstwirtschaft.
Auf Position drei im Ranking liegen die Arbeiten für andere landwirtschaftliche Betriebe – mit immerhin 27 Prozent – im Vergleich zu 18 Prozent vor 10 Jahren. Ein weiteres wichtiges Standbein ist für viele Betriebe die Direktvermarktung und die eigene Verarbeitung von Agrarprodukten. Hier sind 18 Prozent der Betriebe engagiert, im Vergleich zu 13 Prozent vor 10 Jahren.
Weitere Einkommensquellen, die eine wichtige Rolle spielen, sind die Pensions- und Reitsportpferdehaltung mit 14 Prozent sowie die Verarbeitung von Holz mit 13 Prozent, wirklich außerhalb der Landwirtschaft (also vom Trecker ins Büro) arbeiten nach den Erhebungen der Landwirtschaftszählung etwa 8 Prozent der Betriebsinhaber. Ein weiteres wichtiges Standbein sind Tätigkeiten im Fremdenverkehr und Freizeitbereich mit 7 Prozent.
Dazu kommen dann nicht näher spezifizierte sogenannte übrige Einkommensquellen. Dazu gehören etwa die Fischwirtschaft oder das Handwerk.
Ein Folge der Agrarpolitik – sagt die Wissenschaft

Wie wichtig das außerlandwirtschaftliche Einkommen für das Gesamteinkommen ist, zeigt der hohe Anteil dieser Einkünfte am betrieblichen Gesamteinkommen. So macht das Zusatzeinkommen bei gut einem Fünftel der auf außerlandwirtschaftliche Einnahmen angewiesenen Betriebe mehr als die Hälfte des Betriebseinkommens aus. Vor 10 Jahren traf das gerade einmal auf 13,5 Prozent der Betriebe zu – also auf knapp halb so viele wie heute.
Diese Entwicklung zeigt sehr eindrucksvoll, wie enorm wichtig diese Zusatzeinkommen auch für die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe geworden sind und für die Sicherung ihrer Existenz.
Für rund 50 Prozent der Betriebe lag der Anteil des außerlandwirtschaftlichen Einkommens bei 10 Prozent oder darunter und für reichlich ein Viertel der Höfe erwirtschaften zwischen 10 und 50 Prozent ihres betrieblichen Einkommens mit außerlandwirtschaftlichen Tätigkeiten.
In einer Studie zu außerlandwirtschaftlichen Einkommensaktivitäten der Bauern in Schleswig-Holstein, kommt der Agrarökonom Jens Peter Loy, von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zu dem Schluss: „Die Einschätzungen der Landwirte zeigen, dass alternative Einkommensquellen unter anderem dazu dienen, Abhängigkeiten von agrarpolitischen Entscheidungen zu vermindern".
Und der stellt weiter fest: "Dabei erwirtschaften Futterbaubetriebe signifikant seltener Einkommen aus alternativen Einkommensquellen, was unter anderem auf geringe Arbeitszeitreserven zurückgeführt werden kann.“
Weiter beobachtet Loy einen starken Einfluss rechtlicher Rahmenbedingungen und staatlicher Fördermaßnahmen auf die Investitionen in ganz bestimmte Einkommensalternativen – wie etwa in Erneuerbare Energien.
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