Die Größenordnung: Zwischen 4.000 und 6.000 Hektar. Im Schnitt sind Biohöfe in Deutschland hingegen nur 48 Hektar groß. Hinzu kommt: Die größten dieser Unternehmen sind in der Hand von außerlandwirtschaftlichen Investoren. In der Branche wird darum heftig darüber gestritten, ob diese Giganten eigentlich noch Ökobetriebe sind - oder nicht.
Der Ökolandwirt und Chef des Bundes ökologische Landwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein, sagt: „Auch große Biobetriebe sind Bio“. Dem stimmt Jan Plagge, der Präsident von Bioland, zu. Er sagt, eine hohe Hektarzahl bedeute nicht gleich Agrarindustrie. „Wenn ein Großbetrieb eine flächengebundene Tierhaltung aufweist, aktiven Artenschutz betreibt und viele Mitarbeiter beschäftigt, dann ist dies mit den Bioland-Prinzipien vereinbar.“
Dagegen kritisiert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Entstehung und Unterstützung solch riesiger Biobetriebe scharf. Die AbL fordert die Bioverbände auf, dem einen Riegel vorzuschieben.
Fakt ist: Auch die übrigen Ökobetriebe sind im Osten deutlich größer als im Westen. Die Durchschnittgröße liegt zwischen 84 Hektar in Sachsen und 207 Hektar in Brandenburg. Viele sind sogar erheblich größer und bewirtschaften 500 bis 1.000 Hektar. Aber diese Unternehmen sind meist in die regionalen Netzwerke eingebunden – wie etwa beim Ökoring Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Güstrow – und sie gehören ostdeutschen Bauern.
Die Öko-Riesen im Norden
Der wohl größte deutsche Ökobetrieb befindet sich in Mecklenburg-Vorpommern: Er gehört dem Logistik-Unternehmen Fiege aus Nordrhein-Westfalen mit einem Jahresumsatz von 1,2 Mrd. Euro und knapp 12.000 Beschäftigten. Vor rund 15 Jahren haben Marc Fiege und sein Vater das Ökogut einem Investor aus Bayern abgekauft. Der Betrieb liegt auf der Halbinsel Fischland-Darß und gehört mit rund 50 Mitarbeitern und 4.600 Hektar Land zu den den größten Ökobetrieben Deutschlands. Das Unternehmen hält etwa 4.000 Rinder, 1.300 Mutterschafe und mehr als 130 Wasserbüffel.
Im Frühjahr 2019 hat das Ökogut Darß nun zwei weitere Betriebe im Landkreis Rostock gekauft, berichtete die Ostseezeitung. Der Kauf umfasst einen bis dahin konventionell wirtschaftenden 2.100-Hektar-Betrieb mit rund 600 Milchkühen und 150 Mutterkühen, sowie einen Biobetrieb mit rund 400 Hektar und 150 Mutterkühen. Marc Fiege versichert: „Wir wollen die beiden Betriebe bei Rostock weiterentwickeln.“ Mit dem Kaufpreis wurden die 55 Anteilseigner der bestehenden Holding ausgezahlt, hieß es.
Für Bauernpräsident Detlef Kurreck aus Mecklenburg-Vorpommern kam die Übernahme „nicht überraschend“. Das Unternehmen habe seit längerem zum Verkauf gestanden. Das zahlungskräftige Investoren sich in Betriebe einkaufen oder sie vollständig übernehmen, sei kein Einzelfall, sagt Kurreck. Aus Sicht des Bauernverbandes sei jedoch entscheidend, „dass beim Besitzwechsel der Betrieb erhalten bleibt, dass regional produziert wird, die Betriebe breit aufgestellt sind und sich im Dorf engagieren.“
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft kritisiert den Kauf dennoch heftig: „Einer der größten Ökobetriebe Deutschlands hat sich über den Kauf einer Agrarholding weiter vergrößert“, heißt es.
XXL-Ökobetrieb bei Bioland
Ein heiße Debatte tobt auch um den Ökogiganten Hofgut Eichigt aus dem Vogtland: Dort hat der Dennree-Gründer Thomas Greim 2015 die Agrargenossenschaft Agrofarm 2000 mit rund 4.000 Hektar Betriebsfläche für 20 Millionen Euro übernommen und auf Bio umgestellt. Greim gehören neben dem Biogroßhandel Dennree auch mehr als 200 Bio-Supermärkte (Denns) in Deutschland und Österreich. Die Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Töpen im Landkreis Hof beschäftigt mehr als 4.600 Mitarbeiter und erzielte 2015 einen konsolidierten Nettoumsatz von 820 Millionen Euro.
Der Betrieb ist mitterweile einer größten Bio-Milchbetriebe Deutschlands und außerdem Mitglied im Ökoverband Bioland. Die AbL wirft Bioland vor, sich für die Agrarindustrie zu öffnen. Außerdem kritisiert der mitteldeutsche AbL-Vorsitzende Michael Grolm, dass ein Betrieb wie die Agrofarm Eichigt überhaupt Mitglied des größten deutschen Bioverbandes sein dürfe: „Das ist Verrat am Bioland-Prinzip“, so Grolm.
Nadine Adler, Naturschutzbeauftragte des Unternehmens hält dagegen: „Wir haben ungefähr genauso viel Kühe wie früher, aber dreimal so viel Stallfläche. Außerdem lassen wir die Rinder während der gesamten Weidesaison und wann immer es die Witterung zulässt auf die Weide.“ Michael Grolm erwidert, dass der dennree-Betrieb wegen seiner Größenvorteile letztlich Biolandprodukte billiger produzieren könne. „Das führt bei den bäuerlichen Betrieben dazu, dass sie rationalisieren müssen – oder dass sie aufgeben“, ist Grolm überzeugt.
Hinzu kommt: Dennree hat - wie andere Investoren auch - nur 94,74 Prozent der Gesellschafteranteile gekauft. Derartige „Share Deals“ haben zwei entscheidende Vorteile: Erstens spart der Käufer die Grunderwerbsteuer. Zweitens sind für solche Anteilsverkäufe keine Genehmigungen der Behörden nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nötig.
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