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Prognosen

Warum die meisten Prognosen falsch sind - und die Bauern sich ärgern

Unwetter.
am Donnerstag, 30.12.2021 - 13:22 (2 Kommentare)

Was wäre, wenn man die Getreidepreise oder die Ernte des nächsten Jahres ausrechnen könnte? Oder wer der nächste Landwirtschaftsminister wird?

zukunft.

Damit beschäftigen sich Mathematiker, Physiker, Ökonomen und auch Historiker schon lange. Bisher erfolglos. Doch es gibt auch Erfolge bei der Vorhersage der Zukunft, bei der man sich staunend die Augen reibt. So hat der Statistiker Nat Silver 2012 bei den Wahlen des US-Präsidenten auf seinem Blog FiveThirtyEight das Wahlergebnis in fünfzig von fünfzig Bundesstaaten exakt vorhergesagt.

Auch zuvor lag Silver schon öfters richtig: Etwa bei der Präsidentenwahl 2008. Auch das von ihm entwickelte System PECOTA zur Vorhersage von Baseball-Ergebnissen, ist offenbar sehr erfolgreich. Vielleicht könnt er ja auch die Getreidepreise, die Milchpreise oder die Schweinepreise für die nächsten Monate und Jahre ausrechnen.

Der Ökonom hat über das Ausrechnen der Zukunft sogar ein Buch geschrieben. Und er sagt, dass die meisten Menschen ziemlich daneben liegen, wenn es darum geht, dass vor uns Liegende richtig einzuschätzen und danach zu handeln. Silver versucht deshalb die Voraussetzungen für exakte Prognosen zu ergründen. Er ist überzeugt, dass eine große Bandbreite von Vorhersagen möglich ist – über Wirtschaft, Sport und Politik bis hin zu Erdbeben und dem Wetter.

Dabei versucht er die Eigenheiten des untersuchten Systems so genau wie möglich zu ergründen. Etwa ob es chaotisch auf zahlreiche Einflüsse reagiert (wie etwa die Getreidemärkte) oder nicht. Schließlich unterscheidet der Statistiker auch die Art der Prognose - etwa quantitativ oder qualitativ - und nutzt zahlreiche verschiedene Voraussagetechniken.

Kaffeesatzlesen in Daten oder Muster suchen?

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Aber auch der Ökonom und Statistiker Silver gibt zu: Es gibt kein Patentrezept für exakte Vorhersagen. Das zeigen viele Beispiele: Die Ökonomen erkannten die globale Finanzkrise nicht einmal dann, als diese bereits begonnen hatte. Das Problem dabei ist aber nicht der Mangel an Informationen, sondern dass die Leute die verfügbaren Daten nicht richtig "lesen". Nate Silver hatte seine Wahrscheinlichkeitsrechnungen zunächst auf Wahlprognosen angewendet.

Doch er untersucht auch alle anderen Probleme unserer Zeit: Die Finanzmärkte, Epidemien, Erdbeben und den Klimawandel. Und er hat zahlreiche bisherige Prognosen von Experten überprüft und versucht herauszufinden, warum diese so oft daneben lagen. Wichtig ist auf jeden Fall: Ein gutes Verständnis der Funktionsweise der zu untersuchenden Systeme sowie eine große Masse an Daten. Außerdem sagt Silver, muss man ständig aus seinen Fehlern lernen und diese korrigieren. Hört sich irgendwie menschlich an.

Der Statistiker sieht aber noch ein Problem: Nämlich, dass Menschen oft dort Muster sehen, wo gar keine sind und außerdem voreilige Schlüsse ziehen. Von großem Vorteil für viele Prognosen ist hingegen die in den letzten Jahren deutlich gewachsene Rechenleistung. Das hat in vielen Bereichen zu besseren Vorhersagen geführt – zum Beispiel beim (kurzfristigen) Wetter. Vielleicht auch beim Getreidebericht des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA).

Leider hilft stärkere Rechenleistung nicht bei der Vorhersage von Erdbeben und anderen Problemen, weil dort das Verständnis für die ablaufenden Phänomene nicht ausreicht, um ein gutes Modell zu entwickeln. Das gilt bisher wohl auch für die Preis- und Ernteprognosen an Agrarmärkten. Zu viele Faktoren – nicht zuletzt das langfristige Wetter, aber auch die Politik – beeinflussen dort die Entwicklung.  

Auch die Wirtschaftsprognosen der letzten Jahre haben eher nicht gepasst – leider – ganz zu schweigen von der Corona-Pandemie und deren Folgen.

Der Laplacesche Dämon - existiert nicht?

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Eigentlich ist die Idee, dass man die Zukunft exakt vorhersagen kann, schon etwas älter: Bekannt als der sogenannte Laplacesche Dämon. Das ist eine Idee des Mathematikers Pierre-Simon Laplace von 1814 und beschreibt eine Theorie, mit der das Berechnen der Zukunft möglich sein soll. Dabei vertrat Laplace die Auffassung, dass es möglich ist, den Impuls und den Ort jedes existierenden Moleküls zu jeder Zeit exakt zu bestimmen: Voraussetzung hierfür ist ein geschlossenes mathematisches Weltgleichungssystem.

Außerdem müssten sämtliche Naturgesetze bekannt sein. Dann könnte man die Zukunft vorhersagen. Leider wurde diese Annahme durch die Theorie der Quantenmechanik eigentlich widerlegt. Doch es gibt weiterhin viele Fans in allen Wissenschaftsbereichen – wie etwa Natan Silver - aber auch zahlreiche Gegner.

Auch der US-Evolutionsbiologe Peter Turchin hat versucht ein mathematisches Modell zu entwickeln, das erklären soll, wie politische Herrschaft entsteht und wieder zusammenbricht. Turchin geht dabei davon aus, dass Geschichte zyklisch verläuft. Der Wissenschaftler hat versucht diese Prozesse mit quantitativen Daten zu unterlegen und daraus sogenannte makrohistorische Regelmäßigkeiten abzuleiten. Sein Anspruch ist nicht weniger, als eine mathematische Theorie der Geschichte.

Sollten Turchins Theorien zutreffen, dann müssten diese Annahmen am Ende auch für alle anderen Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft gültig sein. Schaut man jedoch auf die Prognosen der letzten Jahre über Politik, Landwirtschaft, Wirtschaft und Gesellschaft – dann ist schwer vorstellbar, dass irgendetwas von den Dingen die passiert sind, vorher erkannt worden sind.

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