Die Wut vieler Landwirte über die Verschärfung der Düngeverordnung ist auch Tage nach der Entscheidung im Bundesrat groß. Das ist verständlich:
- Fachlich ist die Verordnung umstritten und für den Gewässerschutz trotz allem möglicherweise nutzlos. Das hat der Bundesrat selbst festgestellt.
- Das Messstellennetz ist alles andere als repräsentativ.
- Die Bundesregierung machte den Ländern im Stile eines Mafia-Paten „ein Angebot, das sie nicht ablehnen können“: Verordnung oder Bußgeld, das waren die Optionen.
- Die vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung zur strategischen Umweltprüfung wurde durch das vorgezogene Votum zur Schauveranstaltung.
Das sind gute Gründe, um aus der Haut zu fahren, zumal diese Verordnung die Betroffenen obendrein richtig Geld kosten wird. Darum tun die Bauernverbände gut daran, rechtliche Schritte zu prüfen bis hin zur Verfassungsbeschwerde.
Sabotage in der Krise ist schlicht unmoralisch
Eines aber ist sicher keine gute Idee: Die Corona-Krise durch einen Lieferboykott bei frischen Lebensmittelrohstoffen zur Erpressung der Gesellschaft missbrauchen zu wollen. Das wird in einigen WhatsApp-Gruppen derzeit diskutiert. Aus blinder Wut werden solche Vorschläge geboren. Aber sie sind alles andere durchdacht. Und sie sind unmoralisch.
Warum? Die Deutschen stecken gerade in einer Krise, wie es sie seit 1945 nicht mehr gab. Weltweit kostet das Corona-Virus Tausende Menschen ihr Leben. Hierzulande versucht ein Heer fleißiger, pflichtbewusster und mutiger Ärzte, Krankenschwestern, Kassiererinnen, Lkw-Fahrer und auch Landwirte, die Gesundheits- und Lebensmittelversorgung entgegen allen Widrigkeiten aufrechtzuerhalten.
Wenn in dieser Lage jemand glaubt, man sollte die Bedeutung der Landwirtschaft durch einen Produktionsstopp unterstreichen, ist er nicht ganz bei Trost. Erstens würde keine Regierung der Welt dabei zusehen. Innerhalb weniger Tage würden solche Betriebe unter Zwangsbewirtschaftung stehen. Zweitens wäre der Imageschaden für die deutsche Landwirtschaft kaum wiedergutzumachen. Danach noch darauf zu setzen, dass die Gesellschaft jemals wieder auf Interessen der Landwirte Rücksicht nehmen würde, wäre illusorisch – ganz zu Schweigen von einer finanziellen Unterstützung des Sektors.
Jetzt ist die Chance, die Botschaft anzubringen
Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Systemrelevanz der Landwirtschaft wird in diesen Tagen für jeden Bürger offensichtlich. Verbraucher stehen im Supermarkt vor leeren Regalen, die allermeisten erstmals im Leben. Sie stellen fest: Die Diskussion um Gender-Toiletten und Feinstaub verliert schnell an Reiz, wenn es zuvorderst darum geht, den Kühlschrank zu füllen. Diese Erkenntnis zum Positiven zu wenden, sodass Otto Normalverbraucher merkt, er braucht die Landwirtschaft zum Leben, das gilt es jetzt zu erreichen.
Dabei helfen keine Drohungen mit einem Lieferboykott, sondern eine fachlich fundierte, offene Kommunikation, die die Leistungen der deutschen Landwirtschaft erklärt. Diesen Ansatz gab es bisher schon, aber jetzt ist die Gelegenheit da, dass dabei auch jemand zuhört. Mancher Verbraucher wird dann vielleicht verstehen, dass es nicht wirklich eine gute Idee ist, in einem so von der Natur begünstigten Land per se weniger zu düngen, als für ein optimales Ertragsniveau angemessen ist.
Seien wir Trigema, nicht Adidas
Und eine weitere Chance steckt in dieser Krise: Wenn sich jetzt Arbeitssuchende anbieten, um auf den Höfen mit anzupacken, sollten sie nicht einfach deshalb nach Hause geschickt werden, weil sie noch nie einen Spargelstecher in der Hand hatten. Denn die Arbeitswilligen von heute, die auf einem Betrieb gute Erfahrungen sammeln, sind die Verteidiger einer modernen Landwirtschaft von morgen.
Also: Nutzen wir alle in der Branche die Krise als Chance, um zu zeigen, Landwirtschaft ist unverzichtbar als Nahrungsmittelproduzent. Aber machen wir nicht den Fehler, die Pandemie missbrauchen zu wollen. Oder anders gesagt: Seien wir Trigema, nicht Adidas.
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