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Investoren und Landwirtschaft

Agrarholdings kaufen freie Landwirtschaft auf – auch im Westen

ackerland.
am Donnerstag, 16.09.2021 - 13:10 (2 Kommentare)

Der Acker gehört oft nicht mehr den Bauern. Investoren kaufen riesige Flächen und auch Tierbestände. Nicht nur im Osten.

Holdings.

Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Auch das Agrarland und die Höfe gehören immer öfter nicht den Bauern, die sie bewirtschaften. Große außerlandwirtschaftliche Investoren kaufen sich riesige Unternehmungen zusammen – die so genannten Agrarholdings. Das Geld dafür stammt in der Regel nicht aus der Landwirtschaft sondern eben oft aus anderen Unternehmungen.

Über so genannten Share Deals erwerben diese Großeigentümer steuersparend immer neue Flächen und Betriebe und erreichen so Betriebsgrößen wie sie eigentlich nur in Russland oder den USA vorkommen. Gleichzeitig werden die ursprünglich als Ausgleichszahlungen gedachten Direktzahlungen und Subventionen kassiert – da kommt bei mehreren 1000 oder 10.000 Hektar Betriebsfläche schon einiges zusammen. Wer aber sind diese Investoren und neuen Eigentümer – die oft auch als Heuschrecken bezeichnet werden?

Die Namen der gerne im verborgenen agierenden Großeigentümer lesen sich wie das „Who's Who“ der Industrie und des Handels. Der bekannteste Fall war sicherlich die untergegangene KTG-Agrar. Das Unternehmen bewirtschaftete vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zeitweise bis 45.000 Hektar Land. Davon 20.000 Hektar Eigentum. Nach der Firmenpleite 2016 übernahm die neu gegründete Deutschen Agrar Holding (DAH) den Großteil der KTG-Flächen und bewirtschaftete sie weiter. Die DAH ist ein Tochterunternehmen der Gustav Zech Stiftung, mit Sitz in Bremen. Dahinter steckt eine Bau- und Beteiligungsfirma.

Auch der Versicherungskonzern MunichRe kaufte aus der Vermögensmasse von KTG Agrar Land und später weitere Betriebe. Große Investoren mit vielen Tausend Hektar sind auch das Pharma-Unternehmen Merkle, Remondis-Gründer Rethmann, Heiztechnik-Hersteller Martin Viessman, Möbelfabrikant und Mischkonzernbesitzer Steinhof, der Großindustrielle Silvio Dornier, der Einzelhändler Aldi und die Eigentümer des Logistik-Unternehmens Fiege - um nur einige zu nennen. Letztere haben zum Beispiel einen der größten Ökobetriebe zusammengekauft - von mehreren Tausend Hektar. „Wie groß diese Unternehmen wirklich sind, weiß niemand so genau“, sagt der ehemalige mecklenburgische Bauernpräsident Detlef Kurrek.

Im Osten sind die Holdings eine Macht - im Westen wächst der Einfluss

Holding.

Im Rahmen der Landwirtschaftszählung 2020 hat Destatis erstmals Daten zur Zugehörigkeit landwirtschaftlicher Betriebe zu Unternehmensgruppen bzw. zu außerlandwirtschaftlichen Investoren und Agrarholdings ermittelt. Von den insgesamt 262.800 landwirtschaftlichen Betrieben in der Landwirtschaftszählung 2020 waren knapp 4 Prozent oder 10.200 Betriebe juristische Person oder Personenhandelsgesellschaften. Von dieser Gruppe gehörten wiederum 3.700 Betriebe (36 Prozent) einer Unternehmensgruppe, sagt Destatis – oder anders gesagt einer Agrarholding.

Diese Unternehmen bewirtschafteten insgesamt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 1,84 Millionen Hektar – das sind mehr als 11 Prozent der gesamtdeutschen landwirtschaftlichen Flächen. Dabei konzentrieren sich diese Unternehmen ganz besonders auf den Osten. Dort bewirtschaften sie mittlerweile – je nach Bundesland - zwischen 19 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) und 37 Prozent!! (Thüringen) der Nutzfläche. Um diese hohen Flächenanteile noch einmal zu verdeutlichen: Je nach Bundesland bewirtschaften die Holdings zwischen 230.000 Hektar und knapp 300.000 Hektar.

Im Westen sind die Agrarholdings zwar (noch) nicht so stark wie im Osten – denn die Betriebsflächen sind meist kleiner und befinden sich zu einem deutlich größeren Teil im Eigentum der Bauern - aber auch dort sind die Holdings auf dem Vormarsch. Beispielsweise haben die Statistiker in Niedersachsen rund 182 „Unternehmensgruppen“ gefunden, denen Flächen gehören und die Landwirtschaft betreiben. Zwar verfügen diese Unternehmen nur über 3 Prozent der Nutzfläche des Landes – doch das sind bereits mehr als 70.000 Hektar.

Ähnlich hoch ist die Flächenanteil der Holdings in Schleswig-Holstein mit 3 Prozent der LN bzw. knapp 30.000 Hektar. Und auch in Bayern bewirtschaften rund 157 Großunternehmen knapp 50.000 Hektar – darunter vier die über mehr als 2000 Hektar verfügen, sagt die Statistik.

Auch in die Tierhaltung wird investiert - und nicht zu knapp

Anteil Tiere in Holdings.

Etwas unter dem Radar läuft noch ein anderer Bereich, in dem die Holdings ihre Marktmacht ausweiten: Das ist die Tierhaltung – im Osten vor allem die Milchproduktion. Das heißt: es werden nicht nur Flächen gekauft sondern es wird auch in Tierbestände investiert. In Zahlen: Nach den Daten von Destatis werden in Deutschland mittelweile fast 10 Prozent aller Tiere (in GV) von Agrarholdings gehalten. Auch hier ist dieser Anteil im Osten erheblich höher als im Westen oder im Norden und im Süden.

So haben die Statistiker herausgefunden, dass von den in den ostdeutschen Bundesländern gehaltenen Tieren zwischen 23 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) und 38 Prozent (in Thüringen) von Holdings gehalten werden. Der größte Teil dieser Tiere dürften Milchkühe sein.

In den westdeutschen Bundesländern halten die Holdings in den Hochburgen der Tierhaltung am meisten Tiere (wahrscheinlich vor allem Schweine)- nämlich in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern. In diesen Ländern liegt der Anteil an den Gesamtbeständen jedoch „nur“ zwischen 1,1 und 3,6 Prozent. In diesen Ländern ist die absolute Zahl der von Holdings gehaltenen Tiere – wegen der im Vergleich zum Osten deutlich größeren Gesamtbestände – jedoch weitaus höher ist als im Osten.

Das heißt konkret: In Niedersachsen halten die Holdings 3,6 Prozent  aller Tiere bzw. 2.931 Tausend GV. Im Osten halten die Großunternehmen – trotz der höheren Anteile am Gesamtbestand des Landes – nur zwischen 308 Tausend und 496 Tausend GV – und damit zusammen fast weniger Tiere als den Holdings allein in Niedersachsen gehören. Auch in den anderen oben genannten Ländern sind die von Holdings gehaltenen Bestände mit 941 bis 2.931 Tausend GV deutlich höher als in den ostdeutsch Ländern.

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