In seinem gestern (04.07.) veröffentlichten Sonderbericht untersuchte der Europäische Rechnungshof die Betrugsrisiken im größten Ausgabenposten des EU-Haushalts: der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Das Ergebnis der Prüfer ist für Landwirte, deren Einkommen zu einem wichtigen Teil von Agrarzahlungen abhängt, ernüchternd. Verschiedene Stolpersteine führen zu fehlerhaften Auszahlungsbeträgen und zum Anlocken schwarzer Schafe, die Lücken finden und unberechtigt Zuwendungen erhalten.
Im Zeitraum von 2018 bis 2020 überprüfte der Europäische Rechnungshof 698 GAP-Zahlungen und stelle in 101 Fällen Fehler fest. Davon hegte der Rechnungshof in 17 Fällen den Verdacht, dass die Fehler durch Betrug zustande gekommen sein könnten.
Für die Zeit von 2016 bis 2020 zählten nach Angaben des Rechnungshofs 0,09 Prozent der Gesamtsumme aller GAP-Zahlungen zu den Beträgen, die als betrügerisch gemeldet wurden. Diese Quote stuft der Rechnungshof als gering ein. Die Betrugsfälle bei den GAP-Zahlungen machten rund 11 Prozent der betrügerischen Beträge aller EU-Ausgaben aus, die die Mitgliedstaaten meldeten.
Fehlende Kontrolle in der GAP?
Der Rechnungshof weist auf Schwachstellen in den Kontrollsystemen der EU-Länder hin, die von Betrügern ausgenutzt werden können. So sei es Antragstellern möglich, wichtige Informationen zurückzuhalten beziehungsweise Fehlinformationen anzugeben.
In Polen habe beispielsweise ein Milchviehhalter 17.000 Euro erhalten, um Färsen aus anderen Beständen zu erwerben und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs zu erhöhen. Der Rechnungshof stellte fest, dass der Betriebsleiter seinem Vater Färsen abkaufte, die sich im selben Stall befanden. Zwei Tage zuvor habe der Betriebsleiter eine ähnliche Anzahl Färsen an seinen Vater verkauft, der ebenfalls eine erhalten habe. Ein physischer Transfer der Tiere habe nicht stattgefunden und die Gesamtzahl der Tiere im Stall habe sich nicht geändert.
Eine weitere wichtige Gefahrenquelle sei das Verschweigen von Verbindungen zu anderen Unternehmen. Beispielsweise habe eine Genossenschaft aus Litauen eine Investitionsförderung über 200.000 Euro erhalten. Laut Rechnungshof gehörte die Genossenschaft jedoch zu einem großen multinationalen Unternehmen und war deshalb nicht förderberechtigt.
Darüber hinaus werde zum Bespiel mit Förderungen für Junglandwirte betrogen, indem gefälschte Dokumente oder vorgetäuschte Aktivitäten zugrunde gelegt werden.
Direktzahlungen ohne landwirtschaftliche Tätigkeit
Neben der Vertuschung von Verstößen gegen die Förderbedingungen und der Komplexität der finanzierten Maßnahmen hebt der Europäische Rechnungshof die Landnahme, das sogenannte Landgrabbing, als Betrugsrisiko in der GAP hervor.
Beim Landgrabbing finde der Erwerb von Flächen sowohl auf legalem als auch auf illegalem Wege statt. Besonders anfällig für Betrugsfälle seien öffentliche oder private Flächen, bei denen die Eigentumsverhältnisse nicht klar sind. Zu beobachten seien hier Praktiken wie Urkundenfälschung, Zwang, politische Einflussnahme, die Nutzung von Insiderwissen, Manipulation von Verfahren oder Bestechungszahlungen. Das Ziel der Betrüger sei, Direktzahlungen zu erhalten, obwohl auf den Flächen keine Landwirtschaft betrieben wird.
Eine Prüfung durch die Kontrollstellen, ob Flächen wirklich landwirtschaftlich genutzt werden, falle besonders in Weide- und Berggebieten schwer. 2018 habe das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Frankreich festgestellt, dass mehrere Jahre lang Anträge für Parzellen in Berggebieten gestellt wurden, in denen es keine Wasserversorgung, Gehege oder Fütterungsanlagen gab. Auch seien lediglich steile Klippen vorgefunden und Anträge für Herden ermittelt worden, die nicht existierten. Das europäische Amt habe eine Wiedereinziehung von rund 536 000 Euro empfohlen.
Europäischer Rechnungshof: Technologien können bei Betrugsbekämpfung helfen
Die Prüfer des Europäischen Rechnungshofs sind der Ansicht, dass bestimmte vorbeugende Maßnahmen dabei helfen können, die Betrugsfälle bei der GAP einzuschränken. Im Sonderbericht wird zu einer besseren Überwachung der nationalen Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung, zu konkreteren Leitlinien und zum Einsatz neuer Technologien geraten. Satellitenaufnahmen, Fotoauswertungen, Data Mining und maschinelles Lernen könnten bei der Betrugsbekämpfung helfen, heißt es.
„Wir sind der Ansicht, dass die EU mehr tun sollte, um dem Betrugsrisiko bei den Agrarausgaben entgegenzuwirken“, sagt Nikolaos Milionis, der die Prüfung des Europäischen Rechnungshofs leitete. Milionis spricht sich dafür aus, die Betrugsbekämpfung zur neuen GAP-Förderperiode 2023-2027 auszubauen.
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