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Produktion und Förderung

Aufreger: 'Schizophrene Bauern'?

am Dienstag, 14.07.2015 - 14:20 (Jetzt kommentieren)

"Schizophren" sind die Bauern nach Ansicht des Ökonomen Prof. Thomas Roeb. Im Interview mit Bauer Willi stellt er die Sinnhaftigkeit der deutschen Landwirtschaft in Frage. Ansichten, die nachdenklich machen.

Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb, Ökonom von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, besuchte Bauer Willi auf dessen Hof und legte seine Thesen zur deutschen Landwirtschaft dar. Der Ökonom bezeichnet die deutschen Bauern als "schizophren". Im Interview mit Bauer Willi stellt Roeb, ehemaliger Bereichsleiter bei Aldi und heute beratend für Lebensmittelhandel und -industrie tätig, die Sinnhaftigkeit der landwirtschaftlichen Produktion in Frage: "Wir können unser Getreide doch auch in USA, Kanada, Russland oder der Ukraine kaufen."
 
Derartige Thesen provozieren oder stimmen doch zumindest nachdenklich, wenn sie aus dem Mund eines Hochschulprofessors kommen. Die Reaktionen im Netz ließen nicht lange auf sich warten.

Thesen sorgen für Unverständnis

"Wenn sich solche Leute heutzutage Prof. Dr. Dr. nennen dürfen und die nachfolgende Generation unterrichten - dann sag ich schon mal: Gute Nacht Deutschland", verschafft ein  Nutzer seinem Ärger Luft. "Betriebswirtschaftler sind das Ende jeder bäuerlichen Landwirtschaft. Hätte man bei Aldi bleiben sollen, der Mensch", heißt es weiter.
 
"Ich höre schon den Aufschrei der Tier- und Umweltschützer. Größere Betriebe? Noch mehr "Massentierhaltung"? Import von Lebensmitteln aus Ländern mit schlechteren Tier- Umweltschutzstandards? Will doch auch keiner", wendet eine weitere Leserin ein.
 
Die Nutzer sind teilweise auch von der scheinbaren Ahnungslosigkeit des Professors im Hinblick auf die aktuelle Landwirtschaft überrascht. So schreibt ein Leser in den Kommentaren bei Bauer Willi: "Dass Landwirte die Strukturen der 70ern und 80ern behalten möchten, ist schon eine merkwürdige Wahrnehmung. Genauso der Vorwurf, andere mussten sich stärker Veränderungen unterwerfen. Offensichtlich kennt Prof. Roeb das begrenzte Angebot an Flächen nicht. Interessant ist, dass Herr Roeb meint, man kann Lebensmittel weltweit kaufen. Glaubt man eigentlich, man kann in Europa die Produktion von Lebensmitteln aufgeben und sie zum Spottpreis beziehen?"

"Prof. Roeb spricht Ziele des Handels offen aus"

Die Kritik an den Thesen überwiegt. Wenngleich auch Stimmen zu finden sind, die in den Ausführungen von Prof. Roeb schlichtweg die Ziele des Handels wiedersehen: "Prof. Roeb spricht Sachen aus, welche die Verantwortlichen der Handelskonzerne nicht öffentlich nennen. Doch die globalen Strategien der Handelsriesen zeigen eindeutig, wohin die Reise geht: Gewinnmaximierung durch Globalisierung. [...] Doch der Handel weiss, dass die deutschen Bauern so einen Kampf niemals gewinnen können. Denn irgendwo auf der Welt gibt es ein Land und gibt es Unternehmen, die immer noch billiger produzieren können. Vor allem auch deshalb, weil sie niedrigere Umwelt- und Tierschutzsstandards haben als wir hier in Deutschland, wo eine immer mächtiger werdenden Ethik- und Moral-Diskussioen geführt wird", heißt es auf der Bauer Willi-Seite.

"Wer die Nahrungsmittel hat, hat das Sagen"

"Dieser Professor wird sich noch wundern, aber erst, wenn es wirklich keine Landwirte mehr gibt und auch die Importe von Lebensmitteln aus irgendeinem Grund nicht mehr funktionieren", schreibt ein User auf facebook zu dem Interview von Herrn Prof. Roeb.
 
"Ich kann Prof. Dr. Dr. Roeb nur insofern beistimmen, wenn die politischen Umstände seine Denke erlauben. Erdöl bekommen wir nur, weil USA in den Ölförderstaaten kräftig rummischt um ihre eigene Wirtschaft am laufen zu halten. Russland, Ukraine und die USA brauchen nur einen Präsidenten zu bekommen (siehe Putin) der der ganzen Welt sagt, wie rum sie sich zu drehen hat. China stellt sich auf kurz oder lang auf eigene "Ernährungsfüße". Wer die Nahrungsmittel hat, hat das Sagen. Auf eine ewig im fairen Handel bauende Welt zu vertrauen ist (man möge mir verzeihen), das mit Abstand unsinnigste Gedankenkonstrukt was ein Prof. Dr. Dr. aufbauen kann", lautet ein weiterer Einwand eines Bauer Willi-Lesers.
 
Ein weiterer Nutzer bilanziert nüchtern zu den Thesen des Professors: "Interessante, wie ich meine aber auch sehr nüchterne und kurzsichtige Sichtweise von außen auf die Landwirtschaft. Damit müssen wir fertig werden."

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