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Landwirtschaft und Kriminalität

Biobetrug in der Landwirtschaft: Was steckt dahinter? – Die Fakten

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am Montag, 13.09.2021 - 12:40 (1 Kommentar)

Immer wieder werden Fälle von Biobetrug in der Landwirtschaft bekannt. Täter sind Unternehmen und Landwirte aus dem In- und Ausland.

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Betroffen ist oft importierte Ware, aber auch Produkte, die vor Ort erzeugt werden - wie der aktuelle Fall eines Schweinemästers aus Mecklenburg-Vorpommern zeigt.

Die Europäische Kommission hat auch in der Vergangenheit bereits umfassende Kontrollen und Untersuchungen durchführt und zahlreiche Fälle aufgedeckt. Dort waren oftmals nicht nur einzelne Landwirte betroffen sondern es ging nicht selten um Betrug im ganz großen Stil. Die Schäden beliefen sich nicht selten auf viele Millionen Euro, wie etwa von Europol aufgedeckte Fälle aus Italien und Spanien zeigen.

An dieser Stelle wird auch der Hauptgrund für die immer wieder auftretenden Betrugsfälle erkennbar: Nämlich die sehr hohen Margen, die bei einer „Umetikettierung“ von konventionellen Produkten in Bioprodukte möglich sind – oftmals sind die Preise mehr als doppelt so hoch  – wie etwa bei Bioschweinen. Gleichzeitig sind die Kontrollen schwierig, vor allem bei Importware.

Mit der neuen Bioverordnung ab 2022 hat die Kommission deshalb die Kontroll-Mechanismen noch einmal verschärft.

Bioware aus China und Kasachstan – mit EU-Biosiegel

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Interpol und Europol haben in der Vergangenheit verschiedene Fälle von Lebensmittelbetrug im Rahmen der Operation „Opson“ aufgedeckt. Dabei ging es auch um Biolebensmittel. In der Regel werden deutlich günstiger erzeugte konventionelle Produkte als teure Bioprodukte verkauft. Die Kunden saßen laut Europol meist in Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Dänemark.

Gefälschte Produkte waren unter anderem Pflanzenöle, Obst und Gemüse, Getreide, Sojabohnen, Beeren und auch Biofleisch. Die Ermittler waren unter anderem auf gefälschte Dokumente, manipulierte oder unvollständige Prüfberichte, den Einsatz von im Ökolandbau verbotenen Substanzen, mangelnde Rückverfolgbarkeit der Produkte und falsche Zertifizierung von Betrieben gestoßen.

Ein Problem ist dabei offenbar die Herkunft der Produkte: Dabei geht es beileibe nicht nur um falsch deklarierte Bioware aus Spanien und Italien. Gerade die Kontrolle von weit entfernt erzeugten Produkten ist schwierig: Dazu zählen etwa  Bio-Äpfel aus Argentinien, Getreide aus Kasachstan, Olivenöl aus Tunesien, Hülsenfrüchte aus China und vieles mehr.

Da fragt sich manch Landwirt und Verbraucher: Warum kommen so viele Bio-Produkte von so weit her – und tragen dann auch noch das EU-Biosiegel? Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelkennzeichnung von Foodwatch sagte dazu gegenüber der ARD: "Das ist teilweise einfach, weil es eine hohe Nachfrage gibt und der Bedarf nicht zu jeder Jahreszeit gedeckt wird."

Kontrollen sind schwierig – Betrugs-Margen sind hoch

Das EU-Biosiegel soll eigentlich die Sicherheit bzw. die europäischen Standards der Produkte garantieren. Wenn die Produkte das EU-Biosiegel tragen erfüllen sie normalerweise die Voraussetzungen der europäischen Öko-Verordnung 834/2007. Es gibt allerdings einen Haken bei der Sache, sagt Huizinga: Die Kontrollbetriebe stehen in finanzieller Abhängigkeit zu den Produzenten. "Der Produzent vor Ort kann sich aussuchen, welche Öko-Kontrollstelle oder wer genau ihn kontrolliert." Das könne zu einer höheren Betrugsrate führen.

"Der Unterschied im Preis von konventionellen Produkten und ökologischen Produkten ist sehr groß und deswegen ist es attraktiv für Betrüger, in diesem Segment Sachen unterzujubeln, die eigentlich gar keine Bio-Produkte sind." Ein Bericht der EU-Kommission, listet reihenweise "Unregelmäßigkeiten" bei importierten Bio-Produkten auf, berichtete die ARD.

Die verdächtigen Vorfälle haben sich demnach in den vergangenen Jahren mehr als verdreifacht, sagt die Kommission. Um das zu verhindern müssen auch die privaten Ökokontrollstellen überprüft werden - auch im Ausland. Die Kontrollstellen überwachen Produzenten in allen möglichen Ländern, doch offensichtlich gelingt das nicht immer.

So war etwa in Italien vor einigen Jahren das Unternehmen Top-Agri aufgeflogen, dass über viele Jahre Biobetrug im ganz großen Stil durchführte. Top-Agri hatte Pflanzenöle, Ersatznahrungsmittel auf der Basis von Soja, glutenfreie Mehle, Saatgut und Leguminosen für Backwaren und Tierfuttermischungen hergestellt. Allein in Italien hatte das Unternehmen rund 1.000 ha bewirtschaftet und weitere 10.000 ha in anderen EU-Ländern, vor allem in Rumänien. Die als Bioprodukte verkauften Produkte wurden konventionell erzeugt, und dann mit Bio Erzeugnissen vermischt und am Ende als Bio verkauft.

Ökonomischer Druck auf die Bauern

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Auf die heimischen Biobauern nimmt der ökonomische Druck zu. Ähnlich wie ihre konventionellen Kollegen müssen sie immer größer und effizienter werden, um sich am Markt zu behaupten. Dabei können die heimischen Betriebe die sehr stark wachsende inländische Nachfrage oft nicht decken. Also sind Importe nötig, um den Markt zu versorgen.

Dabei geht es eben nicht nur um Obst und Gemüse, sondern auch um Getreide, Milchprodukte oder Fleisch. Das führt unter anderem dazu, dass Bio-Getreide aus Osteuropa; Russland und Kasachstan importiert wird, dass zu Bedingungen erzeugt wurde, die sich erheblich schwieriger kontrollieren lassen, als hier vor Ort in Deutschland. Die Kommission versucht deshalb mit einer EU-weiten Datenbank die Herkunft von Bioware leichter nachzuverfolgen.

Außerdem überprüfe man jedes Jahr die Kontrollstellen, die die Produkte zertifizieren. Und es gibt zusätzliche Kontrollen für Importe aus bestimmten Risikostaaten. Aber: All das konnte die zahlreichen Fälle nicht verhindern. Ein Grund ist auch die Schnell-Umstellung vieler Betriebe in anderen Ländern für den Biomarkt, sagen Insider. Vor allem seit Discounter und Supermärkte immer mehr Bio-Produkte anbieten, wird auch mehr Nachschub gebraucht. Und der kommt eben oft aus dem Ausland.

Auch wenn die Preise für einige Produkte wegen des wachsenden Angebots im LEH zurückgehen: In den meisten Fällen ist die vorhandene große Preisdifferenz zwischen konventionell und bio wohl weiterhin ein großer Anreiz für Betrug.

Kommentar

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