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Arbeit, Einkommen und gesellschaftliche Teilhabe

Bürgergeld belohnt die Nicht-Arbeit – Missachtung der Arbeitenden?

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am Montag, 21.08.2023 - 16:54 (4 Kommentare)

Seit Juli können Bürgergeld-Bezieher einen größeren Teil des Einkommens behalten, wenn sie arbeiten. Das Bürgergeld sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt arbeiten, sagen Kritiker. Wir belohnen die Nicht-Arbeit, sagt die IHK Magdeburg.

Geld geben.

Wer bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat seit dem 1. Januar 2023 einen Anspruch auf Bürgergeld.

 „Das Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitsuchende) ist eine Leistung des Sozialstaats zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Es sichert die Existenz für diejenigen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können“, sagt das Bundesministerium für Arbeit. 

Ab Juli 2023 trat der zweite Teil der Bürgergeldreform in Kraft. Wer Bürgergeld bekommt und arbeitet, kann ab dem 1. Juli 2023 einen größeren Teil des Einkommens behalten. Um einen größeren Anreiz zum Arbeiten zu schaffen, werden die Freibeträge erhöht.

Grenzen zur regulären Arbeit verschwimmen

Bei einem Einkommen zwischen 520 und 1000 Euro darf man dann 30 Prozent des Einkommens behalten. Doch schon vor der Einführung des Bürgergelds gab es auch zahlreiche kritische Stimmen: 

Der Handwerksverband sieht im Bürgergeld-Konzept der Bundesregierung falsche Anreize für Geringverdiener. 

Es sorgt für Demotivation bei denjenigen, die mit einem geringen Gehalt regulär arbeiten. Am unteren Ende verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen regulärer Arbeit und dem Bürgergeld“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, der „Rheinischen Post“, bereits im vorigen Jahr.

Leistung lohnt sich nicht

Bürgergeld.

Auch aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg ist es für Erwerbsfähige unattraktiv, aus der Arbeitslosigkeit in die Arbeitswelt zu wechseln. Vizepräsident Ralf Luther sagte dem MDR Sachsen-Anhalt, die Differenz zwischen staatlichen Leistungen und den Aussichten im Niedriglohn-Bereich biete zu wenig Anreiz.

 „Es ist in meinen Augen eine Missachtung der Arbeitenden“, so Luther. Er plädierte dafür, Wege zu finden, diese Erwerbsfähigen zur Arbeit zu überzeugen. Ausgenommen davon seien Einzelfälle, in denen Menschen nicht arbeiten könnten. 

„Da läuft schief, dass wir die Grundthese ‚Leistung lohnt sich‘ nicht konsequent umsetzen“, erklärte Luther im MDR-Gespräch. Stattdessen werde Nicht-Arbeit belohnt. 

„Die Wirtschaft hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das Bürgergeld eventuell dazu führt, sich noch mehr von der Arbeit zurückzuziehen.“ Das zeige, dass man auf dem falschen Weg sei.

Warum noch arbeiten gehen?

Viele Menschen fragten sich, warum sie morgens um 7 Uhr schon arbeiten sollten, wenn Bürgergeld-Bezieher fast das Gleiche bekämen, hatte Handwerkspräsident Wollseifer gesagt.

 Und weiter: „Die Verbesserungen für die Bezieher beim Schonvermögen, der Wegfall von Sanktionen, die deutliche Anhebung des Regelsatzes, die komplette Übernahme der stark gestiegenen Heizkosten – all das wird dazu führen, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.“

 Größtes Hemmnis bei der Vermittlung in einen Job war laut Jobcenter Magdeburg die Ausbildung. Nur jeder zweite der Erwerbsfähigen hatte einen Berufs-Abschluss. Häufig fehlten auch passende, eher einfache Jobs. Ebenso standen nach Aussage des Jobcenters Arbeitszeit-Regelungen und Gehaltsvorstellungen dem Wechsel in die Arbeitswelt entgegen. 

Nicht zuletzt äußerten Erwerbslose der Agentur gegenüber auch finanzielle Sorgen, wenn staatliche Unterstützung und weitere Vergünstigungen wegfallen.

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