Diese Ansicht vertritt der renommierte Agrarrechtsexperte Prof. Roland Norer von der Universität Luzern in der Schweiz. Norer hat bereits in mehreren juristischen Fachbeiträgen auf diese Problematik verwiesen.
Kritische Agrarjuristen sehen sich durch die - vergangene Woche in dieser Angelegenheit veröffentlichten - Schlussanträge der EuGH-Generalanwältin bestätigt. Sie gesteht der EU-Kommission durchaus das Recht zu, für Transparenz bei den Agrarförderungen zu sorgen. Der damit verbundene Eingriff in den Datenschutz beziehungsweise in die Privatsphäre sei aber unverhältnismäßig hoch, argumentiert die Generalanwältin und fordert eine andere Art der Veröffentlichung. Die Wahrscheinlichkeit, dass der EuGH dieser Rechtsansicht folgt, sei gegeben, so Norer.
Hessischer Landwirt hat gegen Veröffentlichung geklagt
Ein hessischer Landwirt hatte gegen die Veröffentlichung seiner Daten als Förder-Empfänger geklagt und sich dabei auf die Verletzung der Privatsphäre beziehungsweise des Datenschutzes berufen. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden prüfte die Sachlage und kam zu folgender Entscheidung: Die Veröffentlichung der einzelbetrieblichen Förderungen sei nicht zwingend notwendig und verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht der EU. Ende Februar 2009 setzte das Gericht das Klageverfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof die entsprechenden Vorschriften zur Überprüfung vor. Vergangene Woche (am 17. Juni) hat die EuGH-Generalanwältin ihren Schlussantrag vorgelegt. Darin wird im Wesentlichen dem Wiesbadener Urteil Recht gegeben.
Eingriff in geschütztes Recht
"Letztlich geht es um die Frage, ob mit der derzeitigen EU-Regelung ein richtiger Ausgleich zwischen dem Recht auf Zugang zu Informationen im Interesse der Transparenz und dem Recht auf Schutz der Privatsphäre und von personenbezogenen Daten gefunden wurde. Nach Ansicht der Generalanwältin des EuGH ist diese Frage eindeutig zu verneinen. Es liegt ein Eingriff in geschütztes Recht vor und dieser Eingriff wird als unverhältnismäßig beurteilt ", erläutert Norer. Für die Generalanwältin habe die Europäische Kommission nicht glaubhaft machen können, "weshalb es erforderlich sein soll, die personenbezogenen Einzelheiten von Millionen von Menschen in nicht zusammengefasster Form im Internet zu veröffentlichen ".
"Bezüglich dem Argument, dass der Beihilfenempfänger durch Unterzeichnen einer entsprechenden Information auf den Anträgen der Veröffentlichung seiner Daten zugestimmt hätte, weist die Generalanwältin auf den wirtschaftlichen Druck hin und darauf, dass es keinen alternativen Anbieter von GAP-Zahlungen gibt ", so Norer. Er selbst sehe das genau so und habe darauf in seinen Beiträgen bereits hingewiesen.
Andere Vorgehensweise bei Veröffentlichung gefordert
"Eine Veröffentlichung von Förderdaten wird ja nicht grundsätzlich ausgeschlossen, nur die gewählte Art (Namen, Gemeinde, Postleitzahl) stößt auf Kritik. Die Generalanwältin plädiert für eine andere Vorgehensweise, wie etwa die Offenlegung erst ab einer bestimmten Höhe oder durch anonymisierte und zusammengefasste Daten, weil dies die Privatsphäre weniger beeinträchtigt und gleichzeitig besser geeignet wäre, um die angestrebten Transparenz-Ziele zu erreichen ", betont der Experte.
Bedenken von Generalanwältin bestätigt
Die wiederholt von der Verwaltung und auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur geäußerten Bedenken gegen die Offenlegung seien in den Schlussanträgen der Generalanwältin im Wesentlichen bestätigt worden. Er habe den Eindruck, dass ursprünglich kritische Staaten wie Deutschland und Österreich, die im politischen Prozess ihre Vorbehalte letztlich aufgegeben hatten, nunmehr im Nachhinein unterstützt werden. "Egal wie der EuGH letztlich entscheiden wird, das Wiesbadener Urteil und die jetzigen Schlussanträge zeigen, wie juristisch umstritten die Veröffentlichung von EU-Agrarbeihilfeempfängern in individualisierter Form ist ", so Norer.
Transparenzbestimmungen könnten ganz oder teilweise gekippt werden
Folge der EuGH dem Schlussantrag der Generalanwälte - was in 75 Prozent der Fälle passiere - so würden alle von den EU-Mitgliedstaaten ergriffenen Veröffentlichungs-Maßnahmen ihre rechtliche Grundlage verlieren und wären sofort einzustellen. "Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Urteil des EuGH letztlich dazu führen könnte, dass nicht die ganzen Transparenzbestimmungen gekippt werden, aber gewisse Nachbesserungen hinsichtlich der Art der Veröffentlichung erfolgen. Wünschen würde ich mir, dass den - berechtigten und nunmehr bestätigten - datenschutzrechtlichen Bedenken endlich Gehör geschenkt wird. Die Sozialkontrolle durch jedermann kann nicht im Sinne einer seriösen Durchführung von Agrarförderungen sein ", unterstreicht Norer. Auf das in mehreren Monaten zu erwartende Urteile dürfe man jedenfalls gespannt sein. (aiz)
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