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EZB-Zinsschock: Investitionen und Kredite für Landwirte immer teurer

Euro-Schein in Weizenähren
am Montag, 18.09.2023 - 16:03 (1 Kommentar)

Die zehnte Leitzinserhöhung in Folge schlägt auf Unternehmenskredite voll durch. Die Investitionen gehen zurück.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde

Nie zuvor sind die Zinsen im Euro-Raum so schnell in die Höhe geschossen wie seit dem vergangenen Jahr. Mit der erneuten Anhebung der Leitzinssätze in der vorigen Woche hat die Europäische Zentralbank (EZB) das Zinsniveau – ausgehend von 0 Prozent im Juli 2022 – in zehn Schritten auf nunmehr 4 Prozent für die Einlagefazilität und 4,5 Prozent für Hauptrefinanzierungsgeschäfte geschraubt. 

Landwirte bekommen den steilen Anstieg der Zinskurve zu spüren. Einerseits werden Einlagen endlich wieder nennenswert verzinst. Einige Banken bieten 4 Prozent für Tagesgeldkonten. Andererseits haben sich fremdfinanzierte Investitionen somit innerhalb weniger Monate erheblich verteuert.

Geldpolitische Beschlüsse verteuern das Fremdkapital

Nach EZB-Angaben sind die durchschnittlichen Zinsen im Euro-Raum für Unternehmens- und Immobilienkredite im Juli weiter auf 4,9 Prozent beziehungsweise 3,8 Prozent gestiegen. Die jüngsten geldpolitischen Beschlüsse aus Frankfurt dürften eine weitere Verteuerung auslösen. 

Die Landwirtschaftliche Rentenbank verlangt für Förderkredite der Sparte LR-Top mit 10 Jahren Laufzeit und 10 Jahren Zinsbindung derzeit 4,01 Prozent effektiv (Stand: 18.9.2023). Die LR-Top-Konditionen gelten beispielsweise für das Investitionsprogramm Landwirtschaft des Bundes und für Wachstumskredite von Junglandwirten.

Die Investitionsbereitschaft der Landwirte geht zurück

Die Zinserhöhungen durch den EZB-Rat zeigen starke Wirkung. Die Kreditentwicklung hat sich weiter abgeschwächt. Wie die EZB mitteilte, wuchs die Kreditvergabe an Unternehmen im Juli nur noch um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während das Plus im Juni noch bei 3 Prozent gelegen hatte. Die Kreditvergabe an private Haushalte verzeichnete in den vergangenen drei Monaten sogar den stärksten Rückgang seit Einführung des Euro. 

Die Landwirtschaftliche Rentenbank hatte im ersten Halbjahr 2023 in der Sparte „Landwirtschaft“ bereits einen Rückgang der Nachfrage nach ihren Förderdarlehen um mehr als ein Viertel auf nur noch 801 Millionen Euro verzeichnet. „Unsicherheiten über die künftigen politischen Rahmenbedingungen, deutlich gestiegene Zinsen und volatile Märkte wirken sich offenbar zunehmend auf die Investitionsbereitschaft in der Landwirtschaft aus“, hatte Rentenbank-Vorstandschefin Nikola Steinbock bei der Vorlage der Halbjahreszahlen Anfang August bilanziert.

EZB-Rat reduziert die Wachstumsprognose für den Euro-Raum

Die Europäische Zentralbank geht davon aus, dass ihre straffe Geldpolitik die Nachfrage nach Finanzierungen weiter dämpfen wird. Darum haben die EZB-Ökonomen ihre Prognose zum Wirtschaftswachstum im Euro-Raum erheblich gesenkt. Sie erwarten für die Wirtschaft des Euro-Raums im laufenden Jahr nun noch ein Wachstum von 0,7 Prozent, von 1,0 Prozent im kommenden und 1,5 Prozent im Jahr 2025. Der EZB-Rat hält das erreichte Zinsniveau jedoch für notwendig, um zeitnah wieder zum Inflationsziel von 2 Prozent zurückzukehren.

Nahrungsmittelpreise bleiben ein Inflationsrisiko

Derzeit ist die Inflationsrate von der Zielmarke noch weit entfernt. Für das Euro-Währungsgebiet schätzen die Experten der EZB die durchschnittliche Inflation im September auf 5,6 Prozent. Für das kommende Jahr erwarten die Banker eine durchschnittliche Teuerungsrate von 3,2 Prozent. Erst 2025 käme die EZB ihrem Inflationsziel mit einer voraussichtlichen Geldentwertung von 2,1 Prozent nahe. 

Das Inflationsrisiko geht für die Zentralbanker vor allem von den Preisen für Energie und Nahrungsmittel aus. So hat sich die Teuerung bei Nahrungsmitteln zuletzt gegenüber dem Höchststand von März zwar verringert, belief sich im August aber immer noch auf fast 10 Prozent. Widrige Witterungsverhältnisse und der Klimawandel könnten nach Einschätzung der EZB-Experten zu einem stärkeren Anstieg der Nahrungsmittelpreise führen als erwartet.

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