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Bedingungsloses Grundeinkommen

Geld fürs Nichtstun – Grundeinkommen – Was sagen Landwirte?

Landwirtin
am Dienstag, 05.07.2022 - 12:35 (31 Kommentare)

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Thema in Krisenzeiten. Auch Landwirten könnte es ökonomische Erleichterung verschaffen. Doch es wird wohl nicht funktionieren – und ist erst recht nicht finanzierbar. Das sagt zumindest der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums in einem Gutachten von 2021.

Einkommen verschiedener Berufsgruppen

Seit vielen Jahren streiten die Akteure in Deutschland über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Befürworter wollen allen Menschen jeden Monat einen festen Betrag auszahlen. Das Geld soll an keinerlei Bedingungen geknüpft werden. Jeder könnte damit machen, was er wollte. Daran entzünden sich heftige politische und ökonomische Diskussionen. Auch aus der Landwirtschaft gibt es zahlreiche Unterstützer – vor allem aus der Biolandwirtschaft.

Doch so wie gedacht, scheitert das bedingungslose Grundeinkommen - am Geld. Es ist nicht finanzierbar. Manchmal sägen sogar die Menschen selbst die Idee ab. In der Schweiz etwa hat es 2016 darüber sogar eine Volksabstimmung gegeben. Dort haben dreiviertel mit „Nein“ gestimmt. In der Schweiz ist es damit erst einmal vom Tisch.

Dennoch ploppt die Idee in Krisenzeiten immer wieder auf. Ungefähr so regelmäßig wie das Ungeheuer von Loch Ness, sagt Frederic Schwidlen in der "Welt". In Deutschland testet der Verein „Mein Grundeinkommen“ seit 2014, wie sich das BGE auf das Verhalten der Zahlungsempfänger auswirkt. 2021 hat man zudem ein Pilotprojekt gestartet, in dem 122 Menschen drei Jahre lang jeden Monat 1.200 Euro ausgezahlt bekommen.

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums hat im Juli 2021 ein ausführliches Gutachten zum BGE veröffentlicht.

Geld gegen Leistung

Im Übrigen erhalten Landwirte schon so etwas wie ein Grundeinkommen – nämlich die Direktzahlungen aus Brüssel. Dieses Geld ist jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Das war im Übrigen auch in Schweiz ein Thema in der öffentlichen Diskussion. Dort bekommen die Bauern einen so genannten Betriebsbeitrag, von umgerechnet immerhin 6000 Franken pro Hof und Monat, schreibt die schweizerische Zeitung „Blick an Abend“.

Doch bei diesen Zahlungen geht es um Zuschüsse zur Aufrechterhaltung und Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion. Und dieses Geld ist eben an zahlreiche Bedingungen geknüpft. Und es hat auch damit zu tun, dass das landwirtschaftliche Einkommen aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte eben nicht zur Sicherung der Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe ausreicht. 

In Deutschland bestand das Einkommen der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe zuletzt bereits zu 42 Prozent aus Zahlungen aus Brüssel – im Biolandbau lag dieser Anteil sogar bei 72 Prozent und im Nebenerwerb war es noch mehr.

Arbeit lieber fair entlohnen

einkommen.

Was also könnte ein bedingungsloses Grundeinkommen speziell für Landwirte bringen? Henrik Maaß ist ein junger Landwirt aus Süddeutschland. Er hat 2018 für ein Jahr lang ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. Er sagt: „Ein BGE rettet nicht die Welt, aber versetzt die Menschen in die Lage, über den eigenen Tellerrand zu denken und sich nachhaltiger zu verhalten. Grundsätzlich nimmt ein BGE den Menschen die Existenzangst und eröffnet Freiräume“, ist Maaß überzeugt.

Das landwirtschaftliche Einkommen eines Betriebes besteht heute aus den Erlösen für die verkauften Produkte und aus den Direktzahlungen für Leistungen, die an bestimmte, zunehmend ökologisch definierte Bedingungen geknüpft sind. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen könnte eine dritte Säule das Gesamteinkommen der Bauern aufbessern. Diese wäre unabhängig von der ökonomischen und sozialen Situation des Betriebes.

Die Bauernproteste der letzten beiden Jahre haben jedoch eines deutlich gezeigt: Die meisten Landwirte wünschen sich nicht noch mehr an Auflagen geknüpfte Zahlungen aus Brüssel. Sie wollen vielmehr auskömmliche Preise für ihre Produkte und ihre Arbeit und so eher ein Einkommen ganz ohne Zuschüsse jeder Art – seien sie nun an Bedingungen geknüpft oder nicht.

Möglicherweise geht es den allermeisten anderen Menschen ähnlich. Doch die Realität ist eben eine andere. Ohne Direktzahlungen müssten viele Betriebe ihre Produktion einstellen und könnten ihre Familien nicht ernähren.

Das ist auch der Grund, warum auch immer mehr Landwirte im Haupterwerb ein zusätzliches Einkommen aus nichtlandwirtschaftlichen Tätigkeiten erwirtschaften müssen.Dazu gehören neben der Gewinnung von Bioenergie, auch der Bauernwald (Holz), der Betrieb von Hofläden und Ferienwohnungen und vieles mehr. Dieses Phänomen bestätigt jedenfalls die aktuelle Landwirtschaftszählung eindrucksvoll. Das heißt für die Bauern, sie müssen eigentlich mehr arbeiten und nicht weniger, um ihre Familien zu ernähren.

Frauen würden aber besser entlohnt

Die Befürworter des BGE in der Schweiz argumentierten indessen, dass die Zahlungen des BGE vor allem für kleine Höfe und Bauern im Nebenerwerb von Vorteil wären. Außerdem würde man so das generelle Höfesterben (bzw. den Strukturwandel) möglicherweise verlangsamen. Nach dieser Vorstellung könnten dann mehr kleine Betriebe mit handarbeitsintensiver Nischenproduktion überleben, wenn die Gesellschaft das überhaupt will. 

In benachteiligten Gebieten könnten sich zudem bessere Perspektiven ergeben, nicht nur für Bauernhöfe, sondern auch für kleine Dorfläden, Molkereien, Bäckereien und die gesamte übrige Infrastruktur. Die Abwanderung könnte so gebremst werden, war ein wichtiges Argument der BGE-Befürworter in der Schweiz. Und noch eine interessante Frage wurde in der Schweiz gestellt: Würden bei einem bedingungslosen Grundeinkommen denn überhaupt noch genug Lebensmittel produziert?

Dazu gehört auch die Frage: Wer würde dann überhaupt noch arbeiten? Hier müsste man erst einmal auf die Zahlen schauen. Bei 1.000 oder 1.200 Euro pro Person zusätzlich im Monat, wäre der Anreiz weniger zu arbeiten bzw. die Produktion zu drosseln wohl nicht so riesig. Insbesondere mitarbeitende Familienarbeitskräfte, das wären vor allem Frauen, würden durch das BGE allerdings besser (oder überhaupt erst einmal) entlohnt.

Die anderen würden nicht arbeiten

Doch sicher ist das nicht. Das Wirtschaftsmagazin Brand 1 hat schon 2009 die Frage gestellt: Wer würde bei einem BGE noch arbeiten? Danach sagten 90 Prozent der Befragten, sie würden wahrscheinlich weiterarbeiten. Doch nun kommt das Problem: Gleichzeitig glaubten nämlich 80 Prozent, „die anderen“ würden aufhören zu arbeiten. Und das entspricht im Grunde auch den Erkenntnissen der Ökonomen (siehe unten).

Einer der ideellen Begründer des BGE war der konservative Ökonom Milton Friedman. Er schlug zur Finanzierung eine Einkommensteuer vor, die allen Bürgern ohne Einkommen einen staatlichen Zuschuss gewährt, der dann mit steigendem Einkommen abgeschmolzen würde. Allerdings bestimmt sich bei Friedmann die Mindestsicherung nicht anhand eines gesellschaftlich akzeptierten Existenzminimums, sondern durch eine Höhe, die die Steuerzahler freiwillig zu zahlen bereit wären.

Diese Zahlungen müssten zudem sämtliche staatlichen Transferleistungen ersetzten. So ist das heute BGE von den Befürwortern aber mit Sicherheit nicht gemeint.

Bruch von Konventionen

Das Hauptproblem, dass sich bei vielen Befürwortern des BGE ergibt, ist aber die nicht zu Ende gedachte Finanzierung. „Ein wichtiger Kritikpunkt ist zudem die fundamentale Abkehr des BGE vom Gedanken der Subsidiarität und des gesellschaftlich bislang akzeptierten Prinzips des Gebens und Nehmens, schreibt der Wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums in seinem Gutachten. „Niemand würde mehr dazu angehalten, zunächst für sich selbst zu sorgen und dann im Gegenzug einen Beitrag für die Gesellschaft und für erhaltene Zuwendungen zu leisten“, heißt es dort.

Die Simulationsrechnungen des wiss. Beirates zeigen eines deutlich: Bereits die Einführung eines partiellen BGE würde zu weitreichenden negativen Arbeitsangebotsreaktionen führen. Weitere Auswirkungen wären die Abschaffung des steuerlichen Grundfreibetrags und die Erhöhung der Einkommensteuer um zwölf Prozentpunkte. Ein noch umfassenderes und existenzsicherndes BGE ist danach überhaupt nicht mehr aufkommensneutral zu finanzieren, sagen die Wissenschaftler.

Das Resultat wären substantielle Steuererhöhungen und eine massive Auswanderung vieler Leistungsträger. Damit würde sich die die Finanzierbarkeit noch weiter erschweren. Fazit der Wissenschaftler ist: „In einer offenen Gesellschaft ist ein individuelles, bedingungsloses und in seiner Höhe existenzsicherndes BGE nicht umsetzbar“.

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