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Arbeit, Einkommen und gesellschaftliche Teilhabe

Grundeinkommen: Kein Anreiz zur Arbeit - und massive Steuererhöhungen

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am Freitag, 14.07.2023 - 10:45 (7 Kommentare)

Das bedingungslose Grundeinkommen spaltet die Gesellschaft. Befürworter und Gegner haben sehr unterschiedliche Ansichten über die Bedeutung von Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe. Das Volksbegehren „Hamburg soll Grundeinkommen testen“ wurde diese Woche vom hamburgischen Verfassungsgericht abgelehnt. Damit gab das Gericht einem Antrag des Senats statt, das Volksbegehren zu untersagen. Doch vom Tisch ist die Sache noch lange nicht.

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Nach Auffassung des Verfassungsgerichts ist der Vorschlag der Initiative nicht klar genug gefasst. Danach wäre es den Abstimmenden nicht ausreichend möglich, die Folgen des Vorhabens abzuschätzen. Die Entscheidung des Gerichts sei einstimmig gefallen, sagte Gerichtspräsidentin Birgit Voßkühler. 

Seit vielen Jahren wird immer wieder die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) in Deutschland diskutiert. Allen Bürgern soll ein fester monatlicher Betrag ausbezahlt werden, ohne die Auszahlung dabei an Bedingungen zu knüpfen. Dieser Betrag soll unter anderem das Arbeitslosengeld I und II, das Sozialgeld, das Kindergeld sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ersetzen und damit eine radikale Vereinfachung und Entbürokratisierung der sozialen Absicherung ermöglichen. 

Da es sich um eine allen Bürgern zustehende Leistung handelt, würde das nach der Logik der Befürworter zugleich die Stigmatisierung der Sozialtransferempfänger beseitigen oder zumindest abmildern, sagt der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen in einem Gutachten. 

Gleichzeitig steht das BGE für eine fundamentale Abkehr vom Gedanken der Subsidiarität und des Prinzips des Gebens und Nehmens. Niemand wird mehr dazu angehalten, zunächst für sich selbst zu sorgen und im Gegenzug einen Beitrag für die Gesellschaft für erhaltene Zuwendungen zu leisten.

Keine Anreize mehr zu arbeiten

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Die Popularität des BGE zeigt sich insbesondere an dem großen öffentlichen Interesse an einer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zusammen mit dem Verein „Mein Grundeinkommen“ durchgeführten Feldstudie, die die Auswirkungen des BGE wissenschaftlich eingehender untersuchen soll.  Dabei ist zu bedenken, dass es sehr viele unterschiedliche Konzepte für ein BGE gibt. 

In der aktuellen Diskussion in Deutschland kommt zu der Forderung nach einem BGE noch die Forderung dazu, dass dieses Grundeinkommen jedem Bürger ein existenzsicherndes Einkommen garantiert, das Armut vermeidet. 

Die Diskussion um das BGE erhielt schließlich auch weiteren Auftrieb durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019, das die Anwendung von Sanktionen im Zusammenhang mit Hartz IV-Leistungen begrenzte. Mit dem Verbot weitgehender Sanktionen ist der Sozialstaat der Möglichkeit beraubt, die Mitwirkung der Betroffenen selbst dann verbindlich einzufordern, wenn die Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schwach sind, sagt der Wissenschaftliche Beirat. 

Bezüglich der Höhe des BGE gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Allen Vorschlägen gemein ist, dass sie sich explizit auf einen Festbetrag festlegen. Nimmt man den Anspruch des BGE ernst, in mindestens dem gleichen Umfang wie im bestehenden System existenzsichernd zu sein, muss das heutige Niveau des soziokulturellen Existenzminimums jedoch der Ausgangspunkt der Überlegungen sein.

Wer soll das bezahlen? – massive Steuererhöhungen nötig

Bislang wurde nirgendwo ein existenzsicherndes BGE eingeführt. Es wurden aber immer wieder lokal und zeitlich begrenzte Feldversuche unter kontrollierten Bedingungen vorgenommen, um die Einführung eines BGE zu erproben und Erfahrungen zu sammeln, wie sich die Arbeitsbereitschaft verändert. Die Aussagekraft solcher Feldversuche ist jedoch sehr begrenzt. 

Die Gegenfinanzierung als Komplement des Systemwechsels wird nicht mit einbezogen. Zum anderen sind alle Versuche zeitlich begrenzt. Einflüsse des BGE auf die langfristigen Entscheidungen, die das Arbeitsangebot oder Migrationsentscheidungen betreffen, werden so von vorneherein ausgeblendet. 

Simulationsrechnungen zeigen, dass bereits die Einführung eines partiellen BGE in Höhe von 446 Euro für Erwachsene und 378 Euro für Kinder – dies entspricht den derzeit geltenden Regelsätzen in der Grundsicherung zu weitreichenden negativen Arbeitsangebotsreaktionen und zusätzlich zur Abschaffung des steuerlichen Grundfreibetrags zu einer Erhöhung der Einkommensteuer um zwölf Prozentpunkte führt. 

Und selbst wenn man den Befürwortern des BGE folgt und davon ausgeht, dass es zu keinen nennenswerten Arbeitsangebotsreaktionen kommt, sind deutliche Steuererhöhungen unerlässlich, betont der Wissenschaftlicher Beirat in seinem Gutachten. Die Finanzierungsprobleme sprechen aus Sicht des Beirats eindeutig gegen die Einführung eines BGE.

Mit Material von Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen

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