
Eine Studie malt ein Horror-Szenario an die Wand. Dabei geht es um die demografische Entwicklung in Deutschland bis 2040 – und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Herausgegeben hat das Ganze das Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung – kurz BBSR.
Die gute Nachricht ist: Die deutsche Gesamtbevölkerung schrumpft bei weiten nicht so stark wie in bisherigen Projektionen angenommen wurde – bis 2040 nur um gut 1,3 Millionen Menschen auf dann 81,9 Millionen. Die schlechte Nachricht: Die Regionen entwickeln erheblich stärker auseinander als bisher erwartet wurde. Das betrifft sowohl die Bevölkerungsentwicklung, als auch das Durchschnittsalter, die Zahl der Geburten und in der Folge vor allem weitere die wirtschaftliche und soziale Dynamik.
Ganz besonders ins Hintertreffen geraten dabei – laut der BSSR-Studie – die ländlichen Regionen. Und hier noch einmal ganz besonders Ostdeutschland. Damit werden die ländlichen Gebiete gewissermaßen vom ökonomischen Fortschritt abgehängt. Der Abstand zu den dynamischen Entwicklungszentren wird in fast jeder Hinsicht immer größer - und beinflusst damit auch das Verhalten und die Einstellungen der Menschen.
Eine fatale Folge davon dürfte sein: Das Verständnis der städtischen Bevölkerung und der maßgeblichen Politiker für die Probleme der Landwirtschaft und der Landbevölkerung werden wohl weiter abnehmen – das lässt bereits das aktuelle Verständnis von Landwirtschaft und ihren Aufgaben deutlich erkennen. Hinzu kommt: Das hätte natürlich auch Konsequenzen für die Agrarpolitik und die politische Kommunikation.
„Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die strukturschwachen Regionen vor großen Herausforderungen stehen. Um diese zu bewältigen, braucht es weiterhin eine aktive Strukturpolitik“, sagt der Leiter des BBSR, Dr. Markus Eltges, zu den Ergebnissen der Studie.
Dynamische Städte – und „sehr periphere“ ländliche Regionen

Fakt ist jedenfalls: Die BBSR-Prognose zeigt ein starkes Auseinanderdriften zwischen den Regionen und zwischen Stadt und Land: Einige Regionen wachsen weiterhin sehr dynamisch. Dazu gehören vor allem Oberbayern, Teile Baden-Württembergs, das Rhein-Main-Gebiet sowie die Großräume Berlin und Hamburg. Dazu kommen auch Köln-Bonn, Düsseldorf und Münster im Westen, Nürnberg-Erlangen im Süden sowie Leipzig, Dresden und auch Jena im Osten.
Bis 2040 soll in rund der Hälfte der deutschen Kreise die Einwohnerzahl zurückgehen. Nur ein Viertel der Regionen kann noch mit Bevölkerungszuwächsen rechnen, schreiben die Wissenschaftler vom BBSR. Jenseits dieser Boom-Regionen passiert genau das Gegenteil: Dabei ist Ostdeutschland am schlimmsten betroffen. Nach der BBSR-Prognose wird die Einwohnerzahl in einigen Regionen um mehr als Fünftel schrumpfen.
Dieser Prozess führt am Ende auch zu einem Abbau der ökonomischen Basis, weil sie sich negativ auf der verfügbaren Arbeitskräfte und damit auf die Standortattraktivität für Unternehmen auswirkt. Damit würde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in vielen ostdeutschen Regionen - aber auch im Ruhrgebiet schrumpfen.
In Verbindung mit der Abwanderung junger Menschen steigt zudem das Durchschnittsalter der verbleibenden Bevölkerung. Auf dem flachen Land – das sind die vom BBSR in Prognose als "sehr peripher“ bezeichneten Regionen – dürfte das Durchschnittsalter dann auf deutlich über 50 Jahre ansteigen. Die jungen Menschen sammlen sich hingegen in den Metropolen und in die Uni-Städte.
An Orten wie Mainz, Münster, Freiburg, Heidelberg oder auch Jena, wird der Altersdurchschnitt 2040 noch unter 42 Jahren liegen – mehr als zehn Jahre jünger als in den dann ältesten Kreisen – das sind dann beispielsweise Spree-Neiße in Brandenburg oder auch das Altenburger Land in Sachsen.
Ökonomische Unterschiede werden immer größer

Die sogenannte "demografische Polarisierung" beschleunigt auch das wirtschaftliche Auseinanderdriften der Regionen. Während die oben genannten Groß- und Universitätsstädte weiterhin sehr dynamisch wachsen und viele Arbeitskräfte und Unternehmen anziehen, schrumpfen andere Regionen und verlieren ihre wirtschaftliche Basis, hatte bereits Silvia Stiller vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI) schon vor einigen Jahren in einer anderen Studie herausgefunden und thematisiert.
Das Problem ist nun: Unternehmen siedeln sich nicht in Regionen an, wo es künftig schwer wird, Mitarbeiter zu finden. Wenn sich die jüngeren, und gut ausgebildeten Menschen in den Städten konzentrieren, werden auch die Unternehmen dort zu finden sein. Entsprechend dünn wird dann auch das Angebot an guten Jobs auf dem flachen Land sein – und die Abwanderung in die ökonomisch attraktiven Städte wird sich dadurch zusätzlich beschleunigen – ist ein Fazit der BBSR-Studie.
Eine weitere Folge der demografiischen Veränderung wäre: Schrumpfende Steuereinnahmen. Das macht es für Regionen dann sehr schwer, allein die vorhandene Infrastruktur aufrechtzuerhalten – geschweige denn, irgendetwas Neues aufzubauen.
Die aktuelle Bevölkerungsprognose des BBSR macht deutlich: Das ökonomische und soziale Gleichgewicht zwischen den urbanen Zentren und „peripheren Regionen“ wird erheblich gestört – ohne das es dafür ein belastbares gesellschaftliches Konzept gibt.
Städte als Magneten für Menschen – was ist mit Digitalisierung?

Wie sich die Lebensbedingungen in den Städten und Regionen zukünftig entwickeln, hängt entscheidend davon ab, wie viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands und auch aus dem Ausland zuziehen beziehungsweise auch in andere Regionen und Städte abwandern. Die BBSR-Prognose geht jedenfalls davon aus, dass die Bundesrepublik in den kommenden Jahrzehnten einen Zuwanderungsüberschuss von mehr als 200.000 Menschen jährlich verzeichnet.
Doch die meisten Zuwanderer gehen ebenfalls in die Städte – wie die jüngste Vergangenheit zeigt. „Generell lässt sich feststellen, dass die Bedeutung von Städten als Wachstumsmotor für ihre Region zunimmt, was sie und ihre Umlandregionen attraktiv für Zuwanderer macht“, sagt Silvia Stiller. Im Zuge des wirtschaftsstrukturellen Wandels verändert sich dabei auch die Palette der produzierten Güter und Dienstleistungen. Wissensintensive Dienstleistungsbranchen und forschungsintensive Industrien wachsen, während arbeitsintensive Branchen Arbeitsplätze abbauen.
Dieser Strukturwandel stärkt die Bedeutung der Städte als Arbeitsort zusätzlich. Außerdem lassen diese Veränderungen einen Anstieg der regionalen Einkommensunterschiede sowie eine wachsende räumliche Polarisierung erwarten, sagt Stiller.
Vor allem der rasche Ausbau leistungsfähiger Datennetze könnte den abstiegsbedrohten Randregionen jedoch helfen – sich durch bessere Standortbedingungen für Unternehmen zu empfehlen – und den Abstieg zumindest abzubremsen. Davon ist bislang jedoch leider auch noch nicht viel zu sehen.
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