
Noch nie in der Geschichte der europäischen Währungsunion war die Inflation so hoch. Im Januar 2022 lag sie bei 5,1 Prozent. Aktuelle Umfragen weisen die Geldentwertung als die am häufigsten genannte Sorge der Bevölkerung aus. Die Inflationsrate in Deutschland − gemessen als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat – lag im Januar 2022 bei +4,9 %. Im Dezember 2021 hatte sie noch bei +5,3 % gelegen.
„Die Inflationsrate hat sich im Januar zwar etwas abgeschwächt, nachdem sie im Dezember den höchsten Wert seit fast 30 Jahren erreicht hatte. Sie bleibt aber auf einem sehr hohen Stand“, sagt Dr. Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Dezember 2021 jedoch weiter – nämlich um 0,4 %.
Hohe Inflation stört das Funktionieren einer Marktwirtschaft, sagt dazu Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung gegenüber der Zeitung „Der Standard“. Denn sie vernebelt die Preissignale. Käufer und Verkäufer können nicht mehr unterscheiden, ob der für sie relevante Preis deshalb steigt, weil sich auf ihrem Markt die Bedingungen verändern, oder ob er sich einfach mit dem allgemeinen Preisniveau nach oben bewegt. Kauf- oder Investitionsentscheidungen richten sich dann nicht mehr an den realen Bedingungen aus. Die Folge ist ein langsames Wachstum. Und eine massive Entwertung der privaten Geldvermögen.
Energiepreise sind Preistreiber Nummer 1

Die stärksten Inflationstreiber In Deutschland sind nach wie vor die Energiepreise. Zwar hatte sich der Preisschub im Januar etwas abgeschwächt, doch durch den Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland gehen die Preise für Diesel, Benzin, Gas, Heizöl und Strom erneut durch die Decke.
Und diese Kostenlawine ist für Bauern und Verbraucher kaum noch zu stemmen, denn die Erlöse und die Einkommen steigen nicht in dem selben Tempo mit. Und wenn sie das täten, würde die Preisspirale immer weiter nach oben getrieben und wir landen bei zweistelligen Inflationsraten wie den 70er Jahren.
„Inflation ist wie Nikotin oder Alkohol“ sagt der Ökonom und ehemalige Wirtschaftsweise Bert Rürup in einem Kommentar im Handelsblatt. Das wusste schon der legendäre Börsenguru André Kostolany: „In kleinem Maße ist es stimulierend, man darf nur kein Kettenraucher werden oder Alkoholiker.“ Laut Statistischem Bundesamt war Energie am Ende des Jahres 2021 um 22,1 Prozent teurer als zwölf Monate zuvor. Heizöl und Kraftstoffe kosteten etwa 50 Prozent mehr.
Die Preissteigerungen bei Strom, Gas und anderer Haushaltsenergie waren mit zwölf Prozent nur deshalb noch "halbwegs moderat", weil viele Kunden langfristige Verträge abgeschlossen hatten. Doch auch hier werden die Preise künftig deutlich steigen. Nicht zuletzt wegen der Folgen des Krieges in der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland.
Krieg in der Ukraine und Sanktionen heizen Teuerung weiter an

Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hatte bereits vor dem Krieg in der Ukraine vor einem Preisschock bei Öl und Gas gewarnt, falls es zu einem Einmarsch Russlands in die Ukraine kommt. „Selbst wenn die Gaslieferungen nicht eingeschränkt würden, käme es zu einem Preisschock, jedenfalls vorübergehend. Das träfe private Haushalte und Industrie in Deutschland gleichermaßen. Bislang erwarten wir eine Inflationsrate von 4 Prozent für 2022. Sollte ein Krieg ausbrechen, könnte sie aber noch höher ausfallen,“ hatte der Ökonom Anfang Februar gesagt.
Gleichzeitig verwies Fuest auf die gegenseitige Abhängigkeit. Westeuropa brauche russisches Öl und Gas, Russland sei aber auf das Geld angewiesen, das dafür bezahlt werde. Ein kompletter Lieferstopp sei unwahrscheinlich, weil Russland auch künftig noch Gas nach Europa verkaufen wolle. Sonst würde die EU künftig woanders Gas beziehen, zum Beispiel Flüssiggas aus Schiffen. Dafür eine Infrastruktur in Deutschland auszubauen, sei auf jeden Fall sinnvoll. Kurzfristig könnten jedoch Versorgungsengpässe eintreten.
Russlands Volkswirtschaft sei jenseits des Energiemarktes für sich genommen nicht so bedeutsam: Das russische Bruttoinlandsprodukt entspreche der kombinierten Wirtschaftsleistung von Belgien und den Niederlanden, sagte Fuest. Außerdem seien die Wirtschaftsbeziehungen schon wegen der vor Kriegsausbruch bestehenden Sanktionen eingeschränkt. „Die wegen der Besetzung der Krim verhängten Sanktionen verringern die deutsche Wirtschaftsleistung pro Jahr um rund 5 Milliarden Euro. Das sind 0,16 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Der Schaden für Russland ist ungleich größer: Er beträgt 1,2 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung.
Die aktuellen Sanktionen, dürften die deutsche Wirtschaft zusätzlich belasten, aber die russische Wirtschaft noch deutlich stärker“, sagt Lisandra Flach, die beim ifo Institut das Zentrum für Außenwirtschaft leitet.
Lebensmittel verteuern sich um 7 Prozent - Kosten steigen stärker
Die Deutschen müssen sich nach Angaben des Münchener Ifo-Instituts aber auch auf weiter steigende Lebensmittelpreise einstellen. Der Grund: Hersteller - also die Lebensmittelindustrie - heben ihre Preise deutlich an, weil die Produktion und die Rohstoffe immer teurer werden. Nahrungsmittel dürften ein maßgeblicher Inflationstreiber werden, sagen die Ifo-Forscher. „Nach unseren Umfragen planen in den kommenden Monaten mehr als zwei Drittel der Nahrungsmittelhersteller weitere Preisanhebungen", sagte der Konjunkturchef des Münchener Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser.
Das seien so viele wie nie zuvor im wiedervereinigten Deutschland. "Somit dürften die Nahrungsmittelpreise in diesem Jahr ein maßgeblicher Inflationstreiber werden," ist Wollmershäuser überzeugt. Die Wirtschaftsforscher hatten ihre Prognose für die Inflationsrate 2022 in Deutschland zuletzt auf vier Prozent hochgestuft. Bei den Lebensmittelpreisen rechnet das Institut jedoch mit einem Anstieg auf sieben Prozent.
Hintergrund seien unter anderem auch sehr stark steigende Kosten für die Landwirte. Wie der Deutschen Bauernverband (DBV) ausgerechnet hat, führen allein die Preissprünge bei Düngemitteln und Treibstoffen dazu, dass die Produktionskosten im Ackerbau um 20 bis 30 Prozent steigen. Unter diesen Bedingungen können viele Landwirte die Produktion gar nicht mehr aufrecht erhalten und müssen möglicherweise sogar aufgeben – trotz hoher Agrarpreise.
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