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Insolvenzen in der Agrarwirtschaft

Insolvenz: Die größten Firmenpleiten der Landwirtschaft – aller Zeiten

großbetrieb.
am Mittwoch, 17.11.2021 - 13:25 (2 Kommentare)

Gegenüber anderen Wirtschaftszweigen sind Firmenpleiten in der Landwirtschaft und im Agrarbereich eher selten. Doch es gibt sehr spektakuläre Fälle. Etwa die Pleiten der KTG-Agrar oder der BMG.

Insolvenz.

An erster Stelle zu nennen ist hier wohl der Untergang des Agrar-Giganten KTG Agrar. Aber auch die Pleite der  Berliner Milcheinfuhrgesellschaft  (BMG) hatte erhebliche Folgen für die betroffenen Bauern.

Auch im „landwirtschaftsnahen Bereich“ gab es große Insolvenzen mit bundesweiten Folgen: Etwa die Pleite des Windparkfirma Prokon, die Insolvenz der europaweit größten Biogasfirmen AC Biogas und Schmack Biogas AG oder der Untergang des weltgrößten Pellets-Herstellers German Pellets.

Gerade im Bereich der Bioenergie agierten viele der gescheiterten Unternehmen im so genannten grauen Kapitalmarkt. Dieses Segment ist für Unternehmen und Investoren (oft auch Landwirte) mit hohen Risiken verbunden. Nicht selten überleben diese Firmen eine Insolvenz jedoch durch eine Sanierung oder einen Verkauf. Das gilt auch für die in eine Genossenschaft umgewandelte Prokon.

Für die Agrarholding KTG-Agrar selbst ging die Sache nicht gut aus. Das Tafelsilber ging jedoch an eine andere Holding. Das war die etwa zeitgleich gegründete Deutsche Agrar Holding (DAH). Und so lebt auch die KTG-Agrar etwas kleiner und mit anderem Namen fort.

Übrigens: Auch der Chef des verschwundenen Agrargiganten KTG-Agrar, Siegfried Hofreiter, ist wieder im Agrarbusiness tätig. Im äußersten Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern hat er sich erneut ein kleines Firmenreich aufgebaut. Das hat jedenfalls die die Zeitschrift "capital" schon 2017 herausgefunden. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte.

Die größte Agrar-Pleite aller Zeiten

Biogasanlge.

Die spektakulärste Pleite in der Agrarbranche war sicherlich die der KTG-Agrar. Die vom bayerischen „Landwirt“ Siegfried Hofreiter gegründete Agrarholding bewirtschaftete vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg zeitweise bis 45.000 Hektar Land. Davon 20.000 Hektar als Eigentum. Seit 2005 bewirtschaftete die KTG auch etwa 7.200 Hektar in Litauen sowie weitere Flächen in Rumänien.

Zur KTG-Gruppe gehörten mehr als dreißig landwirtschaftliche Unternehmen und Betriebsgesellschaften. Auf etwas mehr als 50 Prozent der Fläche wurde Ökolandbau betrieben. Damit war die KTG-Agrar nach eigener Aussage in diesem Geschäftsfeld Marktführer in Deutschland. Ein wichtiger Geschäftszweig war die Produktion von Bioenergie (Biogas). Hierzu wurde eigens die börsennotierte Tochter KTG Energie AG gegründet. Diese betrieb an neun Standorten Biogasanlagen, mit einer Anschlussleistung von rund 30 Megawatt.

Aber das war immer noch nicht alles: Der KTG-Agrar gehörten auch Firmen zur Lebensmittelherstellung: wie etwa zur Produktion Tiefkühlwaren, Kartoffelspezialitäten, Convenience Food und Pflanzen-Ölen. Und es gab noch zahlreiche weitere Aktivitäten.

Nach der Pleite 2016 übernahm die neu gegründete Deutsche Agrar Holding (DAH) den Großteil der Flächen und bewirtschaftet sie weiter. Die DAH ist im September 2016 gegründet worden und hat rund 90 Prozent der Agrarflächen der insolventen KTG Agrar SE sowie 23 Biogasanlagen der ebenfalls insolventen KTG Energie AG übernommen.

Der Insolvenzverwalter der KTG-Agrar, Stefan Denkhaus, bezifferte den Schuldenberg der Holding auf knapp 400 Millionen Euro und berichtete von etwa 12.000 Anlegern, die rund 340 Millionen Euro investiert hatten und den Großteil ihres Geldes in den Wind schreiben konnten.

In seinem Insolvenzgutachten zeichnete Insolvenzverwalter Denkhaus ein verheerendes Bild von den Zuständen in der Agrarholding. „Missmanagement, Misswirtschaft, und das möglicherweise bewusste Schaffen undurchsichtiger Verflechtungen innerhalb und außerhalb des Konzerns“ hieß es da. Erinnert einen irgendwie an die Pleite von Wirecard.

Den Milchmarkt (nicht) aufgemischt – Die BMG-Pleite

Milchkühe.

Eine Pleite die noch nicht so lange zurück liegt, ist die Insolvenz des Milchhändlers B.M.G. (Berliner Milcheinfuhrgesellschaft) im März 2018. Die B.M.G. war der bedeutendste Milchhändler Deutschlands. Sie schloss Milchkaufverträge für rund 950 Millionen Liter Milch ab. Die Handelsmenge entsprach immerhin etwa 3 Prozent der Milchanlieferung in Deutschland.

Annähernd ein Drittel Milch wurde zuletzt jedoch über den stark schwankenden Spotmarkt verkauft. Damals gab es dort nur 20 bis 23 Cent für die gehandelte Rohmilch. Derzeit sind es 54 Cent und die BMG hätte sich heute die Taschen vollmachen können.

Der überwiegende Teil Milchbauern die das Unternehmen damals belieferten hatten ihre Betriebe in Ost- und Norddeutschland. Ohne den umtriebigen Milchhändler hätten die Milchbauern ihre Milch wieder an die (regionalen) Molkereien verkaufen und deren Preise akzeptieren müssen. Der Milchhändler brachte nach Einschätzung der meisten Beobachter auf jeden Fall mehr Wettbewerb in den Milchmarkt.

Über als 1000 Bauern mussten sich nach der Pleite über Nacht aber einen neuen Abnehmer suchen. Sogar Agrarministerin Julia Klöckner schaltete sich damals medienwirksam ein. Doch es half nichts.

Der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, sah die Ursache der Pleite in einem „gewagten Geschäftsmodell gepaart mit unternehmerischen Fehlentscheidungen“.

Der Brandenburger Bauernbund beschrieb die Pleite des Milchhändlers als „Ausdruck von Marktversagen“: „Sicher stecken auch betriebswirtschaftliche Fehler dahinter, aber letzten Endes ist die B.M.G. gescheitert am unseligen Zusammenwirken von staatlicher Marktintervention und monopolartigen Strukturen in der Molkereiwirtschaft“, beschrieb der Bauernbund-Vorstand Hans-Jürgen Paulsen gegenüber der Zeitung Märkische Allgemeine die Sache. Was am Ende immer stimmt, die BMG gibt es jedenfalls nicht mehr.

Der (große) graue Kapitalmarkt bei Bioenergie

biogas.

Im September 2014 hatte die AC Biogas GmbH beim Amtsgericht Münster Insolvenz angemeldet. Die AC Biogas hieß zuvor agri.capital – was schon viel über die Ausrichtung der Firma sagt. Das Unternehmen bezeichnete sich damals (2014) selbst als den "größten Energieerzeuger auf Biogasbasis in Europa". Es betrieb an rund 100 Standorten Biogasanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 103 Megawatt.

Zehn Prozent der Anlagen produzierten neben Wärme auch "Biomethan", das ins Erdgasnetz eingespeist wurde. Von der Zahlungsunfähigkeit der Firma waren über 700 Landwirte betroffen, die die Lieferverträge mit der AC Biogas hatten. Offenbar hatte sich das Unternehmen mit Blick auf die bevorstehenden Änderungen der Biomasse-Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) neu aufgestellt - und verkalkuliert.

Wobei die "Reform des Fördersystems" also die Beschränkung der Förderung neu gebauter Biogas-Anlage auf Abfall und Reststoffe eigentlich nicht die Ursache für die Insolvenz gewesen sein können. Denn: Für die bestehende Anlagen galt damals Bestandsschutz und die Vergärung von Biomasseabfällen zu Biogas wurde weiterhin gefördert. Ursache für die Insolvenz waren also auch in diesem Fall ganz offensichtlich Management-Fehler und finanzielle Spekulationen.

Einige Jahre zuvor,  im Jahr 2009, hatte es bereits einen ähnlichen Fall gegeben. Ein anders sehr großes Unternehmen der Biogasbranche, die Schmack Biogas AG, hatte Insolvenz angemeldet. Als Gründe wurden ganz allgemein Finanzierungsprobleme mit Investoren und Banken genannt. Schmack Biogas war damals sogar international unterwegs und betrieb Anlagen und Aufträge in Großbritannien, Frankreich und Italien.

Auch bei diesen Unternehmen waren möglichweise auch die üblichen Probleme am grauen Kapitalmarkt für die Pleiten entscheidend – und nicht der Bioenergiesektor an sich.

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