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Firmenpleiten in der Agrarwirtschaft

Insolvenz in der Landwirtschaft: Die Betriebe die Pleite gehen

Insolvenz.
am Freitag, 21.01.2022 - 05:00 (2 Kommentare)

Insolvenzen gehören in der Landwirtschaft nicht zum Alltag. Dafür sind sie oft spektakulär. Weil sie oft große Betriebe betreffen und keine kleinen Bauernhöfe.

Insolvenz.

Fleischer, Molkereien oder Mühlen gehen schon eher mal Pleite. Das zeigen jedenfalls die Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Kostenexplosion und Coronakrise setzten Bauern und Ernährungswirtschaft gleichermaßen zu. Doch wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, gingen in der schweren Krise weniger Landwirtschaftsbetriebe, Molkereien, Fleischer und Lebensmittelverarbeiter insolvent als in den Jahren zuvor.

Das hat mit den staatlichen Hilfsmaßnahmen ebenso zu tun wie mit der zwischenzeitlichen Aussetzung der Insolvenzpflicht. Das Ergebnis: Im ersten Coronajahr 2020 waren so wenig landwirtschaftliche Betriebe insolvent wie nie zuvor. Das Gleiche gilt für die Ernährungsindustrie. Im Jahr 2021 nahm die Zahl der Pleite gegangenen Landwirtschaftsbetriebe wieder zu. Aber nur leicht.

Viele Experten erwarten für 2022 eine deutlich stärkere Insolvenzwelle. Nicht nur, weil viele Probleme quasi aufgeschoben wurden. Auch die dramatische Kostenexplosion im Jahr 2021 bringt Landwirte, Molkereien und Mühlen wirtschaftlich in Bedrängnis.

Zwar steigen auch die Preise für viele Agrarprodukte sowohl bei den Bauern als auch in den folgenden Handelsstufen. Das geschieht jedoch oft langsamer als die Kosten nach oben gehen. Die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben jedoch ihr Ziel erreicht, möglichst viele Insolvenzen zu verhindern“, sagt Maxime Lemerle, Leiter der Branchen- und Insolvenzanalyse bei der Euler Hermes Gruppe.

Tierhalter und Lohnunternehmen am meisten insolvent

Kühe.

Wie die Daten von Destatis zeigen, liegen die landwirtschaftliche Insolvenzen 2021 wieder leicht über dem Niveau von 2020. Stand ist allerdings der Oktober. Für die Landwirtschaft melden die Statistiker für den Zeitraum Januar bis Oktober 75 Insolvenzen – im Vergleich zu 70 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2020 waren es nur 82, gegenüber 97 im Vor-Coronajahr 2019 und 115 im Dürrejahr 2018. Der Spitzenwert stammt aus dem Jahr 2016 und lag bei 151 landwirtschaftlichen Pleiten.

Doch was sind das nun für landwirtschaftliche Betriebe die zuletzt Pleite gegangen sind? Schaut man einmal auf die letzte verfügbare offizielle Statistik, so wird deutlich: In der Landwirtschaft, ebenso wie in der Agrarwirtschaft, sind Tierhalter und die Verarbeiter von Tierprodukten deutlich häufiger von Insolvenz betroffen, als Ackerbauern, Mühlen oder Produzenten pflanzlicher Produkte. Mit einer Ausnahme: Das sind Bäckereien. 

Was die Landwirtschaft betrifft, meldet Destatis an erster Stelle tierhaltende Betriebe, die Pleite gegangen sind - nämlich ingesamt 24. Darunter sind die Halter von Milchkühen und Rindern wiederum die größte Gruppe. Auch Gemischtbetriebe sind überdurchschnittlich von Firmenpleiten betroffen.

Eine weitere Gruppe, denen die wirtschaftliche Krise offenbar trotz der Hilfen zugesetzt hat, sind die Erbringer von Dienstleistungen im Pflanzenbau. Diese pflanzenbauliche Lohnunternehmen waren danach die zweitgrößte Gruppe von Betrieben die Insolvenz anmelden müssen: Nämlich 19 Betriebe im Jahr 2020 und damit fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Deutlich besser kommen die Ackerbauern weg. Hier haben 2020 nur 2 Betriebe Insolvenz angemeldet - nach 5 im Jahr 2019. Dabei zeigt sich in der Wirklichkeit jedoch ein Phänomen, dass offenbar typisch für den Pflanzenbau im Osten ist. Große Betriebe, die Insolvenz angemeldet haben, werden nämlich nicht selten von Investoren übernommen und saniert.

Ackerbaubetriebe gehen oft an Investoren - oder werden saniert

Acker.

Ein Beispiel für eine Sanierung durch Investoren ist die Agrargenossenschaft Schlalach in Brandenburg. Der Betrieb mit 800 Milchkühen und 1200 Hektar Ackerland sowie Biogasanlagen wurde über einen Insolvenzplan saniert und dann verkauft. Für die Übertragung des Unternehmens an einen Investor erfolgte die Umwandlung in eine GmbH, die gleichzeitig mit der Entschuldung der Gesellschaft über den Insolvenzplan umgesetzt wurde. Zum 30. September 2021 wurde die ehemalige Genossenschaft in eine GmbH umgewandelt und das Insolvenzverfahren wurde aufgehoben.

Ein anderes Beispiel ist die Agrargenossenschaft Teichel im thüringischen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Die Genossenschaft bewirtschaftet rund 1800 Hektar Land und hält mehrere hundert Kühe. Ein vorläufiges Insolvenzverfahren wurde Ende Juni 2021 angeordnet. Laut Insolvenzverwalter geht der Betrieb aber weiter. Die Strukturen des Betriebs seien geeignet, eine Sanierung anzustreben, erklärte er. Ziel sei es, den dauerhaften Betrieb zu sichern. Es handle sich jedoch nicht um ein Eigenverwaltungsverfahren - sprich, der Insolvenzverwalter übernimmt deshalb die Geschäfte von den bisherigen Geschäftsführern.

Ein Beispiel für eine Insolvenz in der Industrie ist die Landmolkerei Herzgut aus Thüringen. Laut Sanierungsvorstand soll die Insolvenz in Eigenverwaltung genutzt werden, um die Landmolkerei aus der gegenwärtigen Krise herauszuführen. Steigende Preise bei Rohstoffen und Verpackungsmaterialien hat die Molkerei in finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Rechnungen konnten nicht mehr bezahlt werden. Die Herzgut Landmolkerei ist die letzte eigenständige Molkereigenossenschaft Thüringens. Ihre Rohmilch bezieht sie von den Bauern der Region.

Molkereien selten insolvent - Fleischer aber oft

Insolvenz.

Im Übrigen bestätigt auch die Zahlen von Destatis, dass Unternehmen der Milchwirtschaft selten insolvent gehen - sondern eher von größeren Firmen übernommen werden. So meldet Destatis im Jahr 2019 nur 2 insolvente Milchverarbeiter und 2020 gar keinen.

Bei Schlachtern und Fleischverarbeitern sieht die Sache schon anders aus: Hier haben die Statistiker für 2020 immerhin 9 insolventer Schlachter auf dem Zettel stehen und 17 Fleischverarbeiter. Dabei war deren Zahl vor Corona und der Aussetzung der Insolvenzpflicht sogar noch deutlich größer: Immerhin 48 Fleischverarbeiter und 7 Schlachter mussten damals aufhören.

Neben den Fleischern besonders betroffen waren 2020 auch die Hersteller von Backwaren. Hier meldeten 78 Unternehmen Insolvenz und trotzdem waren des weniger als 2019: Damals gingen 104 Backwarenhersteller Pleite. Kaum von Insolvenz betroffen waren in den letzten beiden Jahren hingegen Getreide- und Ölmühlen. Hier melden die Statistiker für 2020 nur eine Firmenpleite und für 2019 gar keine. Bei Futtermittelherstellern für Nutztiere gingen im Jahr 2020 drei Unternehmen pleite und 2019 nur zwei.

Nach Einschätzung des Wirtschaftsforschers Patrick-Ludwig Hantzsch vom Creditreform, spiegelt die aktuelle Insolvenzstatistik jedoch nicht mehr den wahren Zustand der Unternehmen wieder. Die staatlichen Hilfen hätten auch zur Folge, dass schwache Unternehmen am Markt bleiben. „Wenn Sie jedes Unternehmen retten, retten Sie nicht die Volkswirtschaft“, sagte Hantzsch bei der Präsentation der Insolvenzzahlen in Frankfurt.

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