
Der Grund: Der Staat will offenbar die Überbrückungshilfen und auch das Kurzarbeitergeld verlängern. Das rettet viele in wirtschaftlicher Schieflage befindliche Unternehmen vor dem Untergang. Das Statistische Bundesamt meldete diese Woche, dass die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im November 2021 nur einen geringfügigen Anstieg gegenüber dem Vorjahresmonat zeigt.
Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter sieht jedoch auch mittelfristig keine Anzeichen für einen deutlichen Anstieg der Firmenpleiten: Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und die in Aussicht gestellte Verlängerung der Überbrückungshilfe IV stabilisieren die wirtschaftliche Situation vieler pandemiegeplagter Unternehmen weiter, heißt es dort. Danach ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im November 2021 im Vergleich zum Vorjahresmonat leicht um 4,6 Prozent gestiegen. Im November des Vorkrisenjahres 2019 lagen die Firmenpleiten immerhin 22,6 Prozent höher.
Für die Land- und Forstwirtschaft meldete Destatis für den Zeitraum Januar bis Oktober 2021 indessen 75 Firmenpleiten und damit sogar etwas mehr als im vorigen Jahr – jedoch knapp 7 Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Deutlicher als in der Landwirtschaft ist der Unterschied jedoch in der Ernährungsindustrie und Futtermittelbranche. Hier sind 2021 von Januar bis Oktober 98 Unternehmen Pleite gegangen – das sind 15 Prozent weniger als 2020 und satte 63 Prozent weniger als vor der Coronakrise 2019.
In der Enährungswirtschaft dürften die umfangreichen staatlichen Hilfsmaßnahmen also deutlich mehr Unternehmen retten als in der Landwirtschaft. Wie eine detaillierte Auswertung des Statistischen Bundesamtes von 2020 zeigt, sind während der Coronakrise vor allem Unternehmen der Fleischwirtschaft sowie Backwarenhersteller in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und Pleite gegangen.
Staatliche Hilfen verlängert – Pleitewelle verzögert?

Die Insolvenzen waren im Verlauf der Corona-Krise durch die gesetzlichen Sonderregelungen und Wirtschaftshilfen deutlich zurückgegangen. Seit Mai 2021 sind keine Sonderregeln für die Aussetzung der Insolvenz mehr in Kraft. Doch der Staat will die in Not befindlichen Firmen weiter unterstützen. Dafür sprachen sich die Wirtschaftsminister der Länder und Bundeswirtschaftsminister Habeck bei einer Online-Konferenz aus. Danach soll die bisher bis Ende März laufende Überbrückungshilfe IV für weitere drei Monate gewährt werden. Habeck erklärte, dies sei eine sinnvolle Option, weil auch das Kurzarbeitergeld bis dahin verlängert werde.
Für die Überbrückungshilfen müssen Firmen einen Corona-bedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent nachweisen. Die Entscheidung über die Verlängerung der Maßnahme bis Ende Juni trifft die Bundesregierung. „Die anhaltend niedrigen Zahlen bei den Unternehmensinsolvenzen werden sich auch mittelfristig fortsetzen. Die Verlängerung der staatlichen Corona-Hilfen beeinflusst weiterhin das Insolvenzgeschehen. Die vielfach angekündigte Insolvenzwelle ist nicht in Sicht“, sagt Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID).
Das Bundeskabinett beschloss zudem eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Verlängerung des Kurzarbeitergeldes um weitere drei Monate bis zum 30.06.2022 „Gerade den Arbeitnehmern in den besonders von der Pandemie betroffenen Branchen wie der Gastronomie, Hotellerie und der Touristik kommt eine Verlängerung der Hilfen zugute. Die Fortführung der Hilfen verzögert allerdings auch in vielen Fällen wichtige Transformationsprozesse“, gibt Niering zu bedenken.
„Die Pandemie hat das Kundenverhalten nachhaltig verändert. Inwiefern die besonders betroffenen Unternehmen zukünftig an ihre Geschäftsmodelle vor der Pandemie anknüpfen können, ist in vielen Fällen ungewiss“, so Niering weiter.
Explodierende Energiepreise bringen neuen Probleme

Besonders insolvenzgefährdet sind derzeit Unternehmen, die unter den aktuell starken Energiepreissteigerungen leiden. Darunter sind auch viele kleinere Unternehmen. „Wir sehen derzeit vermehrt Insolvenzen bei Strom- und Gasanbietern, die die stark gestiegenen Großhandelspreise für Strom und Erdgas nicht mehr tragen können. Diese Preissteigerungen werden an die Kunden weitergegeben. Eigentlich gesunde, aber verbrauchsintensive Unternehmen werden deshalb in vielen Fällen unter Druck geraten“, sagt der VID-Vorsitzende.
Das heißt auch: Die aktuelle Energiekrise und die gewaltige Kostenexplosion – in Verbindung mit dem akuten Fachkräftemangel, könnten viele Unternehmen in der Ernährungsbranche noch in große wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Im Ergebnis könnte sich die Zahl der Firmenpleiten im Jahr 2022 doch noch schneller erhöhen, als von manchen Beobachtern erwartet wird – nicht nur in der Energiewirtschaft.
Die Zahl sinkender oder sehr geringer Unternehmensinsolvenzen sieht zwar gut aus, „sie entspricht aber nicht dem realen Wirtschaftsleben“, sagt dazu Jonas Eckhardt von der Düsseldorfer Unternehmensberatung Falkensteg gegenüber dem Fokus. So hat die Bundesregierung seit Beginn der Pandemie rund 170 Milliarden Euro an Hilfen an Unternehmen ausgezahlt. Das Problem: Die Hilfen dienen vielen Unternehmen nur dazu, sich weiter über Wasser zu halten, lösen jedoch keine langfristigen Finanzierungsprobleme, die sich aus der Pandemie ergeben haben.
„Wir werden ab Sommer sehen, wer auch ohne diese Rettungsweste schwimmen kann“, sagt Eckhardt.
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