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Energiekrise und Insolvenzen

Insolvenzen und schlimme Pleitewelle – Kollaps der Wirtschaft droht

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am Montag, 12.09.2022 - 12:18 (5 Kommentare)

Industrie und Handwerk schlagen Alarm. Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft sind bedroht. Die explodierenden Gaspreise und Strompreise machen die Produktion oft unmöglich und unrentabel. Viele Arbeitsplätze und die Versorgung sind gefährdet.

Insolvenz.

Noch zeigen die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht die Brisanz der Lage. Der Grund: Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate vor der Insolvenz. Dennoch sind die beantragten Regelinsolvenzen in Deutschland nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im August 2022 um 6,6 % gegenüber Juli 2022 gestiegen. Im Juli 2022 waren noch um 4,2 % zurückgegangen.

Doch diese Zahlen spiegeln offenbar nicht die Realität wider. So hat Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer vor einer massiven Insolvenzwelle bei kleinen und mittleren Unternehmen gewarnt und die Bundesregierung zur sofortigen Hilfe für die Betriebe aufgerufen. “Im Handwerk rollt auf uns wegen der Energiekrise eine Insolvenz-Welle zu”, sagte Wollseifer der “Rheinischen Post”.

"Jeden Tag erreichen uns Notrufe von Betrieben, die kurz davor sind, ihre Produktion einzustellen, weil sie die enorm gestiegenen Energierechnungen nicht mehr bezahlen können.” Die Betriebe könnten die hohen Energiepreissteigerungen nicht mehr durch Preiserhöhungen kompensieren und an die Kunden weitergeben. „Und Traditionsbetriebe – teils in vierter Generation geführt – gehen gerade reihenweise pleite.” Das seien Bäckereien, Galvaniseure, Textilreiniger, Kfz-Werkstätten, Fleischereien, Brauereien, sagte der Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH).

Wir brauchen eine Priorisierung beim Gas für den gesamten Landwirtschafts- und Ernährungssektor“, forderte auch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, in der Rheinischen Post. Die Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas mache ihm große Sorgen. Für stabile Ernten sei die Verfügbarkeit von Düngemitteln essenziell und für Stickstoffdünger werde Gas benötigt.

Auch die Molkereibranche würde hart getroffen. Rukwied warnte vor einer Lebensmittelknappheit im Falle von Gasmangel: „Ohne Gas keine Milch, keine Butter, kein Joghurt.“

Arbeitsplatzverluste, Insolvenzen und Versorgungsengpässe

Ähnliches weiß auch der Bundesverband der Industrie (BDI) zu berichten:  In einer BDI-Blitzumfrage zum Lagebild im industriellen Mittelstand sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „Extrem steigende Energiepreise stellen Industrie vor fundamentale Probleme.“

Das dritte Entlastungspaket hilft den Unternehmen zu wenig. Die Bundesregierung muss schleunigst ein Entlastungsprogramm für die Wirtschaft auf den Weg bringen. Unsere Umfrage zeigt, dass die extrem steigenden Energiepreise die Industrie vor fundamentale Probleme stellen.“ Russwurm fordert: „Die Politik muss jetzt aktiv werden, um Insolvenzen und weitere wirtschaftliche und soziale Verwerfungen zu verhindern. Jede Kilowattstunde zählt.“

Handwerkspräsident Wollseifer sieht noch ein weiteres Problem: „Da sind zigtausende Arbeits- und Ausbildungsplätze in Gefahr. Jeder Tag zählt. Diese Dynamik, die habe ich noch nie erlebt. Das ist viel schlimmer als in den Hochphasen der Corona-Pandemie.”

Sein Eindruck sei jedoch, dass die Bundesregierung noch gar nicht auf dem Schirm habe, was sich da gerade zusammenbraue. “Wenn in einigen Branchen flächendeckend Betriebe wegbrechen, dann wird das neben den Arbeitsplatzverlusten auch dazu führen, dass es zu Versorgungsengpässen kommen kann”, warnte er.

Ökonomen: Hohe Kosten machen Produktion unrentabel

Eine Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) bestätigte die Alarmrufe aus der Wirtschaft. Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland hat laut dem IWH-Institut im August zum Vorjahr spürbar zugelegt. Es gab demnach 718 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften. Das sind 26 Prozent mehr als im August 2021, wie das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) am vorigen Dienstag mitteilte.

Für den Herbst sei mit einer zunehmenden Zahl an Pleiten zu rechnen. „Nach lange Zeit niedrigen Insolvenzahlen hat nun eine Trendwende eingesetzt“, sagt IWH-Experte Steffen Müller. Verantwortlich dafür seien in erster Linie stark steigende Preise für wichtige Produktionsfaktoren. Während der Ukrainekrieg zu höheren Energiekosten führe, seien Unterbrechungen der internationalen Lieferketten für die Verteuerung vieler importierter Vorleistungsgüter verantwortlich.

Die von der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgerufene Zinswende werde überdies die Refinanzierungskosten der Unternehmen erhöhen. Ein Kostenfaktor für viele Firmen sei auch die Mindestlohnanhebung ab Oktober. „Die steigenden Insolvenzzahlen zeigen, dass viele Unternehmen mit dauerhaften Kostensteigerungen rechnen, die ihr Geschäftsmodell unrentabel werden lassen“, sagte IWH-Experte Müller.

Für Oktober lassen die Frühindikatoren des IWH deutlich höhere Insolvenzzahlen erwarten, die demnach etwa ein Drittel über denen von Oktober 2021 liegen könnten.

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