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EU-Agrarzahlungen

Krisenhilfe Landwirtschaft: Welche Betriebe wie viel erhalten sollen

Feldgemueseanbau in Deutschland
am Mittwoch, 01.06.2022 - 13:45 (4 Kommentare)

Das Thünen-Institut (TI) hat berechnet, wie die 180 Mio. Euro an Krisenhilfe für die Landwirtschaft wegen des Ukraine-Krieges auf die Betriebe verteilt werden sollten. Ackerbauern und Milchviehhalter werden voraussichtlich leer ausgehen.

Ende März hat die EU-Kommission beschlossen, den Mitgliedstaaten insgesamt 500 Mio. Euro für Krisenmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Damit sollen die Mitgliedstaaten jenen Landwirtschaftsbetrieben helfen, die unter den Folgen des Ukraine-Krieges leiden.

Auf Deutschland entfallen von der Summe 60 Mio. Euro. Sie werden bekanntlich aus nationalen Mitteln auf 180 Mio. Euro aufgestockt. Das ist die Obergrenze, die die EU erlaubt. Aber bisher ist offen, welche Betriebe mit Zuschüssen in welcher Höhe rechnen dürfen.

Jetzt zeichnet sich ab, wohin die Mittel fließen könnten. Der Redaktion agrarheute liegen exklusiv die bisher nicht veröffentlichten Beihilfe-Empfehlungen des Thünen-Instituts vor. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte die Agrarökonomen um eine Einschätzung der kriegsbedingten Preisänderungen auf die verschiedenen Betriebsformen gebeten.

Diese Beihilfen könnten kommen

Nach Berechnungen der Thünen-Wissenschaftler sollten vor allem energieintensive Garten- und Obstbaubetriebe sowie Geflügelmäster und Sauenhalter mit Zahlungen unterstützt werden. Auf Basis der kriegsbedingten Preisänderungen für Betriebsmittel und Agrarprodukte schlagen die Ökonomen diese Beihilfen in Anlehnung an die erwarteten Gewinnänderungen vor:

  • Sauenhalter: 232 Euro je gehaltene Sau
  • Schweinemäster: 3 Euro je durchschnittlich gehaltenes Mastschwein
  • Freiland-Gartenbaubetriebe: 906 Euro/ha
  • Obstbaubetriebe: 297 Euro/ha
  • Gartenbaubetriebe mit geschützter Produktion: 145 Euro/100 qm
  • Weinbaubetriebe: 151 Euro/ha
  • Hühnermast: 114 Euro/100 durchschnittlich gehaltene Masthühner
  • Putenmast: 317 Euro/100 durchschnittlich gehaltene Mastputen

Inwieweit die Bundesregierung den Empfehlungen der Agrarwissenschaftler folgt, ist noch unklar. Bis Ende September müssen die Krisenhilfen nach EU-Recht ausgezahlt sein. Die Zeit läuft also für Agrarminister Cem Özdemir, der eine Entscheidung treffen muss.

Einfluss des Ukraine-Krieges auf die Agrarpreise schwer einzuschätzen

Die TI-Agrarökonomen weisen in ihrem Gutachten deutlich darauf hin, dass sich die tatsächlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Agrarpreise und damit die landwirtschaftlichen Betriebe erst nach Ende des Krieges umfassend berechnen lassen. Die Dauer der Preissteigerungen und die Anpassungen der Betriebe seien derzeit nicht verlässlich abzuschätzen.

Zudem seien die Auswirkungen in hohem Maße betriebsindividuell. Im April, als das Gutachten erstellt wurde, waren die Erzeuger- und Betriebsmittelpreise gegenüber dem Vorjahr jedenfalls massiv gestiegen.

Steigende Einkommen für Ackerbauern und Milchviehhalter

Auf Basis der vorliegenden Informationen kommt das Thünen-Institut jedoch zu der Einschätzung, dass bei den meisten Ackerkulturen die positive Einkommenswirkung der höheren Produktpreise die gestiegenen Betriebsmittelpreise überkompensieren werden. Die Einkommen der Ackerbaubetriebe dürften daher infolge des Ukraine-Krieges in diesem Jahr erheblich über dem Vorjahresniveau liegen.

Auch in den Milchviehbetrieben werden die Einkommen das Niveau des Vorjahres voraussichtlich deutlich übertreffen. Darauf deuteten die bis zum Ende des Jahres sehr hoch erwarteten Milchpreise hin, die nach Einschätzung des TI den Anstieg der Betriebsmittelpreise ausgleichen.

Liquiditätshilfeprogramm mit rückzahlbaren Krediten auflegen

Tendenziell werden die meisten landwirtschaftlichen Betriebe von den aktuellen Preisentwicklungen profitieren, schätzen die Agrarökonomen. Allerdings könnte ein Liquiditätshilfeprogramm mit rückzahlbaren Krediten wirtschaftlich sinnvoll sein, um Betriebe zu unterstützen, die aufgrund der zeitlichen Verschiebung zwischen Betriebsmitteleinkäufen und Produktverkäufen in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

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