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Produktion und Förderung

Landwirtschaft: Erfolgsstory oder Agrarfabrik?

am Donnerstag, 18.10.2012 - 13:10 (Jetzt kommentieren)

Berlin - Beim Berliner Gespräch FNL diskutierten Experten aus Politik und Praxis über den Widerspruch zwischen Realität und öffentlicher Wahrnehmung der Landwirtschaft.

Beim 15. Berliner Gespräch der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft (FNL) stand gestern abend der öffentliche Dialog über die gesellschaftliche Sicht auf die Landwirtschaft in Deutschland im Mittelpunkt. Einmal mehr wurde der Widerspruch zwischen Realität und öffentlicher Wahrnehmung von Experten aus Politik und Praxis, darunter Bauernpräsident Joachim Rukwied und der Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Gerd Müller, kritisch diskutiert.

Umsetzung der EU-Politik noch sehr unterschiedlich

Dr. Tim Gumbel von der EU-Kommission stellte fest, dass es den Verbrauchern in allen Mitgliedsstaaten vor allem auf eine hohe Sicherheit ihrer Lebensmittel ankommt. Als größte Herausforderung für die EU-Politik sieht er den Schutz und die Gewährleistung der Lebensmittel-Sicherheit bei internationalen Importen. Da die eigentlich für alle EU-Mitgliedssaaten geltenden Mindeststandards bislang nicht überall gleich umgesetzt wurden, ergibt sich aus der Vorreiterrolle Deutschlands ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.
 
Aus einer Studie, die 2010 veröffentlicht wurde, geht hervor, dass besonders bei der Legehennenhaltung die Unterschiede in der Umsetzung der EU-Richtlinien gravierend sind. Im Vergleich zu Deutschland, in der die Richtlinien weitestgehend umgesetzt werden und vermehrt auf alternative Haltungsformen statt Käfighaltung gesetzt wird, fallen vor allem Länder, wie Griechenland oder die Tschechische Republik, dadurch auf, dass sie erhebliche Mängel in der Umsetzung der Mindeststandards aufweisen. Dieser Unterschiede, so Gumbel, sei sich die EU-Kommission allerdings durchaus bewusst und setzt in Zukunft auf einen vermehrten Dialog mit den internationalen Handelspartnern, um eine Vergleichbarkeit der Produkte zu schaffen.

Widerspruch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung nicht nachvollziehbar

Als Einleitung in die anschließende Podiumsdiskussion, stellte der Moderator des Abends, Olaf Opitz vom FOCUS-Magazin, den Widerspruch und die damit einhergehende Herausforderung für die Landwirtschaftsbranche dar. Einerseits verbindet die Gesellschaft mit der Landwirtschaft ein romantisches und träumerisches Bild von einer ungetrübten Landidylle, andererseits ist bei Lebensmittelkrisen dieses Bild schnell in Vergessenheit geraten und das allgemeine Feindbild steht fest: der Landwirt. Die entscheidende Frage lautet demnach: Welchen Platz hat die Landwirtschaft in der Gesellschaft?

Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Joachim Rukwied, Bauernpräsident und neuer Vorsitzender der FNL, betont den besonders großen Unterschied zwischen städtischer und ländlicher Bevölkerung. Im unmittelbaren Umfeld im ländlichen Raum sei seine persönliche Erfahrung, dass der Landwirtschaft eine hohe Wertschätzung und Anerkennung entgegengebracht werde. Dagegen sei die räumliche Entfernung der Stadtbewohner der Grund dafür, dass sie sich zunehmend von der praktischen und realen Landwirtschaft entfernen und nur das Bild kennen, was die Medien ihnen vermitteln.
 
Die Lösung, so Rukwied, sei eine ehrliche und selbstkritische Kommunikation, die nur gelingen kann, wenn gemeinsam als Branche am Image der Landwirtschaft gearbeitet werde und positive Innovationen beispielsweise in der Tierhaltung transparent kommuniziert werden. Auch Dr. Gerd Müller vom BMELV sieht den Handlungsbedarf bei den Landwirten selbst, wirft aber auch die Frage auf, ob die Branche nicht absichtlich ein romantisches Bild nach außen vermittelt. Als Bespiel dafür nannte er die Präsentation zahlreicher Aussteller auf dem ZLF, die damit kein realistisches Bild z.B. von üblichen Stallanlagen für die Ferkelaufzucht darstellt.

FNL-Nachhaltigkeitsmedaille für Sonnleitner

Eine besondere Ehre wurde im Rahmen dieser Veranstaltung auch dem ehemaligen Bauernpräsidenten Gerd Sonnleitner zuteil. Er erhielt für seine zahlreichen Verdienste und das überaus große Engagement während seiner Amtszeit die FNL-Nachhaltigkeitsmedaille verliehen und bedankte sich mit dem klar formulierten Statement: "Dank uns Bauern leben wir im Paradies."

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