
Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise ist die Zahl der Unternehmenspleiten in Deutschland einer Studie zufolge auf den höchsten Stand seit sieben Jahren gestiegen. Insgesamt 1050 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften seien im Juni registriert worden, teilte das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) mit. Das seien 16 Prozent mehr als im Mai dieses Jahres und 48 Prozent mehr als im Juni 2022. Damit sei der höchste Wert seit Juni 2016 gemessen worden.
Die deutsche Wirtschaft steckt derzeit in einer Rezession und wird nach Prognose der meisten Forschungsinstitute im Gesamtjahr 2023 schrumpfen. Für das 1. Halbjahr 2023 haben nach den offiziellen Daten des statistischen Bundesamtes 8.400 Unternehmen die Insolvenz angemeldet. Eine höhere prozentuale Zunahme gab es im Vergleichszeitraum zuletzt 2002.
Ursächlich dafür ist ein ganzes Bündel von Gründen – unter anderem die hohen Energie- und Materialpreise sowie die Zinswende – das jetzt vor allem von der Corona-Krise geschwächte Unternehmen trifft, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.
„Die enormen Kostenbelastungen durch zu hohe Energie- und Materialpreise zeigen Wirkung. Nach Jahren sinkender Insolvenzzahlen hat sich der Trend gedreht“, sagt Hantzsch.
Firmen geben auf – Maschinen unter dem Hammer

„Für viele Betriebe werden die großzügig verteilten Staatsgelder der Vergangenheit jetzt zum Bumerang. Die Rückzahlungen der Hilfen und teils verschleppte Anpassungen des Geschäftsmodells führen bei dauerhaft steigenden Zinsen in die finanzielle und wirtschaftliche Sackgasse“, erläutert der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.
Hohe Energiepreise, Bürokratie und Fachkräftemangel machen vielen Unternehmen zu schaffen. Das merken auch die Auktionshäuser: So berichtet der Auktionator Jürgen Philippi aus Moschheim auf tageschau.de darüber, dass derzeit besonders viele Firmen aufgeben. Er spürt das bei seinen Auktionen und an den vielen Maschinen, die auf seinem weitläufigen Gelände stehen.
Das sind: Bagger, Pkw, Laster und jede Menge unterschiedliche Bauutensilien wie Rüttelstampfer, Auffahrrampen oder Palettenhubwagen. Viele Waren aus Insolvenzen kommen unter den Hammer. „Die Wirtschaftskrise schlägt hier jetzt bei mir richtig auf. Immer mehr Firmen müssen aufgeben. Andere wollen nicht mehr weitermachen.
Noch gestern hat ein Kunde zu mir gesagt: ‚Bitte versteigere meinen Betrieb. Ich kriege das Geld nicht wieder rein, die Kosten sind zu hoch, und Mitarbeiter fehlen mir auch,‘ berichtet er der tageschau.
Besonders mittelständische Firmen betroffen
Die Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung belegt eine deutlich gestiegene Zahl an Insolvenzen von mittleren und großen Unternehmen. Die Fallzahlen bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lag um rund 67 Prozent über dem Vorjahreswert. Bei Unternehmen mittlerer Größe mit 51 bis 250 Beschäftigten nahmen die Insolvenzen sogar um 133,3 Prozent zu.
Außerdem waren im 1. Halbjahr 2023 auch deutlich mehr Beschäftigte von der Insolvenz des Arbeitgebers betroffen. „Globale Krisen wie die Pandemie oder die Energiepreisinflation haben auf größere Unternehmen direktere und unmittelbarere Auswirkungen“, erläutert Hantzsch. Daher gebe es im Mittelstand und bei Großunternehmen mittlerweile mehr Insolvenzfälle als vor Corona.
Fachleuten zufolge handelt es sich auch um Nachholeffekte. Staatliche Hilfen sowie die wegen Corona ausgesetzten Insolvenzantragspflichten hatten in den vergangenen Jahren nur sehr wenige Firmenpleiten zur Folge. Jetzt stehen die Rückzahlungen der staatlichen Hilfsgelder an, was viele Firmen in Schwierigkeiten bringt.
Gleichzeitig steckt die deutsche Wirtschaft in einer Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt ist zuletzt zwei Mal in Folge geschrumpft. Die Aussichten sind schlecht: Für das Gesamtjahr erwarten führende Institute eine sinkende Wirtschaftsleistung. Außerdem sind noch die Zinsen gestiegen, was eine Erholung zusätzlich lähmt.
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