
Strom wird in Deutschland immer teurer. Verbraucher, Landwirte und Industrie zahlen hierzulande die höchsten Strompreise – weltweit. Dennoch müssen Verbraucher und Landwirte 2022 nochmal tiefer in die Tasche greifen. Zahlten private Verbraucher nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 im Schnitt 31,9 Cent pro Kilowattstunde – auch das war schon Weltrekord - sind es Anfang 2022 bereits 34,6 Cent.
Doch es kommt noch schlimmer: Wie das Portal Strom-Report ausgerechnet hat, liegt der Durchschnittspreis bei Neuverträgen im Januar 2022 bereits bei 43 Cent pro kWh. Ein Aufschlag von fast 10 Cent bzw. etwa 25 Prozent.
Die Gründe für diese Preisexplosion, die ja parallel zum den dramatischen Preisanstieg bei Diesel, Benzin, Heizöl und vielen anderen Energieprodukten stattfindet, sind aber nicht allein auf die steigenden Weltmarktpreise für Rohöl, Erdgas und Strom zurückzuführen und auch nicht auf einen zusätzlichen Preisschub durch aus dem Ukraine-Krieg (der ist noch gar nicht eingepreist und wird wohl weitere kräftige Preisaufschläge nach sich ziehen).
Die Hälfte des Strompreises sind Steuern
Ein großer Teil der hohen Preise ist auf die spezifisch deutschen Bedingungen und Abgaben – wie EEG-Umlage und Netzentgelte zurückzuführen. Das zeigt ein direkter Vergleich der Strompreise mit anderen europäischen Ländern – und auch ein Blick auf den Anteil der Steuern die ja eigentlich schon für den Ausbau der erneuerbaren Energie gedacht waren. Laut einem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamt machen „die staatlich veranlassten Preisbestandteile“ ungefähr die Hälfte des Strompreises aus! 2020 hatten sie einen Anteil von rund 52 Prozent.
Um diese Kosten beim Strompreis zu drücken, will die Bundesregierung die EEG-Umlage senken. Hat sie aber noch nicht. Der Wettbewerbsanteil des Strompreises lag bei 25 Prozent (das wären 2020 gerade einmal 8 Cent gewesen). Immerhin 23 Prozent des Strompreises entfielen zudem auf Netzentgelte (einschließlich Mess- und Abrechnungskosten).
„Seit der Jahrtausendwende haben sich die Stromkosten hierzulande mehr als verdoppelt“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte von Verivox. „Das liegt vor allem am hohen Anteil von Steuern, Umlagen und Abgaben, der mittlerweile mehr als 50 Prozent des Strompreises ausmacht.“
Preisspirale: Großhandelspreise in einem Jahr verdreifacht

Aber natürlich ist der sogenannte Wettbewerbsanteil des Strompreises mit den explodierenden Energiepreisen ebenfalls drastisch gestiegen. So lag der durchschnittliche deutsche Großhandelsstrompreis mit 96,85 Euro/MWh im Jahresmittel 2021 deutlich über dem Preis des Vorjahres von 30,47 Euro/MWh. Im Jahresverlauf stiegen die Großhandelspreise von durchschnittlich 54,96 Euro/MWh in der ersten Jahreshälfte bis auf 138,04 Euro/MWh in der zweiten Jahreshälfte. Das ist fast eine Verdreifachung innerhalb eines Jahres.
Noch schlimmer war die Entwicklung bei den Importpreisen von Strom. Hier steigen die Kosten nach Angaben von Destatis innerhalb des Jahres 2021 um das Vierfache!! – auf bis dahin nicht gekannte astronomische Höhen. Diese Preisexplosion wirken sich natürlich bis zu den Endkunden aus- ganz besonders auf die Neukunden. Zahlreiche kleinere Stromunternehmen, die keine langfristigen Lieferverträge mit den Stromproduzenten abgeschlossen hatten und sich auch nicht an der Börse abgesichert haben, gingen Pleite.
Die Endkunden verloren ihre Strom-Lieferanten und mussten bei neuen Verträgen oft dramatisch höhere Preise zahlen als die Bestandskunden. Auch größere Landwirtschaftsbetriebe gehören für die Stromlieferanten eher zu den kleineren Abnehmern. Das heißt: Die gewerblichen Stromtarife sind im Prinzip mit denen von Privatkunden vergleichbar. Allerdings zahlen Landwirte als gewerbliche Kunden eine etwas niedrigere Stromsteuer als Privatleute.
Nirgendwo ist Strom so teuer wie in Deutschland

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes war Strom aber schon vor der gegenwärtigen Preisexplosion nirgends in Europa so teuer wie in Deutschland. Eine Studie von Verifox hat das ebenfalls bestätigt, und sagt, dass Deutschland auch die höchsten Strompreise der Welt hat. Im ersten Halbjahr 2021 lag der vom Statistischen Bundesamt errechnete Strompreis pro Kilowattstunde bei 31,93 Cent. Das waren 1,5 Cent mehr als im 1. Halbjahr 2020.
Auch das bis etwa 2018 teuerste Stromland in Europa – Dänemark – haben die Deutschen lange hinter sich gelassen. Bei unseren nordischen Nachbaren sind die Preise von 2018 bis 2020 nämlich gesunken – und erst danach mit den steigenden Weltmarkpreisen wieder gestiegen – auf jetzt 29 Cent. In Frankreich ist das Preisniveau dagegen mehr als 40 Prozent niedriger als bei uns. In den Niederlanden beträgt der Abschlag auf den deutschen Strompreis 60 Prozent und in Polen müssen die Landwirte und Verbraucher nicht einmal die Hälfte der hiesigen Preise zahlen.
Das ist auch von der Kostenseite ein beträchtlicher Wettbewerbsnachteil für die deutschen Landwirte und Gewerbetreibende. Und die Preise steigen gerade schneller als je zuvor und auch schneller als in anderen Ländern, wo die Regierungen die Preise zuletzt oft gedeckelt haben oder den Verbrauchern Zuschüsse zahlen (Frankreich, Polen, Spanien), um den starken Anstieg abzufedern. Nichts davon geschieht bisher in Deutschland.
Im übrigen ist die Situation bei den Strompreisen für die Industrie dieselbe wie für Verbraucher. Auch hier ist Deutschland einsamer Spitzenreiter- deutlich vor Italien, den Niederlanden und Österreich und mit fast doppelt so hohen Industrie-Strompreisen wie Frankreich.
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