Zwar setzte der Bundestag die Beratung des Jahressteuergesetzes 2020 in dieser Woche überraschend von der Tagesordnung ab. Wie agrarheute aus Berliner Kreisen erfahren hat, ist sich die Koalition aber einig geworden, die Umsatzsteuerpauschalierung für Land- und Forstwirte mit dem Gesetz zu begrenzen. Ab 2022 sollen Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 600.000 Euro pro Kalenderjahr nicht mehr von der Pauschalierung profitieren.
Aber Achtung: Einbezogen werden soll dem Vernehmen nach der Gesamtumsatz, nicht nur der aus Land- und Forstwirtschaft. Somit wären zum Beispiel auch Einnahmen aus Windkraft oder Lohnunternehmer-Dienstleistungen für das Erreichen der Obergrenze relevant.
Der Durchschnittssatz für Pauschallandwirte soll aber weiterhin 10,7 Prozent betragen.
Von der neuen Regelung betroffen wären schätzungsweise rund 20.000 landwirtschaftliche Betriebe. Sie müssten in die Regelbesteuerung wechseln.
Landwirte sollten jetzt einen Wechsel in die Regelbesteuerung prüfen
Das hat Konsequenzen: Landwirte, die zur Regelbesteuerung wechseln müssen, können für bereits durchgeführte Investitionen nur über die Vorsteuerberichtigung einen Teil der Vorsteuer zurückholen. Nur wer rechtzeitig zur Regelbesteuerung optiert, kann sich von Anfang an die Vorsteuererstattung als Einmalbetrag für seine Investitionen sichern. Darum rät Ecovis-Steuerberater Ernst Gossert schon jetzt: „Betriebe, die bereits in Gebäude oder Maschinen investiert haben oder solche Investitionen planen, sollten sich überlegen, ob sie zur Regelbesteuerung wechseln wollen.“ Dann können sie eine Mitfinanzierung über den tatsächlichen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
Das entscheidende Datum wird der 10. Januar 2021 sein. Denn bis zum Ablauf des 10. Januar des nachfolgenden Jahres kann der Betriebsinhaber rückwirkend für das Vorjahr zur Regelbesteuerung optieren. Ein entsprechender Antrag beim Finanzamt sichert so sämtliche Vorsteuern des Jahres 2020. „Normalerweise ist ein Wechsel zu Beginn des laufenden Investitionsjahres sinnvoll. In diesem Fall wäre dies aber auch rückwirkend lukrativ“, so Gossert.
Investitionsabzugsbetrag in der Koalition noch umstritten
Noch umstritten ist in der Koalition die von Bundesfinanzminister Olaf Scholz angestrebte Vereinheitlichung der Regeln für den Investitionsabzugsbetrag mit dem Jahressteuergesetz. Die SPD will bekanntlich für alle Einkunftsarten eine einheitliche Gewinngrenze von 150.000 Euro pro Jahr vorschreiben. Das wäre für Land- und Forstwirte eine deutliche Verschlechterung, denn für sie gilt eine Obergrenze von 125.000 Euro, allerdings bezogen auf den Wirtschafts- oder Ersatzwirtschaftswert.
Aus Sicht der Union wären die 150.000 Euro als Gewinndeckel jedoch viel zu niedrig. Verschiedene Kompromissmodelle werden derzeit diskutiert: eine Anhebung der Obergrenze auf 200.000 Euro oder eine parallele Anwendung der neuen und der alten Regelung für eine begrenzte Übergangszeit. In dieser Zeit könnten die Betriebe im Rahmen einer Günstigerprüfung für die eine oder andere Variante optieren.
Die Zeit wird knapp beim Jahressteuergesetz
Das Jahressteuergesetz 2020 bereitet den Koalitionären allerdings noch aus vielen anderen Gründen Kopfzerbrechen, die nichts mit dem Steuerrecht für die Land- und Forstwirtschaft zu tun haben. Darum wurde die ursprünglich für heute angesetzte Abstimmung über den Regierungsentwurf im Finanzausschuss um zwei Wochen vertagt auf den 18. November. Bis zu diesem Zeitpunkt wollen die Steuerexperten der Koalition die Streitpunkte ausräumen.
In derselben Sitzungswoche könnte dann auch die zweite und dritte Lesung im Plenum des Bundestages stattfinden. In jedem Fall wird die Zeit für die Umsetzung des Jahressteuergesetzes zum neuen Jahr damit sehr knapp, sowohl für die Unternehmen als auch die Finanzverwaltung.
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