
Knapp die Hälfte des Einkommens beziehen die landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in Deutschland nämlich aus Direktzahlungen und anderen Zuschüssen. Bei den Nebenerwerbslandwirten – immerhin die Hälfte aller Höfe – kommen sogar über 90 Prozent des Einkommens aus Subventionen. Und auch die ostdeutschen Großbetriebe beziehen mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus Brüssel oder aus anderen Fördertöpfen.
Schwer vorzustellen also, dass der Wegfall dieses gewaltigen Einkommensanteils die Agrarstruktur in Deutschland (und Europa) nicht nachhaltig verändert würde. Doch der Strukturbruch verlief sicher nicht so, wie es viele Politiker und Ökonomen in ihren Sonntagsreden einfordern. Denn gerade die kleinen Höfe – mit besonders hohen Subventionen – blieben dann wohl auf der Strecke.
Am Boden- und am Pachtmarkt wären die Streichung der Subventionen ebenfalls deutlich zu spüren – davon sind jedenfalls Agrarökonomen wie Harald Grethe von der Humboldt Universität und Achim Spiller aus Göttingen überzeugt. Und nicht zuletzt hätte der ausgelöste Strukturbruch wohl auch Folgen auf die Preise von Nahrungsmitteln.
Kurz vor der Neuverteilung der Subventionen (GAP) in Brüssel wird jedenfalls heftig darüber gestritten. Dabei geht es jedoch nicht so sehr um die Abschaffung der Zahlungen, als vielmehr um eine Neuverteilung – vor allem von der ersten in die zweite Säule. Auch das hätte gravierende Folgen für die Landwirte.
Ich möchte in das Geschäft mit der „Nicht-Schweinzucht“ einsteigen

Die Geschichte der Agrarsubventionen ist genau so lang wie die Debatten über die Verteilung der Mittel. Vor mehr als zehn Jahren schrieb ein englischer Landwirt und Subventionsgegner an den damaligen britischen Minister für Umweltschutz und Landwirtschaft, David Miliband: Mein Nachbar bekommt als Landwirt viele Tausend Pfund dafür, dass er keine Schweine züchtet. Das sei mehr als der Bauer je mit der Schweinezucht verdient habe. „Ich möchte nun ebenfalls in das Geschäft mit der Nicht-Schweinezucht einsteigen“, schrieb er an den Minister.
Das Problem dahinter war klar: Die flächengebundenen Direktzahlungen machen keinen Unterschied zwischen dem aktiven Landwirt und dem Flächenbesitzer. Vielmehr ist sogar das das Gegenteil der der Fall. Das zeigt jedenfalls auch die Verteilung der Subventionen in Deutschland: Unter den mit Abstand größten Subventionsempfängern befindet sich dort seit Jahren kein einziger Landwirt oder Landwirtschaftsbetrieb.
Sehr viel Geld fließt dagegen an Ministerien, Landesbetriebe, Landesämter, Molkereiunternehmen und im besten Fall an einige wenige sehr große Erzeugergemeinschaften aus dem Obst- und Gemüsesektor. Erst mit sehr deutlichem Abstand folgen dann einige große ostdeutsche Agrarbetriebe.
Außerlandwirtschaftliche Investoren profitieren

Und noch ein anderer Bereich profitiert sehr stark von den Zahlungen: Nämlich die großen Agrarholdings außerlandwirtschaftlicher Investoren in Ostdeutschland. Nach einer aktuellen Auskunft der Bundesregierung haben allein die fünf größten Agrarholdings im vergangenen Jahr zusammen 16,8 Millionen Euro an Flächenprämien und Zahlungen für Agrar- und Umweltmaßnahmen erhalten.
Diese Art der Mittelverteilung kritisiert auch der Berliner Agrarökonom Harald Grethe, der sagt: „Die heutigen Flächenprämien nutzten weder der Umwelt, noch gingen sie an wirklich bedürftige Landwirte. Von den Direktzahlungen profitierten stattdessen mehr und mehr die Landbesitzer und nicht die Landbewirtschafter“.
Nach Grethes Einschätzung werden 70 bis 80 Prozent der Direktzahlungen an die Landbesitzer überwälzt. Dies sei ein klarer Nachteil für die Pächter - also für die Bauern. Er plädiert deshalb dafür, dass die „bedingungslosen Direktzahlungen" mittelfristig vollständig auslaufen sollten. Allerdings mäöchte er das Geld dann für Agrarumweltmaßnahmen – also für die zweite Säule – einsetzen.
Umverteilung mit hohen Auflagen verbunden – Enteignung?

Ob eine andere Verteilung der Subventionen gerechter wäre, ist jedoch keinesfalls sicher. Das gilt insbesondere für den immer stärkeren Abfluss der Mittel in die zweite Säule, was jedoch von Umwelt- und Ökoverbänden eindringlich gefordert wird. Der Grund: Diese Zahlungen sind für die Bauern mit hohen Auflagen verbunden – und diese Auflagen können sich je nach politischem Zielvorgaben und wohl auch Zeitgeist durchaus ändern.
Der bayerische Landwirt und Kreisobmann Anton Stürzer hält deshalb wenig davon, das System grundlegend zu verändern. Immer größere Umweltauflagen, immer mehr Bürokratie bedeuten für ihn eine "schleichende Enteignung", wie er es nennt. „Ich bin ja kein freier Mensch mehr, wenn ich nicht so produzieren kann, wie ich möchte.“ Aus seiner Sicht werden die Anforderungen zwar immer höher, doch das Geld immer weniger. Stürzer beobachtet, dass sich viele Bauern deshalb ein zweites Standbein aufbauen - weil es immer schwerer werde, alleine von der Landwirtschaft zu leben.
Diese Kritik unterstützt auch Georg Wimmer, Generalsekretär des bayerischen Bauernverbands. Er sagt: Die Konkurrenz auf dem globalen Markt gibt den Ton an und macht die Preise. In dieser Situation sind die Direktzahlungen der notwendige finanzielle Ausgleich, der politische Versuch, ein Gleichgewicht herzustellen und die Höfe und den Umwelt- und Naturschutz zu erhalten. Kürzungen oder gar eine Streichung hätten verheerende Auswirkungen.
Mehr Geld für die Umwelt – Abschaffung der Flächenprämien?

Doch es gibt auch unter Landwirten Befürworter – zumindest für die Abschaffung der Direktzahlungen – aus der ersten Säule.Die Direktzahlungen in Milliardenhöhe müssten Schritt für Schritt abgeschafft werden, sagen die Präsidenten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und des Öko-Anbauverbandes Bioland.
„Eine pauschale Flächenbeihilfe hilft am Ende nur den Verpächtern, nicht aber den Bauern", ist die Meinung von DLG-Präsident Hubertus Paetow. Bislang bekommen große Betriebe viel Geld, da sich die Subventionshöhe nach der bearbeiteten Fläche richtet, sagt er. Bioland-Chef Jan Plagge fordert: Die Zahlungen müssen an gesamtgesellschaftliche Leistungen der Landwirtschaft, etwa für den Umwelt- oder Tierschutz, gekoppelt werden, nicht aber an die Fläche.
DLG-Chef Peatow sagt außerdem: „Bis 2034 sei das Ziel realistisch, die Subventionen abzubauen. Bis dahin hätten die Betriebe Zeit, sich auf die veränderten Rahmenbedingungen einzustellen.“ Ähnlich kritisch sieht der Agrarökonom Harald Grethe die Direktzahlungen: Er bezeichnet sie als „Etikettenschwindel“, da sie nicht dem Umweltschutz nützten und auch nicht ausreichend den bedürftigen Landwirten zugutekommen. Stattdessen profitierten die Besitzer und nicht die Bewirtschafter des Landes, so der Agrarökonom.
Verlust an Wettbewerbsfähigkeit – oder höhere Verbraucherpreise

Der Wirtschaftswissenschaftler Claus Laaser vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt: „Grundsätzlich ist jede Subvention eine Allokationsverzerrung. Das bedeutet konkret: "Durch staatliche Einmischung werden Märkte verzerrt und Ressourcen nicht optimal genutzt.“ Doch selbst das IfW plädiert nicht für die komplette Abschaffung aller Subventionen.
Ein Grund ist: Der Wegfall der Zahlungen dürfte mittelfristig zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit führen. Angesichts der deutlich niedrigeren Preise an den internationalen Agrarmärkten dürfte das für die deutsche und europäische Landwirtschaft im besonderen Maße gelten.
Eine der Ursprungsideen der Gemeinsamen Agrarpolitik war nämlich: Die Sicherung der europäischen Nahrungsmittproduktion und der landwirtschaftlichen Einkommen über die Preise. Doch davon haben sich die Agrarpoltik und die Subventionszahlungen schrittweise – von Reform zu Reform – immer weiter entfernt.
Landwirt Anton Stürzer aus Bayern hat deshalb noch einen anderen Vorschlag: Die Verbraucher müssten bereit sein, für Lebensmittel mehr zu zahlen. Dann könnte man auch auf die EU-Gelder verzichten: "Ich will nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. So fühle ich mich ja fast als Almosenempfänger." Eine anständige Arbeit müsse einen anständigen Ertrag bringen, und solange das nicht der Fall sei, brauche es eben das Geld des Staates - sagt der Landwirt.
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