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Kommentar

Was wäre, wenn Bauern so viel Geld verdienen wie Fußballer?

Trecker auf dem Fussballfeld.
am Freitag, 25.06.2021 - 05:00 (3 Kommentare)

Während Corona hat die Politik herausgefunden: Die Bauern sind systemrelevant. Das habe ich über Fußballer so noch nicht gehört.

fussballfeld.

Vor allem dann nicht, wenn sie dauernd verlieren. Aber ich will nicht unfair sein. Wie wichtig die Arbeit der Bauern ist, haben schon andere gewusst. Der Grund ist einleuchtend: „Erst kommt das Essen und dann die Moral“, hat der sozialistische Dramatiker Bertold Brecht geschrieben. Die DDR hat das jedenfalls beherzigt und ihre Bauern ganz gut bezahlt.

Heute ist das leider nicht mehr der Fall – wenn man einmal auf die Einkommen der Landwirte schaut. Danach haben die Bauern, die im Haupterwerb arbeiten, allermeistens länger als 36 Stunden die Woche, im Schnitt der letzten 10 Jahre knapp 32.000 Euro bekommen – nicht verdient. Das Durchschnittseinkommen der Deutschen im Jahr 2020 lag immerhin bei 47.700 Euro brutto.

Dabei verdienten Menschen in der Gastronomie mit 22.700 Euro am wenigsten – allerdings bekommen sie (anders als die Bauern) noch etwas Trinkgeld – steuerfrei. Im Handel kommen die Mitarbeiter laut Statistischem Bundesamt immerhin auf 44.820 Euro im Jahr. Damit hängen sie die Landwirte locker ab.

Was aber bekommen nun die Fußballer? Fangen wir unfairerweise mit Messi und Ronaldo an. Derzeit soll der 34 Jahre alte Messi 71 Millionen Euro im Jahr verdienen – davon könnte ein Bauer viele Traktoren kaufen. Ronaldo kommt immerhin auf 31 Millionen Euro. Ohne Werbeverträge, versteht sich.

Was bekommen Fußballer in der Bundesliga? Bei Thomas Müller stehen rund 15 Millionen auf dem Gehaltszettel und bei Joshua Kimmich sind es 10 Millionen. Das durchschnittliche Gehalt der Fußballspieler in der 1. Bundesliga wird auf ca. 30.000 Euro geschätzt, im Monat;  das sind also 360.000 Euro im Jahr. Natürlich verdienen die Leute in der zweiten Liga weniger – aber da muss man sich wohl trotzdem keine Sorgen machen.

Wie viele Menschen ein Fußballer ernährt – Brot und Spiele

Trecker.

Aber noch mal zurück zur Systemrelevanz. Ein deutscher Landwirt ernährt heute sage und schreibe 134 Menschen – fast doppelt so viele wie 1990. Das hat jedenfalls der Deutsche Bauernverband ausgerechnet. Seit 1960 hat sich diese Zahl beinahe verachtfacht.  Einen ähnlichen Produktivitätsschub kann wohl kaum eine andere Branche vorweisen.

Wie sieht es an dieser Stelle bei den Fußballern aus? Also mindestens seine Familie und sicher auch seinen Spieler-Berater wird der Fußballer auch ernähren – also etwa 2 bis 6 Menschen. Das machen allerdings die meisten anderen Leute auch.

Was ist aber die Entlohnung für eine Arbeit wert, von der man heute ohne Subventionen nicht einmal leben kann? Immerhin die Hälfte des landwirtschaftlichen Einkommens sind nämlich Zahlungen aus Brüssel und fließen nicht über den Verkauf von Produkten in das Portemonnaie der Bauern. Doch auf höhere Preise und steigende Einkommen können die Bauern wohl nicht hoffen. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Die Anforderungen von Politik und Gesellschaft steigen jedenfalls permanent und damit auch die Kosten. Zum aktuellen Bauerntag hat die Bundeskanzlerin das Gesetzespaket der Koalition für mehr Insektenschutz "als tragbaren Kompromiss" bezeichnet – den natürlich die Bauern bezahlen müssen. So geht das mit vielen anderen Auflagen und Verordnungen weiter, etwa zum Tierwohl oder zur Düngung. Die Kosten steigen und steigen – und die Preise und Einkommen bleiben unten.

Das gilt für Fußballer nicht. Darüber gibt es sogar eine wissenschaftliche Arbeit von Bernd Frick, die sagt, dass sich die Gehälter in der Bundesliga von 1995 bis 2008 fast verdreifacht haben – und auch danach ist das Tempo wohl nicht langsamer geworden ist. Eher im Gegenteil. Brot und Spiele also – das Brot müssen die Bauern aber fast umsonst liefern.  

Was würden die Bauern mit so viel Geld tun?

einkommen.

Zum Schluss die wichtigste Frage: Was könnte ein Landwirt mit so viel Geld anfangen – sagen wir mal auf Bundesliganiveau: also mit 360.000 Euro jährlich – statt 32.000 Euro. Mit ein bisschen sparen, könnte man sicher einen neuen Stall bauen. Oder auch eine neue Zugmaschine kaufen – und man bräuchte vielleicht auch keine Bank mehr, die einem Geld borgt, wenn es mal eng wird.

Oder die Bauern könnten sich schon etwas früher zur Ruhe setzen – wie es die Fußballer auch tun. Sagen wir mal: mit Anfang oder Mitte 30? Dann müssen andere zusehen, wie die 134 Menschen ihr Brot bekommen. Vielleicht würden dann auch die Menschen merken, wie systemrelevant die Bauern wirklich sind. Aber leider geht das nicht.

Denn: Der Hof gehört einem ja schon seit Generationen und Landwirtschaft ist für die meisten Bauern eben mehr, als nur ein Geschäft oder Geld verdienen. Deshalb arbeiten sie auch weiter, obwohl sie nicht so viel verdienen wie die Fußballer. Zum Abschluss vielleicht noch eine wichtige Aussage eines anderen deutschen Dramatikers, nämlich von Heiner Müller: „Optimismus ist nur ein Mangel an Informationen.“ Diese Aussage passt richtig gut zur aktuellen Agrarpolitik und leider auch zur wahrscheinlichen Einkommensentwicklung der Bauern.

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