Seit 1. September 2015 läuft der Vermarktungswettbewerb der drei rheinischen Ackerbauern Wagner, Maier und Schulze und des agrarmanagers. Die Landwirte haben im Sommer vergangenen Jahres je 1.000 t Weizen gedroschen und wollten diesen mit börsengestützten Vermarktungsinstrumenten bestmöglich verkaufen. Wer von den Dreien das Rennen gemacht hat, erfahren Sie in der Endabrechnung.
Auch wenn die Preise wie in diesem Jahr zur Ernte im Keller gewesen sind, gibt es geeignete Strategien. Sind die Erzeugerpreise so niedrig, müssen zwei eigentlich konkurrierende Ziele verfolgt werden:
- Liquidität durch den Verkauf der physischen Ware schaffen, ohne
- auf einen Preisanstieg im späteren Saisonverlauf zu verzichten.
Das geht durch Nutzung von Terminkontrakten und Optionen, beides Instrumente, die an der europäischen Leitbörse Matif gehandelt werden.
Aktuelle Lage
- An der Matif hat sich der für unsere Vermarktungsstrategien maßgebliche Kontrakt zur Abrechnung März 2016 zischen Anfang Septemer und Anfang Februar von 177,50 €/t auf 161 €/ verbilligt.
- Am rheinischen Kassamarkt, wo die realen Geschäfte zwischen Landwirten und Händlern stattfinden, sind die Brotweizenpreise im gleichen Zeitraum von 168 €/t auf 155 €/t gefallen.
Strategie 1: Weizenverkauf und Futureskauf
Für Ackerbauer Maier, der seinen physischen Weizen ex Ernte verkauft (für 168 €/t) und gegen "Papier-Weizen"von der Matif getauscht hat (für 177,50 €/t), sieht die Rechnung so aus:
- Kontostand zum Start (1. September): 20.000 €
- Kontraktkauf (1. September): 177,50 €/t
- Kontraktverkauf (1. Februar): 161,00 €/t
- (16,50 €/t, bei 1.000 t): -16.500 €
- Transaktionskosten (full-turn): -500 €
- Kontostand (1. Februar): =3.000 €
- Gesamtverlust: -17.000 €
Der Matif-Kontrakt hat sich zwischen September und Februar um 16,50 €/t verbilligt, bei 1.000 t macht das einen Börsenverlust von 16.500 €.
Schlussbewertung:
Das Kalkül von Maier, durch den Kauf von Weizenkontrakten von im weiteren Saisonverlauf wieder steigenden Weizenpreisen zu profitieren, ist diesmal nicht aufgegangen. Der physische Weizenverkauf in der Ernte hat Maier zwar frisches Geld in die Kasse gespült, mit dem er zum Beispiel anstehende Pachtzahlungen begleichen konnte. Später hat Maier der Preisrückgang an der Matif aber erkleckliche Börsenverluste beschert.
Immerhin hat sich Maier die 10.000 € (kalkulatorische) Kosten für die physische Lagerung gespart, was den Börsenverlust zumindest relativiert. Bei Maiers Strategie waren gute Nerven gefragt, um eine verlustbringende Börsenposition nicht vorzeitig glattzustellen. In der Phase andauernder Preisrückgänge kostete ihn jeder Euro Minus an der Matif 1.000 €! Weizen im Lager verliert natürlich auch an Wert, allerdings nicht so sichtbar wie "Papierweizen" auf dem Börsenkonto.
Strategie 2: Weizenverkauf + Call-Kauf
Kollege Schulze hat mit Call-Optionen auf einen Preisanstieg beim Weizen gewettet. Die werden wertvoller, wenn die Preise für Matif-Weizen steigen. Dazu hat der Ackerbauer am 1. September insgesamt 20 Call-Optionen (=1.000 t Weizen) gekauft. Auch Schulze geht also davon aus, dass die Weizenpreise über Winter noch die Kurve kriegen. Dass es am Ende anders gekommen ist, zeigt sich bei der Endabrechnung finanziell schmerzhaft auf Schulzes Börsenkonto:
- Kontostand zum Start: 20.000 €
- Optionskauf (1. September): 8,30 €/t
- theoretischer Verkaufswert (1. Februar): 0,05 €/t (für die Abrechnung Wert auf Null gesetzt)
- Börsenverlust (8,30 €/t × 1.000 t): -8.300 €
- Transaktionskosten (full-turn): -500 €
- Kontostand (1. Februar): = 11.200 €
- Gesamtverlust: -8.800 €
Der Preisverfall reflektiert die auf praktisch Null gesunkene Wahrscheinlichkeit, dass die Call-Optionen während der verbleibenden Restlaufzeit (bis Mitte Februar) "ins Geld" kommen, dass also der den Optionen zugrunde liegende Matif-Weizen über die Auslöseschwelle von 180 €/t klettert. Schulze erzielt durch den Kauf der Call-Optionen einen Totalverlust in Höhe von 8,30 €/t beziehungsweise 8.300 €. Der Kontostand ist von ursprünglich 20.000 € auf 11.200 € gefallen.
Schlussbewertung:
Die Strategie, physischen Weizen gegen Call-Optionen zu tauschen, ist natürlich ebenso wenig aufgegangen wie Strategie 1. Denn im Prinzip steckt der gleiche Mechanismus dahinter, nämlich ein Börsengewinn bei Kursanstieg. Die Strategien 1 und 2 unterscheiden sich vor allem dadurch, dass das Risiko bei der Call-Option auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt ist. Dagegen ist das Risiko beim Kauf von Futures theoretisch unbegrenzt, da der Weizenpreis zumindest theoretisch bis auf Null fallen kann, was entsprechende Nachschusszahlungen nach sich ziehen würde.
Strategie 3: Einlagerung + Call-Verkauf
Anders als seine Kollegen rechnete Wagner von Anfang an mit stagnierenden oder sogar weiter fallenden Getreidepreisen und hat damit am Ende recht behalten. Wagner hat seine 1.000 t Weizen weggepackt und parallel dazu 40 Call-Optionen auf 2.000 t Matif-Weizen verkauft, was dem Doppelten der physischen Weizenmenge (1.000 t) entspricht. Dieses Vorgehen bezeichnet man als dynamisches Hedging. Die Call-Optionen erfahren beim dynamischen Hedging jederzeit die Wertänderung der Lager-Ware.
Vom Käufer der Optionen hat er dafür eine Prämie in Höhe von 7,70 €/t vereinnahmt. Die Prämie verbessert sein Vermarktungsergebnis, da die Weizenpreise bis zur Endabrechnung zum 1. Februar nicht die Kurve gekriegt haben. Wagner fungierte als Versicherungsgesellschaft, die seinem Gegenüber an der Börse ermöglicht, auf steigende Weizenpreise zu wetten.
- Kontostand zum Start: 20.000 €
- Verkaufswert (1. September): 7,70 €/t
- Rückkaufwert (1. Februar 2016): 0,05 €/t
- Börsenverlust (Verkauf 2 Optionen) -335 €
- Gewinn aus 38 Stück (7,70 €/t × 38 Opt. × 50 t/Opt. =) +14.630 €
- Transaktionskosten (full-turn): -1.000 €
- Kontostand (1. Februar): = 33.295 €
- Gesamtgewinn: +13.295 €
Einerseits hat sich Wagners eingelagerter Weizen durch den Preisverfall am Kassamarkt um 13.000 € verbilligt. Wagner hält zum 1. Februar nur noch 38 Optionen, da seine Optionsposition im September 2015 an den Terminpreis angepasst werden musste.Die verkauften Call-Optionen kosteten zum Stichtag 1. Februar nur noch 0,05 €/t, sie sind durch den Preisverfall beim Matif-Weizen also nahezu wertlos, wovon Wagner finanziell profitiert. Daraus resultiert zum Stichtag 1. Februar 2016 ein Börsengewinn von 13.295 €. Unterm Strich am besten schlägt sich also die Einlagerung mit Call-Verkauf.
Schlussbewertung:
Rückblickend muss man feststellen, dass die Rechnung von Landwirt Wagner aufgegangen ist. Die realistische Markteinschätzung wurde durch einen kräftigen Börsengewinn als Optionsschreiber quittiert, durch den der Preisrutsch am physischen Markt zumindest teilweise kompensiert wurde. Stark ins Gewicht fielen andererseits die 10.000 € für die Weizenlagerung. Als Endergebnis hat Wagner 158.295 € auf dem Konto.
Fazit
- Mit hauchdünnem Vorsprung schafft es Strategie 2 (Verkauf ex Ernte und Kauf von Calls) auf den ersten Rang im Vermarktungswettbewerb 2015/16, bei einem finanziellen Endergebnis von 159.200 €. Vom ex Ernte für 168.000 € verkauften Weizen müssen die Verluste aus dem Optionskauf (8.800 €) abgezogen werden.
- Strategie 1 (Verkauf ex Ernte und Futureskauf) landet in unserem Ranking auf dem letzten Platz. Der Verkaufswert der physischen Ware (168.000 €) wird durch einen Börsenverlust (17.000 €) geschmälert, sodass unterm Strich ein Endergebnis von 151.000 € aus der Vermarktung der Weizen ernte 2015 resultiert.
- Alles richtig gemacht hat 2015/16, wer seinen Weizen sofort nach der Ernte verkauft hat. Am Ende liegen zwischen der Gewinnerstrategie 2 und der physischen Einlagerung ohne börsenbasierte Vermarktungsinstrumente aber immerhin 13.000 € bzw. 13 €/t vermarktetem Weizen.
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