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Zinsen, Inflation und Folgen

Wenn die Zinsen weiter steigen: Die Folgen für die Bauern

Landwirt und Geld.
am Dienstag, 10.05.2022 - 13:17 (Jetzt kommentieren)

Jeden Tag eine neue Hiobsbotschaft. Die Kosten explodieren. Die Inflation vernichtet Einkommen. Steigende Zinsen verteuern Investitionen, Bauten und Kredite.

leitzinsen der ezb.

Noch liegt der Leitzins im Euroraum bei Null. Doch Ökonomen und Finanzexperten erwarten eine Erhöhung bereits im Juli. Auslöser ist die galoppierende Inflation. Sie hat in den USA bereits zu einer Zinserhöhung durch die Zentralbank Fed um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,75 bis ein Prozent geführt. In den USA hat die Inflationsrate zuletzt 8,5 Prozent gelegen. Auch die britische Notenbank hob den Leitzins an. Er beträgt jetzt ebenfalls ein Prozent.

„Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte auch das EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel dem Handelsblatt. „Aus heutiger Sicht halte ich eine Zinserhöhung im Juli für möglich.“ Denn nicht nur in den USA, sondern auch im Euroraum ist die Inflation mit zuletzt 7,5 % so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Damit ist die EZB meilenweit von ihrem Inflationsziel von zwei Prozent entfernt. Doch ob die höheren Zinsen die Inflation wirklich ausbremsen können, ist unter Ökonomen heftig umstritten.

Auf der anderen Seite steigen mit den Zinsen die Kosten für Investitionen, Kredite und Baumaßnahmen für Landwirte und Wirtschaft kräftig – und damit auch die Verschuldung und die Gefahr von Überschuldung, Pleiten und Insolvenzen. Auch das Wirtschaftswachstum wird auf diese Weise gebremst.

In den USA wird bereits über die Gefahr einer Stagflation diskutiert: Das ist eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wirtschaft nicht wächst und gleichzeitig Inflation und Unterbeschäftigung herrschen.

Die Kreditgeber von Immobiliendarlehen haben jedenfalls schon auf die Entwicklung steigender Zinsen reagiert. Die Immobilienzinsen haben sich von knapp 1,0 Prozent zum Jahreswechsel auf fast drei Prozent verteuert. Das gleiche wird mit Darlehen und Krediten für wichtige Investitionen auch in der Landwirtschaft passieren.

Schon mitten in der Stagflation? – Die Krise mit Ansage

Der Chef des Ifo-Instituts, Clemens Fuest ist überzeugt: Wir sind mittendrin in der Stagflation, zumindest in Europa. „Bei normalem Konjunkturverlauf müssten die Wachstumsraten viel höher sein. Das heißt, die Wirtschaft stagniert, während die Inflation steigt,“ Der Ökonom fordert daher ebenfalls, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zeitnah ihre Geldpolitik strafft. „Die Geldpolitik der EZB ist aktuell zu expansiv.

Der Ökonom sagt außerdem: „Die Zinserhöhung der USA führt zu einer Aufwertung des US-Dollar gegenüber dem Euro, das erhöht den Inflationsdruck in Europa. Andere Ökonomen wie der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer glauben nicht mehr, dass die EZB die Inflation noch in den Griff bekommt. Er erwartet, „dass die zu hohe Inflation uns vermutlich mehrere Jahre begleiten wird.“

Die Märkte reagierten unabhängig von der Politik auf die aktuelle Entwicklung. Der Wechselkurs bzw. der Außenwert des Euros ist bereits deutlich gesunken von 1,12 USD auf zweitweise weniger als 1,05 USD. Das treibt aber die Inflation über sich verteuernde Importe weiter in die Höhe.

Fuest verweist jedoch noch auf ein anders Phänomen: „Die Preisen steigen gerade, weil die Nachfrage nach vielen Dingen größer ist als das Warenangebot. In Krisen der vergangenen zehn Jahre war meistens die Nachfrage zu schwach. Seiner Meinung nach ist deshalb die Aufgabe der Politik jetzt gerade nicht, die Nachfrage zu stärken, sondern vielmehr sie zurückzunehmen. Das geht natürlich mit steigenden Zinsen.

Inflation ist weiter sehr hoch - Zinsen und Kreditkosten steigen

Derzeit rechnet das Ifo-Institut jedoch mit einer anhaltend starken Inflation, da immer mehr Unternehmen in Deutschland ihre Preise erhöhen wollen. Sie dürfte „auch in den kommenden Monaten bei über 7 Prozent liegen“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser in der vorigen Woche. Hauptursache für die steigenden Preise sind die höheren Kosten bei der Beschaffung von Energie, Rohstoffen, sonstigen Vorprodukten und Handelswaren, begründen die Ifo-Ökonomen die Entwicklung.

Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine ist ein weiterer Treiber der ohnehin schon hohen Inflation hinzugekommen“, sagt ifo-Forscher Niklas Potrafke. „Die EZB sollte nun endlich die Zinsen erhöhen und damit helfen, die Inflation einzudämmen.“ Auf die Frage, wie hoch der Leitzins der EZB am Jahresende 2022 stehen sollte, gaben die Teilnehmer einer Befragung des ifo-Instituts unter führenden deutschen Ökonomen durchschnittlich 1 Prozent an.

In den USA erwarten Ökonomen, dass die Fed das obere Ende ihres Zielbandes bis zum Jahresende auf mindestens 3 % anheben wird. Während der letzten Rezession von 2007 bis 2009 stiegen die Fed-Zinsen auf bis zu 5,25 %. Die höchsten EZB-Zinssätze lagen 2001 bei 4,75 % und 2008 bei 4,25 %. Die Kredit- und Investitionskosten werden hoffentlich dieses Niveau hoffentlich nicht erreichen. Dennoch werden die Kreditkosten den Zinserhöhungen der EZB und der Fed folgen.

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