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Zinsen, Inflation und Folgen

Was die Zinswende für die Bauern bedeutet – und für die Kosten

terminmarkt.
am Dienstag, 14.06.2022 - 12:14 (Jetzt kommentieren)

Die Zentralbanken in Europa und den USA erhöhen die Zinsen. Der Grund: die galoppierende Inflation und die massive Teuerung in allen Lebensbereichen. Landwirte profitieren zwar von steigenden Erzeugerpreisen, doch die ebenfalls stark steigenden Kosten fressen einen guten Teil der höheren Erlöse wieder auf. Ökonomen befürchten, dass der Zinsanstieg zu spät kommt und eine schwere Rezession auslösen könnte. Was heißt das alles für die Bauern?

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Für Bankguthaben sind steigenden Zinsen sicher gut. Nicht jedoch für die Finanzierung von Bauvorhaben und größeren Investitionen. Dann wird es nämlich teurer. Bei den Immobilienkrediten kann man die Entwicklung bereits vor dem anstehenden ersten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank beobachten.

Die Kreditzinsen für Bauervorhaben stiegen von weniger als einem Prozent auf knapp 3 Prozent. Und das dürfte noch nicht das Ende dieser Entwicklung sein. Das heißt: Das Bauen von neuen tierwohlgerechteren Ställen und anderen Wirtschaftsgebäuden wird für die Bauern deutlich teurer. Hinzu kommen die explodierenden Baukosten, die mit den steigenden Rohstoff- und Energiepreisen ebenfalls durch die Decke gehen.

Auch die Kredite für den Maschinenkauf und die Anschaffung von Betriebsmitteln und anderen Investitionsgütern werden sich verteuern. Die Preise für Boden und Pacht dürften ebenfalls einen weiteren Schub erhalten.

Die anhaltend hohe Teuerung ist aber nicht nur in Europa ein Thema. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) könnte die Zinsen dieser Woche möglicherweise noch schneller und stärker anheben als ursprünglich erwartet wurde. "Wir werden keine robuste Erholung des Marktes erleben, bis das Gefühl besteht, dass der Inflationsdruck nachlässt", sagte Quincy Krosby von LPL Financial gegenüber Tagesschau.de

Schlimmste Teuerung seit vielen Jahrzehnten

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Die hohe Inflationsdynamik in Deutschland und der Eurozone treibt die Erwartungen Leitzinserhöhungen der EZB nach oben. In Deutschland ist die Inflationsrate im Mai mit 7,9 Prozent auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren gesprungen. Doch das dürfte nicht das Ende der Preis- und Kostenexplosion sein.

So sind Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte – das sind Verkaufspreise der Industrie – im Mai um 33,5 % nach oben geschossen. Sie gelten als Frühindikator für die weitere Preis- und Kostenentwicklung (auch für den Einlauf landwirtschaftlicher Betriebsmittel). Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, war dies der höchste Anstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949.

Doch auch die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte tragen (nach den Energiepreisen) wesentlich mit zum hohen Inflationsdruck bei. Im April 2022 stiegen die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise um 39,9 % höher als im April 2021. Dies ist der höchste Preisanstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1961. Gleichzeitig verteuerten sich die Betriebsmittepreise für die Landwirtschaft nach der letzten Erhebung im April um 29,4 %.

Diese Entwicklung wollen die Zentralbanken nun mit einer Anhebung der Zinsen abbremsen. „Die EZB hat die Folgen des Energiepreisanstieges nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine zu sehr auf die leichte Schulter genommen", sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank Ende Mai. „Deutliche steigende Energiepreise fressen sich nach einiger Zeit in das breite Preisgefüge hinein," sagt der Finanzexperte weiter. 

Nach jüngsten Äußerungen von Vertretern der Zentralbank wird eine erste Leitzinsanhebung im Juli und ein Ende der Negativzinsen für den September erwartet. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane dämpft Spekulationen auf ein noch schnelleres Ende der Negativzinsen im Euroraum. "Was wir derzeit sehen, ist, dass es angemessen ist, die negativen Zinssätze bis zum Ende des dritten Quartals abzubauen, und dass der Prozess schrittweise erfolgen sollte", sagte Lane gegenüber dem Onlineportal finanznachrichten.

Zinsen steigen im Juli und im Herbst – Wirtschaftskrise befürchtet

"Die Zinsenscheidung der Europäischen Zentralbank ist ein richtiger Schritt, der aber zu spät kommt. Es war nicht akzeptabel, dass die EZB bei einer Inflation von 8% bis heute an Negativzinsen und Anleihenkäufen festgehalten hat. Die Preissteigerungen betreffen nicht nur Energie und Lebensmittel, sie gewinnen an Breite“, sagte der Chef des Münchner ifo-Instituts Clemens Fuest. Das habe auch Folgen für die Fiskalpolitik.

„Die Regierungen der Euro-Länder müssen nun aufpassen. Zusätzliche Staatsschulden sind angesichts der schon durch Corona stark erhöhten Schuldenstände sowie der aktuellen Angebotsverknappung und Zinssteigerungen gefährlich.“ Viele Ökonomen befürchteten deshalb, dass die anziehenden Zinsen in Verbindung mit den übrigen derzeit schwierigen Faktoren die Wirtschaftsentwicklung in Europa und weltweit ausbremsen und schlimmstenfalls zu einer Rezession führen könnten.

Die EZB will wie den Leitzins im Juli zum ersten Mal seit elf Jahren anheben. Weniger erwartet worden war, dass die Notenbanker ihre Prognosen für die Inflation in diesem Jahr angehoben und die für das Wirtschaftswachstum im Euroraum gesenkt haben. Danach wird die jährliche Inflationsrate 2022 bei 6,8 % liegen, bevor sie in den Jahren 2023 und 2024 auf 3,5 % bzw. 2,1 % zurückgehen wird. Die EZB plant die Leitzinsen im Juli um 25 Basispunkte zu erhöhen.

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