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Flächenfraß: Nordzulauf-Streit geht weiter

Protestplakat BrennerNordzulauf Großarolinenfeld
am Freitag, 18.02.2022 - 14:03 (Jetzt kommentieren)

Die DB-Bahntrasse durchs Inntal bleibt weiterhin umstritten. Landwirte bangen um ihre Existenz und BBV-Präsident Heidl übt scharfe Kritik.

„Mir ist wichtig, dass wir nicht gegen etwas sind“, betonte Christian Kaddick zu Beginn. „Wir sind für eine intelligente, bedarfsgerechte Lösung.“ Doch die ist aus Sicht der Bürgerinitiative Brennerdialog Rosenheimer Land, deren Vorsitzender Kaddick ist, beim Brenner Nordzulauf noch nicht gefunden.

Die Bürgerinitiative lud zu einer Online-Pressekonferenz ein, um neue Argumente gegen die Bahnpläne einer Neubautrasse durchs Inntal vorzutragen. Diese liefert ausgerechnet die im Dezember vorgelegte Studie der „Brenner Corridor Plattform“, einer Lobby-Organisation der Bahngesellschaften und Verkehrsministerien der am Brenner Basistunnel beteiligten Länder Deutschland, Österreich und Italien.

Studie zur neuen Bahnstrecke in der Kritik

Die Studie prognostiziert die Entwicklung des Personen- und Güterverkehrs zwischen München und Verona bis 2040. Die Bahn interpretiert die Zahlen pro Trassenneubau, um das Verkehrswachstum zu stemmen. Die BI legte die Studie, wie schon die „Trimode-Korridorstudie“ 2018, dem Verkehrsexperten Martin Vieregg zur Prüfung vor. Dessen Münchner Beraterbüro Vieregg-Rössler hatte in der Vergangenheit durchaus planungswirksam auch schon Riesenprojekte wie den Münchner Transrapid oder Stuttgart21 analysiert. Sein Urteil am Dienstag: Die neue Korridor-Studie sei „substanziell und ordentlich gemacht“, doch die Ergebnisse der Prüfung eindeutig: „Ein Neubau der Bahnstrecke ist nicht erforderlich notwendig.“

Wasser auf die Mühlen der Gegner, die seit Jahren die Nutzung der Bestandsgleise, deren Modernisierung mit digitaler Signaltechnik und Lärmschutz für die Anwohner fordern statt mit einer Mega-Bahntrasse Landschaft und Landwirtschaft im Inntal zu zerstören.

BBV-Präsident Heidl: Landwirtschaft schützen

Für die ca. 50 km lange Strecke würden Hunderte ha Land benötig, gab anderntags auch BBV-Präsident Walter Heidl zu bedenken. In einem offenen Brief an Bahnchef Richard Lutz mahnte er die „verheerenden Auswirkungen“ für die Landwirtschaft an und kritisierte „die mangelhafte Einbindung der betroffenen Bäuerinnen und Bauern“. Auch ihnen gab Vieregg recht: Die zwei bestehenden Gleise reichen sowohl für den Personen- als auch den Güterverkehr. Zur Not könne ein drittes Gleis Verkehrszuwächse irgendwann ausgleichen.

Was die Fahrgastzahlen betrifft, befindet sich die Bahn für Vieregg in einem „Dilemma“. Bisher reisen täglich 2200 Menschen auf der Bestandsstrecke nach Verona. Laut Studie könnten sich diese Zahlen mit einer Hochgeschwindigkeitstrasse verdreifachen, die die Fahrzeit von 5 auf 2,5 h verkürzt. Um die Leute auf wichtigen Halten wie Rosenheim, Kufstein oder Bozen überhaupt ein- oder aussteigen zu lassen, müssten die 230 km schnellen Züge aber wieder aufs Bestandsgleis gelenkt werden – weg wäre der Zeitvorsprung.

Güterverkehr statt LKWs

Wichtiger ist der Güterverkehr. Der soll aus Umweltgründen vom LKW aufs Gleis und exponentiell wachsen. Hier möchte der Bund auch mit höheren Mautpreisen mithelfen. Rollt der Güterverkehr dann automatisch aufs Gleis? Vieregg widerspricht: Die LKW würden infach wieder auf dem kürzesten statt auf dem Brenner als billigstem Weg fahren. Mit einem Wachstum des Güterverkehrs sei auch gar nicht zu rechnen. Unberücksichtigt lasse die Studie außerdem den neuen Ostkorridor von den Nordseehäfen über Mühldorf nach Salzburg und den Ausbau der Brenner-Zulaufstrecke Mühldorf – Rosenheim. Zwei Projekte, die die Karten verkehrstechnisch neu mischen. Richard Mergner vom Bund Naturschutz Bayern und BI-Sprecher Thomas Riederich kamen zum selben Fazit, adressiert von Riederich an Verkehrsminister Volker Wissing: „Stellen Sie die Planungen ein und ersparen Sie dem Steuerzahler dieses Milliardengrab!“

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