Im Interview mit Agra-Europe erläuterte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, der Milchmarkt sei kein Markt wie jeder andere: „Auch nach dem Wegfall der Quote gibt es zahlreiche Sonderregeln. Durch das Auslaufen der Milchquote ist die bisherige staatliche Mengensteuerung entfallen.“ So gäbe es Indizien, dass die üblichen Milchlieferbedingungen derzeit verhindern, dass eine wirksame Steuerung durch den Markt eine gesetzliche Milchquote ersetzen kann.
Karstellamt prüft Verträge
Deshalb prüft das Kartellamt seit April die Lieferbedingungen zwischen Molkereien und Landwirten. Denn seit dem Wegfall der Milchquote beschränken einige Faktoren den Handlungsspielraum der Landwirte:
- Langfristige Verträge und Kündigungsfristen
- 100-prozentige Milchandienungspflichten
- ein sehr transparentes Preissystem
Je nach Ergebnis dieser Prüfung hat das Kartellamt zum Beispiel die Möglichkeit, bestimmte Klauseln zu verbieten oder für rechtswidrig zu erklären.
Problem 1: Langfristige Verträge
Für Mundt steht schon jetzt fest: „Ohne eine wirksame Mengensteuerung wird der Milchmarkt auch in Zukunft nicht wettbewerblich funktionieren.“ Die staatliche Steuerung sei mit der Milchquote aufgegeben worden; jetzt wäre eigentlich der Markt gefordert. Der Markt könne die Mengen aber nur steuern, wenn die Verträge das auch zulassen.
Problem 2: Andienungspflicht
Die Andienungspflicht sieht Mundt kritisch: „Sie schränkt die Flexibilität der Erzeuger ein, auf Veränderungen im Markt - etwa durch einen Wechsel der Molkerei - reagieren zu können.“ Die Details dazu muss das Kartellamt aber erst ermitteln. „Möglicherweise könnten andere Modelle dazu beitragen, dass die Betriebe in die Lage versetzt werden, frühzeitig auf Marktschwankungen zu reagieren.“
Problem 3: Preistransparenz
Das transparente Preissystem im Milchmarkt sei sein Problem, weil Preisänderungen einer Molkerei umgehend entsprechende Preisänderungen bei anderen Molkereien nach sich ziehen können. Deshalb untersucht das Kartellamt auch Praktiken, nach denen die Landwirte die Auszahlungspreise erst nachträglich erhalten. Hier trägt allein der Landwirt das wirtschaftliche Risiko.
Drei Lösungsmöglichkeiten
Die derzeitige Debatte darüber, wie die Vertragsbeziehungen umgestaltet werden könnten, begrüßt Mundt. Er sieht drei Lösungsmöglichkeiten:
- Die Molkereien könnten gewisse Möglichkeiten zur Steuerung ihrer Rohmilchmenge in die Hand bekommen, die auch ihre konkreten Verkaufsmöglichkeiten berücksichtigen. Das würde voraussetzen, dass bei Bedarf weniger Milch produziert würde, was nicht so einfach ist.
- Die Molkereien könnten gute Verwertungsmöglichkeiten an ihre Erzeuger weitergeben und ihnen für gewisse Kontingente Verträge mit festen Mengen und festen Preisen anbieten.
- Mit einer Pluralität von Vertragsmodellen könnten sich optimale Vertragsbedingungen am Markt herausbilden. Die Interessen der beteiligten Landwirte sind insgesamt sehr unterschiedlich.
Ob Mengenabsprachen unter den Molkereien etwas bewirken können, bezweifelt Mundt: Die Interessen der Marktteilnehmer seien dafür möglicherweise zu unterschiedlich und es sei sehr zweifelhaft, ob die Molkereien dazu gezwungen werden können. „Sinnvoller dürfte es sein, über Anreize dafür zu sorgen, dass Erzeuger ihre Produktionsmenge freiwillig senken.“
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