Neue Studie: Was eine Halbierung der Tierzahlen in der Praxis bedeutet

Die Vieh- und Fleischwirtschaft reduzieren, das wird politisch gefordert. Doch was würde passieren, wenn sich die Tierzahlen halbieren? Eine Studie gibt Aufschluss.
Angesichts der momentanen Herausforderungen im Natur-, Klima- und Tierschutz gibt es politische Überlegungen, insbesondere die Viehhaltung stärker zu regulieren. Vor allem in Niedersachsen gibt es Landkreise, in denen die Tierhaltung und die Fleischwirtschaft einen enormen Anteil an der Konjunktur haben. Was wäre, wenn sich die Tierzahlen bei uns im Nordwesten halbierten? Welche Auswirkungen hätte ein Umkrempeln der Branchen? Dr. Anne Margarian und Dr. Josef Efken vom Thünen-Institut für Marktanalyse in Braunschweig sowie Dr. Verena Beck, Wissenschaftsmanagerin an der Universität Vechta, wollten es genauer wissen.
Landkreise mit hoher Schweinedichte in Niedersachsen
Gemeinsam haben sie jetzt ihre Studie „Regionalwirtschaftliche Auswirkungen einer Reduzierung der Tierhaltung in Konzentrationsgebieten“ veröffentlicht. Abgekürzt heißt das Projekt „ReTiKo“. Die Förderung des Vorhabens erfolgte aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die Projektträgerschaft hatte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) inne.
Die untersuchte Fallregion besteht aus den neun Landkreisen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mit den deutschlandweit höchsten Schweinedichten. Am höchsten sind sie in den beiden Landkreisen Cloppenburg und Vechta.
Welche Bedeutung hat die Viehwirtschaft?
Im Projekt widmete sich das Team mehreren Fragen, unter anderem, welche Bedeutung der Viehwirtschaft für die regionale Agrar- und Ernährungswirtschaft und für das weitere wirtschaftliche Umfeld und seine Entwicklung zukommt. Auch wollte es herausfinden, welche Reaktionsfähigkeiten und Anpassungsstrategien die Beteiligten der Viehwirtschaft sowie ihre vor- und nachgelagerten Bereiche aufweisen. Welche positiven und negativen Entwicklungsimpulse gehen davon für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Regionen mit intensiver Viehwirtschaft aus?
Fleischwirtschaft: So beeinflusst sie die konjunkturelle Entwicklung
Die Ergebnisse fassen die Autorinnen und der Autor in ihrem Abschlussbericht zusammen. Im Kreis Cloppenburg waren im Jahr 2019 von allen Beschäftigten 19 Prozent in der Land- und Ernährungswirtschaft tätig. In den 16 Landkreisen waren es insgesamt sieben Prozent und in den 220 nicht-kreisfreien „Vergleichskreisen“ Westdeutschlands waren es nur 3,7 Prozent. Eine weitere Besonderheit an Cloppenburg. Hier ist neben dem Dienstleistungssektor auch das verarbeitende Gewerbe jenseits der Ernährungswirtschaft relativ schwach ausgeprägt. Auch interessant: In Vechta und Cloppenburg waren die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen 2019 mehr als doppelt so hoch wie im niedersächsischen Durchschnitt.
Wohin mit den in der Landwirtschaft Beschäftigten?
Was passiert denn nun, wenn die Tierzahlen sinken? Dazu wurden in dem Projekt die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Branchen und ihren Beschäftigungsentwicklungen bestimmt, um danach die mögliche Entwicklung mit und ohne einer Halbierung der Zahl der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft zu simulieren. „Die regionale Entwicklung kann aber nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden“, heißt es in dem Abschlussbericht. Deshalb seien zusätzlich noch Interviews mit regionalen Expertinnen und Experten sowie Stakeholdern geführt worden.
Nach der Simulation wächst die Zahl der Beschäftigten in einem durchschnittlichen Landkreis auch bei einer dauerhaften Halbierung der Beschäftigung in der Landwirtschaft unter sonst gleichen Bedingungen weiter. Das liege daran, dass in den Landkreisen auch andere Branchen stark wachsen. Da diese nun aber keine positiven Impulse vom Wachstum der Viehwirtschaft mehr erfahren, nimmt das Beschäftigungswachstum insgesamt spürbar stärker ab als in der Landwirtschaft alleine.
Weniger Vieh - andere Jobs?
Es gibt aber auch negative Wechselwirkungen, grade in Kreisen mit besonders dynamischer Viehwirtschaft wie Cloppenburg. Es heißt in der Studie: „Die Konsequenzen einer drastischen Reduzierung der Viehhaltung erscheinen umso gravierender, je enger der Fokus der Betrachtung gewählt wird. Eine starke Reduzierung der Veredlungswirtschaft würde unweigerlich große Veränderungen im Kern der Wertschöpfungskette zur Folge haben.“ In den Kernbranchen der Viehhaltung und der Schlachtwirtschaft bedeute das ohne Zweifel eine Reduzierung der Zahl an Unternehmen, an Arbeitsplätzen und an Wertschöpfung.
Verlust von Arbeitsplätzen kompensieren
Dieser Verlust werde einzelne Landgemeinden und Kleinstädte - ergo insbesondere die Kreise Vechta und Cloppenburg - besonders hart treffen. „Eine Reduzierung der Viehhaltung in der Region könnte bedeuten, dass einige dieser Standorte großer Unternehmen geschlossen werden, was zu einem schnellen Verlust einer relativ großen Anzahl von Arbeitsplätzen in den betroffenen Gemeinden führen würde. Dieser Verlust wird sich nicht überall einfach lokal kompensieren lassen“, lautet ein Ergebnis. Dennoch halten es die Autorinnen und der Autor für möglich, dass das Beschäftigungswachstum auch in Branchen und Unternehmen jenseits der Vieh- und Fleischwirtschaft so stark sein könnte, dass sie Verluste ausgleichen würden.
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