Um bescheidene 3 Cent hat der Discounter Aldi den Ladenpreis für Trinkmilch seiner Eigenmarke Anfang dieser Woche angehoben. Andere Lebensmitteleinzelhändler folgen dem Marktführer.
Der neue Kontrakt ignoriert damit das tatsächliche Geschehen am Milchmarkt weitestgehend. Denn der Rohstoff Milch ist knapp. Die Produktionskosten der Milchviehhalter und der Molkereien schießen in die Höhe. Um 18 Prozent lag der durchschnittliche Auszahlungspreis der deutschen Molkereien im November 2021 über dem Vorjahresniveau. Das zeigt der jüngste verfügbare Durchschnittspreis, den die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) veröffentlicht.
Die Kostenexplosion für Verarbeitung, Verpackung und Logistik, die bis zum Ladenregal hinzugerechnet werden muss, ist darin noch gar nicht erfasst. Angesichts dessen ist die Preisanhebung um 3,8 bis 4,2 Prozent für Vollmilch beziehungsweise fettarme Milch der Eigenmarken völlig unzureichend. Ein viel deutlicher Preissprung wäre zu erwarten gewesen, stellt auch der Verband der Milcherzeuger Bayerns (VMB) fest. Und er wäre für die Milcherzeuger auch existenziell notwendig.
Rohstoffpreise auf Höchststand
Doch der selbsternannte Preisführer Aldi setzt mit seinem knauserigen Preisaufschlag ein Ausrufezeichen. Der Discounter signalisiert der Ernährungsindustrie: Bis hierhin und nicht weiter. Denn im Hintergrund führen die vier Riesen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels, Aldi, Edeka, Lidl und Rewe, derzeit mit den Herstellern eine Runde von Jahresgesprächen, die ihresgleichen sucht.
Selten zuvor waren Preiserhöhungen für die Lebensmittelindustrie so zwingend notwendig wie jetzt. Enorm gestiegene Kosten für Rohstoffe, Energie, Verpackungen und Transport belasten die Ernährungsindustrie von Arla Food bis Zentis.
„Wir haben historische Höchststände bei Agrarrohstoffen“, sagt Horst-Peter Karos vom Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK). Die Konsequenz wird sein, dass die Unternehmen die Kosten an den Lebensmittelhandel beziehungsweise an den Verbraucher weitergeben müssen, fordert Karos.
Edeka-Chef Mosa rechnet mit mehr Preissensibilität der Verbraucher

Genau das wollen die Handelsriesen aber mit all ihrer geballten Einkaufsmacht verhindern. Denn sie spüren genau: Die Verbraucher werden 2022 angesichts der extrem steigenden Preise für Heiz- und Kraftstoffe noch stärker auf die Lebensmittelpreise schauen. Im Dezember erreichte die Inflationsrate mit 5,3 Prozent den höchsten Stand seit 28 Jahren. Nahrungsmittel verteuerten sich mit 6,0 Prozent überdurchschnittlich.
Ramschpreise für Lebensmittel, wie sie Agrarminister Cem Özdemir noch vor wenigen Tagen ablehnte, wird der Verbraucher in dieser Situation begierig akzeptieren.
Dazu Edeka-Vorstandschef Markus Mosa in der Lebensmittelzeitung (LZ): „Gerade angesichts einer wachsenden Inflation und stark steigenden Energiekosten achten die meisten Menschen immer mehr auf den Preis.“
Geizt der Handel weiter, steigen die Lieferanten aus
Landwirte und Lebensmittelindustrie brauchen aber höhere Erlöse, um ihre steigenden Kosten decken zu können. Sonst werden sie früher oder später die Produktion einstellen müssen. Das zeigen eindrucksvoll die Ergebnisse der jüngsten Viehzählung von November 2021: Innerhalb eines Jahres haben 8 Prozent der deutschen Schweinehalter das Handtuch geworfen. Bauern können ihre Abgabepreise für Ferkel, Schweine und Milch nicht mal so eben erhöhen. Dazu fehlt ihnen die Marktmacht.
Einzelhandel lehnt Preisforderungen der Konzerne ab
Die Hersteller von Markenprodukten haben es da zumindest etwas leichter. Unternehmen wie Danone, Meggle, Henkel, Nestlé oder Ritter haben im vergangenen Jahr die unverbindlichen Preisempfehlungen (UVP) für ihre Produkte teils deutlich heraufgesetzt.
UVP sind aber noch keine Ladenpreise, sondern eben nur unverbindlich. Letztlich legt der Einzelhandel den Verbraucherpreis fest. Und der mauert gegenüber der Industrie massiv.
Rewe-Chef Lionel Souque wird in der LZ deutlich: „Wir werden Preiserhöhungen überall dort nicht akzeptieren, wenn sie nicht gerechtfertigt sind und hauptsächlich von der Dividendenpolitik börsennotierter, internationaler Nahrungsmittelkonzerne getrieben werden“.
Die deutschen Landwirte kann der Handelsboss damit nicht meinen. Dann sollte bei den Verbraucherpreisen für Milch und Fleisch allerdings noch einige Luft nach oben sein.
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