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Allgäuer Tierskandal: Zweiter Prozess gegen Tierhalter hat begonnen

Sitzungssaal im Memminger Landgericht
am Mittwoch, 05.07.2023 - 12:12 (Jetzt kommentieren)

Im zweiten Prozess um den Tierskandal in Bad Grönenbach schildern Bauer Georg Z. und seine Söhne ihren Arbeitsalltag. Ihr Anwalt sieht die Veterinäre in der Pflicht.

Im Sitzungssaal 132 des Landgerichts Memmingen stehen drei Bauern, Vater und zwei erwachsene Söhne, vor den Schranken des Gerichts der Großen Strafkammer. Ihnen werden zahlreiche gemeinschaftlich begangene Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zur Last gelegt. Konkret wird ihnen vorgeworfen, bei 32 behandlungsbedürftigen Rindern nicht dafür gesorgt zu haben, dass die Tiere durch einen Tierarzt behandelt wurden.

Bereits kurz vor 8:30 Uhr setzten sich der 67 Jahre alte Georg Z. und seinen beiden 39 und 37 Jahre alten Söhne Martin Z. und Michael Z., zusammen mit je einem Rechtsanwalt, gestern (4.7.) auf die Anklagebank. Alle drei Bauern tragen helle, offene Hemden und machen einen sympathischen Eindruck, wobei sie das Verlesen der Anklageschrift durch den Staatsanwalt Andreas Kögl, mit starren Mienen verfolgten. Dies dauert rund 20 Minuten, wobei die 32 betroffenen Kühe einzeln aufgerufen wurden und immer wieder von „hochgradiger Lahmheit“ die Rede ist.

Für die über 30 kranken und teilweise verwahrlosten Kühe sei zu spät oder kein Veterinär gerufen worden, so dass die Tiere längere Zeit Schmerzen leiden mussten, lautet der Vorwurf. Konkret warf der Staatsanwalt in der Anklageschrift vor, die Bauern hätten „bewusst pflichtwidrig“ gehandelt.

Angeklagte Landwirte schildern ihren Arbeitsalltag

Im weiteren Verlauf der Verhandlung zitierte ein Verteidiger Dr. Wolfgang Hansen einen Tierarzt als Sachverständigen zu diesem Prozess, da er zu den Verfassern einer Broschüre gehört, die das niedersächsisches Landwirtschaftsministerium in Auftrag gegeben habe und aus der hervorgeht: „Schwellungen bei Rindern sind nicht schmerzhaft“. Demnach hätten die Bauern keine Behandlungen unterlassen und Leid zugefügt – deshalb plädiere der Anwalt für Freispruch.

Dies sah der Staatsanwalt anders, da der Autor dieser Broschüre, auch ein Tierarzt, ein Privatgutachter sei. Dem schloss sich der Richter an, mit der Begründung, dass das Gericht bereits selbst sachkundige Sachverständige geladen habe.

Nach Aufforderung des Richters, der mit zwei Schöffen vertreten war, sprach Vater Georg Z. klar an, dass er im heimischen Unternehmen für die Milchwirtschaft zuständig ist. Die Söhne arbeiten im Futterbau und bei den Kälbern. Er stellte seinen Arbeitstag vor, der um fünf Uhr beginnt. Bereits sehr früh habe man den ersten Laufstall in der Gegend betrieben. Gemolken wird in einem Melkkarussell und die gewonnene Zeit werde auch zur Tierbeobachtung verwendet.

Jede Kuh liefert über ihren Chip wichtige Daten, wie über das Fressverhalten und die Milchleistung, die kurzfristig ausgewertet wurden. Er selbst habe in seinem Blaumann immer Markierungsstifte und Fieberthermometer griffbereit, um auffällige Tiere zu markieren und in die mit Stroh bedeckte Krankenbucht zu geben. Zum Zeitpunkt der Kontrollen wurden etwa 1.050 Kühe in Bad Grönenbach gehalten. Auch gab er bekannt, dass er den Hof schon mit 21 Jahren übernommen habe.

Angeklagter Landwirt vermittelt Bild eines kompetenten Bauers

Detailliert stellte Georg Z. auf Wunsch des Richters den Klauenstand und die Arbeitsweise vor. Für Klauenkrankheiten gebe es verschiedene Ursachen, wie eingetretene Steine oder kleine Einrisse an der Seite der Klauen. Gelegentlich hilft ein Entlastungsblock, um den Tieren zu helfen. Er vermittelte das kompetente Bild eines erfahrenen Bauern, der gewissenhaft arbeitet und für seine Tiere da ist.

Die Tierärzte, es kamen mehrere von unterschiedlichen Praxen auf den Betrieb, haben entsprechende Vorgehensweisen erläutert, die man auch mitgetragen habe. Gelegentlich war es auch notwendig, Kühe, wie bei einem Kaiserschnitt, in die Tierklinik nach Babenhausen zu fahren. Zu den Vorwürfen hatte der Seniorbauer für jede einzelne Kuh eine eigene Begründung erstellt, in der er die Vorwürfe abschwächte. In einigen Fällen seien Schmerzen nicht erkennbar gewesen. Tierärztliche Behandlungen habe man schnell veranlasst und nach „bestem Wissen und Gewissen" vorgenommen.

19 Zeugen im zweitem Prozess um Tierskandal in Bad Grönenbach

Apropos Tierarzteinsatz: Anwalt Hansen hakte bei Georg Z. nach wie oft Tierärzte auf dem Betrieb gewesen seien? Sehr oft, war die Antwort, manchmal an einem Tag gleich mehrere Veterinäre. Auch telefonisch habe er Behandlungsfragen mit ihnen gesprochen und er habe sich auf die tierärztlichen Aussagen verlassen.

Dem Richter, Staatsanwalt und Schöffen präsentierten der Seniorbauer und sein Anwalt einen Stapel Belege der Tierarztbesuche in der betroffenen Kontrollzeit. So kamen die drei Bauern der Aufforderung des Landratsamtes nach, betroffene Tiere von einem Tierarzt untersuchen zu lassen – doch die Veterinäre hätten teilweise keinen Behandlungsbedarf gesehen!

In dem Prozess sind weitere Verhandlungstage angesetzt, wobei aktuell 19 Zeugen und drei Sachverständige geladen sind.

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